Freitag 4. Juni 2010, 10:58
Gestern war mein erster Tag. Bin um 5:45 aufgewacht und habe 6,25 mg Bac genommen, also ein Viertel einer 25mg-Tablette und bin noch mal eingeschlafen, um 8 h dann aufgestanden und mit dem Hund rausgegangen. Leichter Schwindel, der sich im Laufe des Tages noch verstärkt. Allerdings kann ich nicht sagen, ob der Schwindel von Bac kommt oder von den Entzugserscheinungen, entziehe „kalt“.
Mittagsspaziergang mit dem Hund, nachdem ich um 10:00 wieder 6,25 mg Bac genommen habe. Weiterhin Schwindel, trockener Mund. Von Schläfrigkeit keine Spur, eher leicht aufgedreht. Auf dem Rückweg trinke ich ein alkoholfreies Bier in einer meiner Stammkneipen. Eine Frau mir gegenüber trinkt den Weißwein, den ich sonst getrunken hätte. Erstaunlich: schon jetzt kein Verlangen, ihr Nachzutun.
Nachmittags dann starker Suchtdruck, der durchaus vom Entzug kommen kann. Fühle mich zittrig, aber nur innerlich. 15:00 weitere 6,25 mg. Leichte Kopfschmerzen. Aber wohltuend: ich habe Antrieb. Ich kenne aufgrund von Depressionen und Angst eigentlich nur noch die totale Lähmung und bin verblüfft, wie „lebendig“ ich mich fühle.
Sich verstärkender Suchtdruck. Um 18:00 gehe ich und hole mir eine Flasche Bier. Habe früher nach dem 3-2-1-Prinzip aufgehört, also am 1. Tag Entzug 3 Flaschen Bier, am zweiten 2 und am dritten noch eine. Heute langt eine. Sie nimmt mir etwas die Nervosität. Trinke bewusst keinen Wein, den ich sonst immer trinke, sondern ein Bier, was ich eigentlich nicht besonders mag.
Um 20:20 nehme ich das letzte Viertel der Tablette. Bin so aufgekratzt, dass ich mir nach langem Überlegen noch eine Doxepin 25 mg „genehmige“. Im Nachhinein eine gute Idee: bin relativ bald eingeschlafen und habe ohne Unterbrechung bis heute morgen um 6:00 Uhr.
Ich bin durchaus skeptisch – nach meiner langen Suchtkarriere. Aber der gestrige Tag hat mir richtig Hoffnung gemacht.
Gruß an alle
Montag 7. Juni 2010, 09:21
Guten Morgen.
Heute beginnt für mich Tag 5 mit Bac.
Ich kann kaum beschreiben, wie glücklich ich bin, auch für mich dieses Medikament "entdeckt" zu haben. Nachdem ich ja mit Bac auch entzogen habe (habe die Empfehlung, erst ohne Bac zu entziehen, nicht gelesen), habe ich mir die ersten 4 Tage jeden Abend noch eine Flasche Bier gegönnt. Nur am ersten Abend war es wirklich "not"wendig, die anderen Abende war es halt der Hirnfick eines Alkis, der meinte, sich dieser geplanten "Erlaubnis" noch bedienen zu können.
Ich kann nicht sagen, dass ich frei von Craving bin (kann aber auch, wie ich schon schrieb, auch vom Entzug gekommen sein), aber der absolute Hammer ist, dass ich völlig angst- und depressionsfrei bin. Ich habe angefangen, meine total versiffte Wohnung mit Elan zu reinigen, wasche Berge von Wäsche und habe meinen ganzen Papierkram, der sich seit einem 3/4 Jahr angehäuft hat, zumindest schon mal sortiert.
Nebenwirkungen: so gut wie keine. Auch stellt sich bei mir die von vielen beschriebene Schläfrigkeit nicht ein - eher das Gegenteil ist der Fall (leichte Aufgedrehtheit), was ich aber durchaus positiv sehe. Dafür schlafe ich sehr schlecht ein. Ich habe dann die ersten Tage abends 25 mg Doxepin genommen, bin gestern Abend auf 25 mg Trazodon umgestiegen (weil Doxepin bei mir Gewichtszunahme nach sich zieht). Außerdem wirkt Bac bei mir appetithemmend, was ich einerseits positiv sehe (habe letztes Jahr durch eine Krebserkrankung mit Cortisonbehandlung extrem zugenommen), andererseits muss ich aufpassen, dass ich genug esse, da Hunger erfahrungsgemäß Craving auslösen kann.
Bisher habe ich täglich 4 x 6,25 mg Bac genommen, werde heute auf 2 x 12,5 mg und 1 x 6,26 mg erhöhen, das "Lügenbier" fällt weg.
Ich strebe die totale Abstinenz an. Dem MT traue ich nicht (für mich!) und was die sog. "Überschreibung" des Suchtgedächtnisses betrifft, dazu werde ich meine Gedanken an anderer Stelle noch erläutern.
Euch allen einen guten Tag
wünscht
die Herbstzeitlose
Montag 7. Juni 2010, 13:59
Hallo Herbstzeitlose,
dass Du noch nicht frei vom Craving bist, würde ich als normal bezeichnen. Baclofen wirkt in der Tat auch viel langsamer als z. B. Diazepam , was häufig in der Entgiftung benutzt wird.
Beim Hochdosieren solltest Du Dir Zeit lassen. Es gibt eine ganze Reihe von Erfahrungsberichten, wo 30- 40 mg pro Tag ausreichend sind.
LG invorio
Donnerstag 10. Juni 2010, 17:30
10. Juni 2010
Heute ist der 8. Tag mit Baclofen, eine erste Woche liegt also schon hinter mir.
Die erste Euphorie ist verflogen, ist gewichen einem ruhigen, zu-versichtlichen Gefühl. Noch trinke ich jeden Abend „eine Kleinigkeit“ – d.h. ein Bier oder ein Glas Rotwein. Während ich das trinke denke ich immer: eigentlich brauche ich das jetzt nicht. Aber mein kleiner Trotzkopf setzt sich immer wieder durch. Ich nehme mir das nicht übel, denn Schuldgefühle waren für mich bisher immer eines der wirksamsten Grundlagen, sie wegzutrinken. Gleichzeitig denke ich: vielleicht ist dieses täglich „ertrotzte“ Glas der staunende Versuch zu überprüfen, ob nicht doch der Kontrollverlust eintritt: er tut es nicht – und das müsste ich jetzt wissen.
Ich fahre meine Erwartungen (die eigentlich über alle Maße erfüllt wurden in diesen wenigen Tagen) herunter, um nicht wieder dem „bewährten Prinzip“ Selbstaufgabe zu verfallen.
Nach wie vor stellt sich die von vielen beschriebene Schläfrigkeit nicht ein. Tagsüber ist das sehr positiv, denn ich wühle mich weiterhin durch meine über Monate verdreckte Wohnung (nicht nur wegen Alk, sondern auch während meiner Krebstherapie, wo mir alles zu viel war). Negativ ist es, weil ich nicht einschlafen kann und ich ohne ein weiteres medikamentöses Hilfsmittel Stunden wach liege.
Noch eine „Nebenwirkung“: Ich habe so gut wie keinen Appetit. So wenig, dass ich zu wenig esse, was dem möglichen positiven Aspekt der Gewichtsabnahme (die ich dringend nötig habe) nicht zuträglich ist, denn zu wenig essen bringt keinen Gewichtsverlust.
Aber das habe ich ja schon letztes Mal geschrieben, da hat sich also nichts verändert.
Meine ständigen Begleiter Angst und Depressionen haben sich verabschiedet. Das ist neben dem Fast-Null-Level, was Alk betrifft, das Größte – und gleichzeitig die Voraussetzung für das Prinzip Hoffnung darauf, dass mir vielleicht jetzt mit Hilfe von Bac wieder ein Leben möglich sein wird, das ich so lange vermisst habe.
Gruß an alle,
von der Herbstzeitlosen
Donnerstag 10. Juni 2010, 19:58
Hallo Herbstzeitlose - das hört sich alles sehr gut an, und ich fühle mich in meinen Erfahrungen (4. Tag heute) bestätigt. Ich schreibe gleich noch was dazu in "meinem" Thread.
Weiterhin viel Ruhe und Gelassenheit wünsche ich Dir!
LGE
Donnerstag 10. Juni 2010, 20:44
Bin bei 30 mg am Tag - hatte ich vergessen zu schreiben. Habe auch erstmal nicht vor, die dosis zu erhöhen.
Gute Nacht Euch!
Montag 14. Juni 2010, 21:16
Nachdem jetzt beim Schreiben in Word mein PC zweimal zusammengebrochen ist mache ich jetzt den letzten Versuch für heute, über diesen 12. Tag zu schreiben.
Es war mein erster schlechter Tag mit Bac.
Vormittags war es noch richtig schön - mit dem Hund in die Fußgängerzone, dort haben wir uns ein Eis geteilt und Leute geguckt. Zu Hause angekommen überfiel mich eine riesen Leere. Die Wohnung ist nun geputzt und nun tritt das ein, was ich vom früheren Aufhören kenne: die Aufgabe, diese viele Zeit, die mir ohne Alk zur Verfügung steht, zu füllen. Da ich mich fast nur über Leistung definiere, ist das ein riesen Problem, das ich unbedingt in den Griff kriegen muss. Früher hätte ich mich jetzt ins Bett gelegt und hätte Barbara Salesch und ähnlichen Scheiß geguckt - mich einfach berieseln lassen, Wein getrunken, mich ausgeschaltet.
Was mir fehlt ist Austausch. In meinem Alk-Chat halte ich die Klappe. Die würden über mich herfallen wie die Hyänen, wenn ich erzähle, dass ich Bac nehme und mir auch noch jeden Abend ein Glas Wein oder Bier gönne, ohne danach das geringste Bedürfnis zu haben, weiter zu trinken. Das gleiche gilt für mein AA-Meeting, in das ich früher regelmäßig ging. Da sitzen Menschen versammelt, wo keiner unter 15 und ein Großteil über 20 Jahre trocken ist. Die schwören nach wie vor auf den "Willen" und missachten die Tatsache, dass Ängste und Depressionen es oft unmöglich machen, über den reinen Willen hinaus zu handeln. Dass es nur ca. 5% mit den bisherigen Methoden schaffen, langfristig trocken zu bleiben, ist in ihren Augen eben nur das Nichtvorhandensein des von ihnen apostrophierten Willens.
Ich würde mir ein Bac-Meeting wünschen, wo man sich ohne zu urteilen geschweige denn zu verurteilen über die Erfahrungen austauschen könnte.
Also weiter zum Tag. Bin dann gleich aus dem Haus und mit dem Hund an den Fluss. Dort gesessen, gelesen, Apfelschorle getrunken, nachdem ich kurz versucht war, mir einen gespritzten Apfelwein zu bestellen. Unruhig war ich. Leichte Übelkeit, leichter Schwindel, Spannungsgefühl im Kopf, Nebenwirkungen der letzten Zeit (seit der Dosiserhöhung - bei 3 x 12,5 mg bleibe ich jetzt, das ist für mich momentan ausreichend).
Nachmittags kommt eine Bekannte, die sich bei mir ausheult. Sie hat einen prügelnden Freund, von dem sie sich nicht lösen kann. Ich hole eine Flasche Wein und genehmige mir "mein" tägliches Glas - sie trinkt den Rest der Flasche. Was sie erzählt, ist ein Stück meiner Geschichte. Ich kanns kaum ertragen, bin aber geduldig und sage ihr, wie ich mich damals gelöst habe und dass das evtl. auch ein Weg für sie sein könnte.
Als sie weg ist, bin ich völlig am Boden. Ich bin "austherapiert" - bei mir geht nichts mehr, bzw. das, was gehen könnte, da trauen sich die Psychodoktoren nicht dran. Also muss ich da selbst durch.
Wie Isbeau so schön schreibt: Ja, auch mit Bac ist Nichttrinken Arbeit. Es erfordert Aufmerksamkeit und es ist eben nicht nur ein "Wundermittel", das den Alkoholismus mit Beginn der Einnahme wegzaubert. Aber es ist ein riesen Hilfsmittel, das es mir ermöglicht, meine Dinge, mein Leben wieder in die Hand zu nehmen.
Ich freue mich, dass es Bac gibt, dass es das Forum und Euch gibt. Manchmal wünsche ich mir, hier mehr lesen zu können. Wo sind die alle, die sich hier früher schon zu Wort gemeldet haben?
Euch einen schönen Abend
wünscht
die Herbstzeitlose
Montag 14. Juni 2010, 21:34
@Herbstzeitlose
Als sie weg ist, bin ich völlig am Boden. Ich bin "austherapiert" - bei mir geht nichts mehr, bzw. das, was gehen könnte, da trauen sich die Psychodoktoren nicht dran. Also muss ich da selbst durch.
Mit der Einschätzung liegst Du voll daneben. Sobald Du mit Baclofen angefangen hast, beginnt auch die Psychotherapie völlig neu, weil Dein Zugang und der Zugang Deines Therapeuten (m/w) zu den dahinter liegenden Problemen ein anderer ist bzw. sein könnte. Das selber durch-Konzept mag auch funktionieren, ist aber sicher die zweitbeste Lösung.
Lg invorio
Montag 14. Juni 2010, 22:07
Ich habe meine Therapien immer nur nüchtern durchgezogen - dieses Argument trifft es also leider nicht.
Dir noch einen guten Abend!
Dienstag 15. Juni 2010, 15:35
Liebe Herbstzeitlose
ich hab auch so meine Erfahrung mit AA Gruppen und dem Thema Medis... und über Bac ist gar nicht zu reden... eigentlich schade
.
Vielleicht gibt es irgendwann einmal Bac-Treffen, das wäre toll, da wäre ich auch sofort dabei!
Ja, Bac schläft einem das erste Glas nicht aus der Hand... es nimmt das direkte Craving, aber die Lust, sich mal so eben ein Glas Wein zu gönnen, nimmt es uns nicht...
Ich gehe auch gerne mit meinem Hund am Fluss oder See nach. Die Natur tut sooo gut.
GlG
Emelie
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