Baclofen Forum vs Alkoholismus

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 Betreff des Beitrags: Seit mehr als 40 Jahren haben Studien gezeigt ...
BeitragVerfasst: Donnerstag 30. April 2015, 13:47 
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Seit mehr als 40 Jahren haben Studien gezeigt, dass es ernst zu nehmende Hinweise auf
die Wirkung von Baclofen in der Behandlung von Alkoholstörungen gab. Leider zeigt das
Beispiel auch, wie eine für Millionen Menschen segensreiche Anwendung, den langen Marsch
durch die wissenschaftlichen Mühlen und gegen die üblichen Vorurteile antreten muss.

„Eine neue wissenschaftliche Wahrheit pflegt sich nicht in der Weise durchzusetzen,
dass ihre Gegner überzeugt werden und sich als belehrt erklären, sondern vielmehr dadurch,
dass ihre Gegner allmählich aussterben und dass die heranwachsende Generation von
vornherein mit der Wahrheit vertraut geworden ist.“

Max Planck, Leipzig 1948

Baclofen wurde ursprünglich als Medikament zur Behandlung der Epilepsie entwickelt.
Das erste Mal wurde es vom Chemiker Heinrich Keberle 1962 in der damaligen Ciba
synthetisiert, die den Wirkstoff 1968 patentierte und auf den Markt brachte.
Die ursprüngliche Indikation als Medikament gegen Epilepsie erfüllte nicht die Hoffnung,
allerdings wirkte es gegen muskuläre Verkrampfung bei multipler Sklerose und anderen
neurologischen Erkrankungen. Interessant ist eine klinische Studie aus dieser Zeit mit Kindern,
die damals ethisch begründbar schien. Das Resultat, es wirkte gut und verursachte keine
irreversiblen Schäden. Heute wären kontrollierte Studien gegen Placebo mit Kindern nicht
mehr erlaubt.

Relativ früh gab es Hinweise auf Wirksamkeit in einer anderen Indikation, die ich hier in
Form einer Zeitreise darstellen will. Zuerst geht es nach Schweden, dort wo alles begann.
Man schrieb anno 1973 Baclofen noch „Baclophen“. @Moonriver unser Schweizer im Forum
hat es gefunden, wofür ich ihm noch heute dankbar bin.

Hallo ihr alten Schweden, das habt ihr gut gemacht. Leider wurde es trotz des eindeutigen
Hinweises von Carlsson J. 1976 „These findings also indicate a potential interaction between
GABA- like drugs and alcohol in man, and may be of heuristic value in the treatment of
chronic alcoholism.“ von der Fachwelt nicht zur Kenntnis genommen.

1976 war also bereits bekannt, dass Baclofen einen heuristischen Wert in der Behandlung
von chronischem Alkoholismus besitzen könnte. In der Arbeit wird zudem auf die
Konsistenz zu früheren Ergebnissen (1973) hingewiesen.

Bis zum Jahr 1993 hat niemand außer Krupitsky EM. und Kollegen weitere Studien
erstellt. Aufgrund der Ergebnisse der Studie hätte man annehmen können, dass andere
Suchtforscher auf das Potenzial von Baclofen aufmerksam geworden sind. Das sollte noch
etwas dauern, bis im Jahr 2000, als Anna Rose Childress die Wirkung von Baclofen mit
bildgebenden Verfahren (fMRT) entdeckt und veröffentlicht hat. Childress hat allerdings
die cravingmindernde Wirkung von Baclofen am Beispiel von Kokain dargestellt. Zuvor gab
es 1998 eine wenig bekannte klinische Studie von Walter Ling et al.

Diese Studie wurde erstmals einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, sie wurde in einem
Artikel in der New York Times vorgestellt. Zu dieser Zeit wussten weder Olivier Ameisen,
noch Giovanni Addolorato von der Sekundärwirkung des schon damals aus dem Patentschutz
gelaufenen Medikaments. Dies ist möglicherweise bis heute der Grund für das Desinteresse
an weiterer Forschung. Gibt es andere Möglichkeiten?

2001 haben zwei italienische Ärzte, Giovanni Addolorato und Giancarlo Colombo ein
Patent auf die Behandlung von Alkohoholabhängigkeit mit Baclofen angemeldet.
2002 veröffentlichen Addolorato und Colombo eine aussagekräftige Studie mit Ratten.

Währenddessen kämpft ein französischer Arzt und Kardiologe einen schier aussichtslosen
Kampf mit seiner Abhängigkeit von Alkohol. Über eine Freundin erhielt er Kenntnis von
Baclofen und der erstaunlichen Wirkung bei Craving. Es war der erwähnte Artikel in der
New York Times über die Arbeit von Anna Rose Childress. Olivier Ameisen beschloss,
nachdem er erfolglos alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft hatte, Baclofen zu nehmen.

2005 veröffentlichte Alcohol & Alcoholism seinen self case report in mit dem Titel:
„Complete and prolonged Supression of Symptoms and Consequences of Alcohol-
Dependenced using high-dose Baclofen.“ Die erhoffte Resonanz blieb aus, niemand in der
Fachwelt schien sich für Baclofen zu interessieren – „Ohrenbetäubendes Schweigen“ nannte
er dieses vergebliche Warten. Er fing an ein autobiografisches Buch über sein Leben und
seine Erfahrungen mit Baclofen zu schreiben.

Giovanni Addolorato arbeitete in Rom inzwischen weiter mit Baclofen. 2007 erschien die bis
dato aussagekräftigste Studie mit Patienten die an Leberzirrhose litten. „Effectiveness and
safety of baclofen for maintenance of alcohol abstinence in alcohol-dependent patients with
liver cirrhosis: randomised, double-blind controlled study.

Am 9. Oktober 2008 erschien Olivier Ameisen's „Le Dernier Verre“ (Das letzte Glas),
am 23. Dezember 2008 folgte die englische Übersetzung „The End Of My Addiction“ in USA.
Das Ende meiner Sucht lautete der Titel der deutschen Übersetzung die am 1. September
2009 in den Handel kam. Bis zu diesem Zeitpunkt haben Ärzte in Frankreich, den USA und
Großbritannien bereits deutlich mehr als 300 Alkoholiker mit großem Erfolg behandelt.

Einer davon, Renaud de Beaurepaire vom Paul Guiraud Hospital im französischen Villejuif,
war von Baclofen schnell überzeugt, bis Ende 2009 hatte er es bereits 135 seiner Patienten
verschrieben, die bis dato als unheilbar galten. Ihm ist es zu verdanken, dass sich Baclofen
in Frankreich in der Behandlung der Alkoholabhängigkeit schnell etablieren konnte.

Dank Olivier Ameisen, ungewöhnlich interessierten Medien, einem schnell wachsenden
Forum und einem Verein nahm jetzt die Entdeckung „Baclofen“ rasant Fahrt auf. Als Gegner
von placebokontrollierten Studien, Ameisen hielt sie ethisch für nicht vertretbar, wurde
„Bacloville“ Anfang 2011 angemeldet. 320 Patienten wurden unter der Leitung von Philippe Jaury
(Université Descartes, Paris) randomisiert. Fast gleichzeitig wurden eine zweite Studie
mit ebenfalls 320 Teilnehmern, genannt „Alpadir“ unter der Leitung von Michel Renaud und
Ethypharm als Geldgeber, sowie eine kleinere, dritte Studie „Baclad“ genannt, mit 56 Teilnehmern
und unter der Leitung von Andreas Heinz, an der Charité Berlin angemeldet. Alle drei
Studien operierten mit hohen Dosierungen von 180mg/Alpadir, 300mg/Bacloville und
270mg/Baclad. Während in Frankreich und etwas später in Deutschland, die Uhren mit
High Dosed Baclofen (HDB) neu gestellt werden sollten, wurde eine Studie von James Garbutt,
USA mit lediglich 30mg veröffentlicht, die keine Überlegenheit von Baclofen gegenüber
Placebo zeigen konnte.

Am 3. Juni 2013 verkündete Professor Maraninchi, Generaldirektor der Nationalen Behörde
für Arzneimittelsicherheit (ANSM), in Gegenwart von Prof. Olivier Ameisen die bevorstehende
temporäre Empfehlung (RTU) für die High Dose Behandlung der Alkoholkrankheit mit
Baclofen. Nach einer quälend langen Wartezeit wurde die RTU am 14. März 2014 offiziell
verkündet. Ab diesem Datum konnte jeder Arzt in Frankreich, seinen Patienten Baclofen in
hohen Dosen und auf Kosten der Kassen verordnen.

Am 18. Juli 2013 ist Olivier Ameisen in Paris an einem Herzinfarkt im Schlaf verstorben.

Im April 2015 wurden die Ergebnisse der Studie „High-Dose Baclofen for the Treatment
of Alcohol Dependence (BACLAD study): A Randomized, Placebo-Controlled Trial“ in
Deutschland der Öffentlichkeit vorgestellt. Aus dem Abstract: Individuell verabreichte, hohe
Dosen von Baclofen unterstützten alkoholabhängige Patienten in der Aufrechterhaltung der
Alkoholabstinenz und zeigten sogar im Fall des Rückfalls hohe Wirksamkeit und
Verträglichkeit. Diese Ergebnisse liefern weitere Beweise für das Potential von Baclofen.

Die gegenwärtigen pharmakologischen Behandlungsoptionen in der Alkoholabhängigkeit
werden sich dadurch möglicherweise erweitern.

Die beiden großen Studien aus Frankreich sind zwar bereits abgeschlossen, befinden sich
aber noch in der Auswertung. Für Bacloville werden die Ergebnisse in der zweiten Jahreshälfte
2015 erwartet. Die Zulassungsstudie der zweiten Studie, die unter dem Namen Alpadir und
dem neuen Markennamen „Xylka“, von der Pharmafirma „Ethypharm“ betrieben wird, steht
ebenfalls für 2015 auf der Agenda.

Aus dieser bei weitem nicht vollständigen Chronologie ist unschwer zu entnehmen,
welchen Anteil der Arzt und Kardiologe Prof. Olivier Ameisen an der beschleunigten
Weiterentwicklung des Medikaments in der Indikation bei Alkoholstörungen hatte.

Warum ich diesen Beitrag unter der Rubrik „Breaking News“ einsortiere, ist ausschließlich
meinem gelegentlich ironisch geprägtem Humor zu verdanken, den ich mir auf wunderbare
Weise bis heute bewahren konnte. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass die „ganze Geschichte“
nicht allen Mitgliedern und Besuchern des Forums, in dieser Abfolge bekannt war.
Sollte jemand trotz aller Bemühungen einen Fehler finden, darf er ihn gerne behalten.

Federico

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„Es gibt keine Alternative zum Optimismus,
Pessimismus ist Lebensfeigheit.“
Richard David Precht


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