Bernard Granger, Professor für Psychiatrie an der Université Descartes, Paris hat eine bisher 5-teilige „Baclofen-Saga“ veröffentlicht. Hier Teil 1 der Saga:
Als radikales Mittel gegen den Alkoholismus ist Baclofen eine grosse medizinische Entdeckung. Warum wird es nicht anerkannt? Als Objekt einer wissenschaftlichen Kontroverse, wie oft bei grossen Entdeckungen in der Medizin, nimmt die Anwendung von Baclofen in hoher Dosierung mehr und mehr Platz in der Behandlung des Alkoholismus ein. Sehr zum Missfallen der offiziellen Suchtforschung, die in Dogmen und Interessen- konflikte verfangen ist und vor dem Hintergrund einer relativen, therapeutischen Ohnmacht.
Baclofen wurde ursprünglich – ohne Erfolg – als Antiepileptikum entwickelt und in den 70er Jahren als Mittel gegen Muskelspasmen vermarktet. Insbesondere bei Rückenmarksverletzungen und bei neurodegenerativen Krankheiten wie Multipler Sklerose und ALS. Es gilt somit als sicheres Medikament ohne beeinträchtigende Nebenwirkungen. Es wird bei neurologischen Indikationen nach wie vor weiträumig eingesetzt.
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts zeigten mehrere erst offene, dann doppelblinde und Placebo kontrollierte Studien, die Wirksamkeit von Baclofen in der Alkoholentwöhnung und der Aufrechterhaltung der Abstinenz bei einer täglichen Dosis von 30mg. Die Studienautoren vermerkten, dass der überwältigende Drang nach Alkohol (Craving) durch Baclofen stark gedämpft wurde.
Alles verändert sich Ende 2005, als Olivier Ameisen, ein französischer Arzt und Kardiologe an einer renommierten New Yorker Universität, den Bericht eines Selbstversuchs publiziert. Er beschreibt darin seine durch Baclofen erreichte „Heilung" von Alkoholismus, allerdings mit hohen Dosierungen von bis zu 270mg pro Tag. Baclofen unterdrückte bei ihm das Craving und macht ihn Alkohol gegenüber gleichgültig.
2008 schildert sein aufsehenerregendes Buch „Le Dernier Verre" (Denoel) die Entwicklung bis hin zu dieser Entdeckung und macht sie einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Eine 2010 veröffentlichte, offene Studie von Prof. Olivier Ameisen und Dr. Renaud de Beaurepaire, bestätigt die aussergewöhnliche Wirkung von Baclofen, die Alkoholikern ermöglicht, mit dem Trinken aufzuhören.
Die Studie umfasste 60 Patienten die mit 87% gute Resultate über drei Monate erreichten (Abstinenz oder moderaten Alkoholkonsum). Die Tagesdosierungen lagen zwischen 15 und 300mg, die durchschnittliche Dosis betrug 145mg. Eine Erfolgsquote, weit über den konventionellen Behandlungsmethoden. Weitere Studien sind vorgesehen und sollen durch die eindeutigste aller Verfahren, doppelblinde, placebokontrollierte Studien, die bemerkenswerte Wirksamkeit von Baclofen bestätigen.
Von zahlreichen verschreibenden Ärzten bestätigt, stösst diese Entdeckung auf viele Interessenkonflikte und wird einige Hindernisse überwinden müssen, bevor sie ihrem Wert entsprechend anerkannt wird. Sie verändert das Leben zahlreicher Alkoholkranker, was offenbar weder den Behörden noch gewissen „Spezialisten" zu genügen scheint.
_________________ „Es gibt keine Alternative zum Optimismus, Pessimismus ist Lebensfeigheit.“ Richard David Precht
|