Mittwoch 5. Mai 2010, 11:02
Hallo Camprali,
Letzte Woche habe ich es nun tatsächlich geschafft, mir eine Selbsthilfegruppe zu suchen und auch hinzugehen.
Ich habe von Dr. Ameisens Buch erzählt, und meiner Einnahme von Baclofen. Kein erhobener Zeigefinger. Kein Gerede von Suchtverlagerung.
Ich habe leider andere Erfahrungen in AA Gruppen gemacht, insbesondere die Diskussionen "von der Pulle zur Pille".... es hat mich bewogen, nicht mehr dort hin zu gehen. Lag vielleicht generell an der Gruppe.... die mir grösstenteils etwas zu "staubtrocken" waren und sicher kamen noch gewisse Sprachschwierigkeiten dazu. Ich spreche "Small-Talk" Ital. , aber wenn ich mein Herz von innen nach aussen kehren will, meine Gefühle mitteilen, fehlen mir die richtigen Worte... die finde ich nur in meiner Muttersprache. Aber es ist sicher vieles gut, was bei AA praktiziert wird.
Zu Anfang meines Einsehens, dass ich alkoholkrank bin, hat es mir unglaublich gut getan, in diese AA Gruppe zu gehen, andere Schicksale zu hören, zu sehen, Du bist ja mit all dem, was Du so gemacht hast, nicht alleine.
Und ich habe die verschiedensten Menschen kennengelernt, die Alkoholiker sind.... von bis.... Hatte vorher, in meiner Ueberheblichkeit immer ein ganz bestimmtes Bild von einem Alkoholiker(In)... das waren für mich die armen Geschöpfe, die obdachlos mit der Schnapsflasche vor dem Bahnhof oder unter der Brücke sitzen...
Was mir menschlich sehr geholfen hat, war die Arbeit mit den 12 Schritten.
Ich brauchte lange, um einzusehen, dass ich Alkoholikerin bin. Der zweite Schritt war dann, mich von einer auf dem hohen Ross sitzend "elitären" Alkoholikerin , da gebildet, berufstätig, Führerschein nicht verloren, funktionierende Familie bla, bla , bla..... mich zu einem alkoholkranken Menschen zu entwickeln der seine Krankheit akzeptiert, eine grosse Ehrfurcht vor dem Leben hat, eine tiefe Dankbarkeit entwickelt hat, trotz Sucht, nicht alles verloren zu haben.... der Schritt dahin wäre nur ein kleiner gewesen.... Und ich sehe all diejenigen, die ganz unten sitzen, heute mit ganz anderen Augen...
Ich habe oft in der AA Literatur gelesen, wie auch in anderen Texten (wie hier z.B. teilweise eingestellt), die meinen Kopf wieder in die richtige Richtung rücken, vor allem, wenn die alte Emelie wieder durchkommen will.....
Vielleicht war es mein Schicksal, Alkoholikerin zu werden, um mich zu einem besseren Menschen zu entwickeln, Mitleid empfinden zu können und meinen Egoismus nach hinten zu stellen?
Aber schlussendlich habe ich erst durch die Einnahme von Baclofen geschafft, dieses grauenvolle Craving loszuwerden, und auch wenn ich zwischendurch einfach mal wieder eine grosse Lust (kein Suchtdruck) auf mein Glas Prosecco oder Wein hat, hat mich das nicht zum Absturz gebracht, aber wieder in eine gewisse Art von Depression.... Ich will nicht mehr weitertrinken, mein Ziel ist die Abstinenz und die kann ich nur erreichen, wenn ich nicht mehr meiner Lust auf Alk nachgebe, wenn ich täglich an mir arbeite und vor allem auch dankbar, für das, was mir geblieben ist, für das, was ich habe, bin.
Liebe Grüsse
Emelie