Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Heinz (Charitè Berlin)
am 15.12 2009 habe ich Ihnen das erste eine Mail geschrieben, in dem ich die ersten Erfahrungen mit Baclofen AWD 25 mg im Zusammenhang mit meiner Kokain-Sucht beschriebt.
Das waren meine Ausführungen:
ich habe den Bericht über Ihr Projekt im Internet gelesen, bei dem Sie über „Baclofen“ als Medikament gegen Alkoholsucht berichtet haben. Motiviert durch den Selbstversuch des Herrn Dr. O. Ameisen habe ich mir das Medikament über meinen Hausarzt verschreiben lassen und nehme es nun seit drei Wochen. Meine Dosis beträgt täglich 250 mg und die Suchtsymptome sind völlig verschwunden. Ich habe am Tag 3 Flaschen Rotwein getrunken bzw. eine Flasche Ouzo (40 % Vol.).
Des Weiteren habe ich ca. 8g Kokain pro Woche konsumiert, und das seit 20 Jahren. Auch diese Suchtsymptome sind verschwunden. Ich weiß nicht, woran es liegt, aber es scheint zu funktionieren. Mein Körper stellt sich langsam auf die hohe Dosis ein. Manchmal jedoch verspüre ich Übelkeit, was sicher auf eine Überdosierung zurückzuführen ist. Sobald ich jedoch Drang verspüre, nehme ich eine Pille und 15 min. später bin ich wieder entspannt. Ich bin so glücklich…
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Mail vom 27.März 2010
Nachdem nun einige Zeit vergangen ist, möchte ich Ihnen meine Vorschritte zur Kenntnis geben. (Mein Gewicht beträgt 110 kg bei 189 cm Körpergröße)
Sicherlich war es die Zeit nicht einfach, dem Kokain abzusagen und ich gestehe, dass ich es auch einmal zwischendurch wieder genommen habe. Das lag jedoch daran, dass ich morgens das Baclofen zu Hause habe liegen lassen. Ich dachte mir nichts dabei und fuhr zur Arbeit. Am späten Nachmittag bemerkte ich diesen starken Drang, meinen „Freund“ anzurufen, der auch sofort vorbei kam. War nicht die Beste Idee, hat mich aber gelehrt, Baclofen besser immer dabei zu haben. Auch an einem zweiten Tag habe ich das Baclofen zu Hause liegen lassen, am Nachmittag dasselbe Spiel… bin dann aber nach Hause gefahren, habe mir 100 mg verabreicht und 45 min. später war ich von dem Gedanken abgekommen… noch mal Glück gehabt. Und an dem Tag als ich ihn anrief, habe ich 70.- € ausgegeben und meine Erfahrungen waren niederschmetternd. Ich konnte wieder mal nicht schlafen, war am nächsten Tag down und das Geld hätte ich gebraucht, sogar dringend. Das war mir eine Lehre… mal wieder. Komisch war jedoch, das ich am nächsten Tag keinerlei Druck hatte, wieder etwas kaufen zu müssen. Das „Craving“ bleibt völlig aus, es ist unglaublich!! Und das seit einem halben Jahr bereits... keinen Drang!! Unglaublich
Bleibt noch die Alkoholsucht… auch diese hat sich merklich verbessert. Vorher habe ich eine Flasche Schnaps trinken können, jetzt ist das trinken langweilig, es gibt mir einfach nichts mehr. Macht mit Baclofen auch keinen Spaß mehr, also trinke ich abends meinen Wein, und gut ist. Für meine Verhältnisse ist eine Flasche Rotwein über einen Zeitraum von 6-8 Stunden am Abend nicht viel und die Wirkung ist nicht mal nennenswert.
Das Suchtverhalten ist nicht mehr da, auch kein Zittern mehr...
Gegen die Nikotinsucht scheint es aber nicht einsetzbar zu sein. Wenn ich Baclofen nehme, ist der Drang sogar etwas stärker. zurzeit rauche ich 20 Zigaretten am Tag (ca. 16-20 mg Nicotin/Tag)
Was ich damit zu Ausdruck bringen möchte ist, dass es wohl sehr lange dauert, bis der Suchtdruck auch ohne Medikamente völlig verschwunden ist. Dr. Ameisen schrieb, das er Baclofen wohl ein Leben lang nehmen müsste. Ich denke, das es nach einem Jahr wohl möglich sein müsste, das Medikament abzusetzen. Wir werden sehen.
Im Übrigen muss ich das Baclofen aus der eigenen Tasche bezahlen, weil nicht als Medikament gegen Suchterkrankungen zugelassen ist. Es wird den Ärzten auch empfohlen, das Medikament nicht zu verschreiben, das es keine anerkannten Studien gibt. Ich bezahle für das Baclofen 25.- € pro Woche (100 Tablette à 25 mg = 2500 mg/ 300 mg/Tag = 7 Tage). Allemal günstiger als Kokain... Hätte ich mit einer Klage Erfolg? Immerhin beziehe ich momentan Harz IV und kann es mir eigentlich gar nicht leisten. Mein Körper hat sich mit der Zeit auf das Medikament eingestellt, und die beschriebenen Symptome sind weitestgehend verschwunden.
Ich bin nicht mehr so sehr anlehnungsbedürftig, nur wenn ich sehr viel nehme (150 mg auf einmal), bin auch nicht mehr benebelt.
Meine Beine sind immer noch stark in Bewegung, aber die Augenlieder flattern nicht mehr. Das krampfartige zusammenziehen des Innenohres ist auch noch da (nur bei hoher Dosis).
Bei einer Dosis um 250-300 mg am Tag geht es mir sehr gut und ich fühle mich normal. Leider kaue ich wieder (oder immer noch) an den Nägeln… ist wohl die innere Unruhe, die das Baclofen mit sich bringt).
Die Libido ist wieder in einem normalen Rahmen und ich sehe auch keine Insekten mehr. Vielmehr sind es auch Lichtblitze, die man im Augenwinkel wahrnimmt.
Die Träume sind äußert realistisch und oft kann ich einen Traum bewusst weiterträumen, wenn ich zwischendurch aufwache. Leider muss ich mich jeden morgen fragen, ob es ein Traum war, oder Realität. Anhand von verschiedenen Situationen im Traum lässt sich das meist schnell aufklären.
Weiterhin benötige ich sehr wenig schlaf. Wenn ich vorher so um die 12 Stunden schlaf benötigte, brauch ich nun um die 4-5 Stunden schlaf und halte dann wieder locker 20 Stunden durch. Ich kann also bis vier oder fünf Uhr morgens Wachbleiben und bin früh um neun ausgeschlafen. Sehr zum Leidwesen meiner FrauJ Wenn ich früh schlafen gehe, stehe ich schon um fünf Uhr früh im Bett und will ins Geschäft fahren… Auch nicht schlecht, so komme ich wenigstens zu etwasJ
bisher kann ich nur gutes Berichten und ich hoffe, das ein Ansatz für viele ist, die ebenfalls dem Kokain verfallen sind. Ich würde mich jederzeit einer Studie zur Verfügung stellen. Ebenfalls würde es mich interessieren, wie das Baclofen meinem Gehirn zusetzt und was genau in meinem Kopf passiert. Wie sehr schade ich mit Baclofen meinem Körper?
Ich habe einmal die Woche den Blutdruck messen lassen… alles in Ordnung – leicht erhöht, wie immer.
Ich habe drei mal ein großes Blutbild machen lassen… alles in Ordnung – auch die Leberwerte sind in Ordnung.
Urin und Sperma habe ich auch untersuchen lassen... alles in Ordnung.
Der Alkoholkonsum halt sich weiterhin in Maßen, mir reicht locker eine Flasche Wein am Tag und nicht mal die trinke ich aus. Meist teile ich sie mir mit meiner Frau.
Wenn ich nicht schlafen kann, kommt bei Baclofen leider häufiger vor, nehme ich 50 mg „Doxipin Dura 50 mg“. Das hilft in der Regel. Doxipin habe ich gegen die Kokainsucht als erstes verschrieben bekommen….. gegen die Depression. Hilft nur leider nicht gegen die Suchtsymptome. Es macht mich Müde und bei 100 mg schlafe ich auch sofort ein. Dann rufe ich auch niemanden mehr an, auch nicht meinen „Freund“.
Lieben Gruß
aus Berlin