Diese Zeilen werde ich auch in meinen eigenen Thread stellen.
Wie ich Notfall und wirkliches Craving sehe... nicht erschrecken, meine Erklärung mag etwas neben dem Gewohnten vorbeischrammen... und ziemlich ernüchternd ausfallen, aber ich möchte es dennoch kommunizieren.
Ich spreche nicht von Trinkwünschen, Assoziationen, Abschussgedanken, nein, denn diese sind mit Baclofen und Gedankenarbeit meines Erachtens beherrschbar. Ich möchte hier vom wirklichen Craving sprechen und wie es für mich in einem anderen Kontext vergleichbar ist. Jedermann und Jedefrau, welche einmal das Gefühl von wirklicher Liebe erlebt hat, eine Liebe, welche die ganze Seele, den Geist und den Körper erfasst, welche nur noch ein Ziel hat: Beim Geliebten Menschen zu sein, zu fühlen, wie dabei der Himmel, das ganze Universum mit sanfter Art berührt wird. Wie sich etwas Unfassbares aufbaut... die Schmetterlinge im Bauch, eine Spannung, welche sich kontinuierlich aufbaut um letztendlich in der totalen Verschmelzung des Orgasmus (point of no return) sich als die Liebe zweier Menschen offenbart...
Das wirkliche Craving scheint ähnliche Bahnen in unserem Denken einzunehmen. Irgendwie sind da Ähnlichkeiten in der Erscheinung. Es hat die Qualität einer unendlichen Liebe, welche aus irgendwelchen Gründen nicht bestehen durfte, jedoch unauslöschlich im Denken verankert bleibt.
Kurz gesagt: Echtes Craving hat ähnliche Eigenschaften wie verliebt zu sein über beide Ohren. Die Ratio wird dabei in beiden Fällen ausgeschaltet...
Und darum kann ich auch nach 3 Jahren kontinuierlicher Baclofen-Therapie, inklusive gewolltem Trinkversuch und einem letzthin absolut misslungenen Abdosierungsprojekt (den Schrecken habe ich jetzt noch in den Gliedern...!) nur eines sagen. Vogel friss oder stirb... ohne Bac wird es wohl nicht mehr gehen, mit Bac habe ich die verlorene Liebe erträglich gemacht, wenn sie mich auch manchmal in tiefen Träumen wieder einholt und ich in Panik erwache. Fazit: wir sollten uns nichts vormachen, wir alle sind vermutlich bis an unser Ende Verurteilte und müssen mit unserem durch den Alkohol veränderten Hirn und einem Verlustgefühl weiterleben.
Aber, und dies erachte ich als das Wichtigste, O. Ameisen hat uns vor Augen geführt, dass es ein Molekül gibt, welches uns in dieser Beziehung eine Form von "stand by" oder besser "suspend" im Hirn geben kann. Damit der (Welt-)Schmerz erträglich wird, damit die Sehnsucht irgenwie und irgendwo eingeordnet werden kann... wenn es auch manchmal fast unerträglichen Schmerz bereitet... den Schmerz des Verlustes. Das Gespenst der Verlustangst...
Ich mache mir nach 3 Jahren Therapie keine Illusionen mehr. Entweder schlucke ich meine 50mg/Tag oder ich komme wieder auf die vorherige Schiene, wenngleich sie auch "nur" die kurze Zeit von 2-3 Jahren gedauert hat. Eine einmal eingebrannte Sucht ist nicht rückgängig zu machen. Einmal auf den Geschmack gekommen zu sein heisst schlicht und einfach: das Programm ist und bleibt umgeschrieben... unter dem Motto "arrangez vous".
Es mag eine schmerzliche Einsicht sein, aber irgendwie befreit sie vom Zweifeln und unnötigem Hoffen. Es ist meine ganz persönliche Ansicht und ich möchte sie hier nicht als allgemeingültig bezeichnen.
LG moonriver
_________________ „Geh nicht nur glatte Straßen, geh Wege, die noch niemand ging, damit du Spuren hinterlässt, und nicht nur Staub!“ (Antoine de Saint-Exupéry)
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