Frodo01 hat geschrieben:
Hier also mein angekündigter Erfahrungsbericht…
Zu meiner Person:
Ich heiße Volker, bin 48 Jahre, verheiratet, 2 Kinder (22 und 23) und komme aus Moers. habe noch meinen Führerschein aber z.Z. keinen Job. Bin seit über 30 Jahren Spiegeltrinker. Psychisch würde ich mich als BI-Polaren-Typen einordnen (siehe Wikipedia). Habe Alk immer als medizinischen Ersatz für Psychopharmaka angesehen.
Meine Odyssee begann vor 5 Jahren. Mein Chef, (selber 15 jahre trockener Alki) stellt mir ein Ultimatum: Therapie oder Job weg. Habe es dann erstmal mit einer ambulanten Therapie (01.2006) versucht und mit meinem ersten Gang zu einer Selbsthilfegruppe (AA). Nach 3 Monaten fing ich erstmals wieder an zu trinken (unbemerkt von allen). Während der Fussball-WM 2006 dann heftig. Auf massiven Druck (Arbeitgeber, Familie) dann die erste stationäre Therapie in Daun (11.2006 – 03.2007).
2 Monate später, wieder die Flasche… Vertuschen, verheimlichen und Durchhalten bis August 2008. Meine erste Entgiftung. Wieder 3 Monate trocken, dann die 2. Entgiftung im November 2008. Es folgten viele Besuche in Selbsthilfegruppen (manchmal 4-mal die Woche) um mein Seelenheil zu retten. Mir ging es psychisch richtig Scheiße und habe es dann mal mit Psychopharmaka probiert. Doxepin hieß das Wundemittel und für eine gewisse Zeit war es o.k, obwohl ich merkte, dass ich so ein Wenig neben mir lief.
Im März 2009 dann eine Stelle als Lehrer angenommen (bin eigentlich Dipl. Ing. Maschinenbau) und nach kurzer Zeit bin ich völlig zusammengebrochen. Dann, wie so oft, selber trocken gelegt und weiter.
Im Sommer dann eine Eigentumswohnung gekauft – renoviert – alles Wichtige abgewickelt und wieder abgestürzt.. Im November dann die 2. Langzeit in Dormagen (bis 11.01.2010). Diese REHA habe ich dann für mich gemacht, um einfach abzuschalten.
Wie es der Zufall will, habe ich in dieser Zeit das Buch von Dr. Ameisen in die Hände bekommen und was soll ich Euch sagen: Neben dem Titel stand für mich: DIES IST DEINE LETZTE CHANCE!!!. Sofort nach der Therapie zu meinem Hausarzt, der sofort in der Charitee in Berlin anrief… (Aber der Prof. in Berlin war sehr reserviert…?!)
Trotzdem.. ich bekam Baclofen!!! (Mein Hausarzt hatte bereits das Buch gelesen). Soweit bis hierhin….
Meine Therapie mit Baclofen:
Als Einstieg: Meine Überzeugung für das Medikament Baclofen beruht auf drei Säulen.
1. Meine Vermutung, dass Sucht in einer gewissen Gehirnregion verankert ist, wurde durch A. bestätigt. Die Sache mit den GABA-Rezeptoren ist schlüssig und leuchtet mir ein. Mein Grundproblem war immer verstärktes Craving.
2. Der verzweifelte Weg von Ameisen ist mir absolut bekannt.
3. Den Mut aufbringen, einen neuen Weg zu gehen, ohne sich was vor zu machen.
Ich sollte noch erwähnen, dass ich seit 1 ½ Jahren abends 25-50 mg Seroquel nehme (davon schlafe ich wie ein junger Gott)
Da ich Naturwissenschaftler bin, habe ich mich natürlich streng an die Anweisungen von Ameisen gehalten.
Begonnen am 19.01.2010: mit 30 mg
morgens: 5mg, mittags 15 mg, abends 10 mg.
Steigerung bis auf 225 mg bis zum 31. Tag…
morgens: 75, mittags 100 mg, abends 50 mg.
Zwischenfazit: Habe Baclofen hervorragend vertragen… Bis auf eine äußerst hohe Sensibilität meiner Haut (fühlte sich an, als wenn ich immer einen leichte Windstoß auf der haut spüren würde) hatte ich kaum Nebenwirkungen. (naja sehen wir mal von 3kg Gewichtszunahme ab und morgens einen extrem trockenen Mund))
Danach.. alles wieder Retour… bis auf 100 mg. (56. Tag – 15.03.2010)
morgens: 25, mittags 50 mg, abends 25 mg.
Bevor ich weiter erzähle, hier meine Erfahrungen:
Physische Reaktion: Alles im grünen Bereich. Kein Craving!! Habe wieder mit Sport angefangen und war im März mit Lust und guter Kondition Ski-laufen
Psychische Reaktion: Obwohl Baclofen kein Antidepressiva ist ( oder vielleicht deshalb!!) ernorme Steigerung des Selbstwertgefühls!!! Keine Panikattacken, kein Einbruch in der Psyche.. solange hatte ich den Zustand nie!!!
Nächster Schritt: Baclofen und Alkohol.
Hier solltet ihr aufmerksam lesen, weil ich denke, dass einige von Euch gerne das Mittel zum weitersaufen einnehmen wollen…
Am 26.04.2010 kam für mich der nächst Schritt: ALKOHOL. Ich wollte Testen, wie weit Baclofen vor craving schützt. (meine Frau ist eine Woche weg)
2 Dosen Bier… keine Reaktion – Kein weiterer Craving
28.04.2010: 4 Dosen Bier, verteilt auf 12 Stunden… keine Reaktion.
01.05.2010: 0,3l Wodka, eine Dose Bier… bekomme Craving (und Angst) und nehme 20mg Bac extra… Mir gehr es nicht gut!!!
Unterbreche mein Experiment…( bin immer noch auf 100mg BAC)
01.06.2010: 4 Dosen Bier (verteilt auf 12 Stunden) keine nennenswerte Reaktion
05.06.2010: Gleiche Dosis + 0,2 Wodka.. leichtes craving… Nehme 20 mg Bac zusätzlich
06.06.2010: Morgens schon leichter Craving… Trinke 2 Dosen Bier und mir geht es besser bis Nachmittags – dann wieder 2 Dosen… Abends noch mal 2 Dosen…
Fahre mit meiner Frau für 2 Wochen in Urlaub… Jeden Tag, alle 4 Stunden Gedanken an Alk… besorge mir jeden Tag (heimlich) 2-3 Dosen Bier..
20.06.- 10.07.2010: Trinke regelmäßig 2-4 Dosen Bier, an manchen Tagen kommt noch 0,2 – 0,4l Wodka hinzu…
Einzige bemerkenswerte Erkenntnis: Keine Verzweifelung, kein Selbstmitleid, keine Depressionen!!!
12.07.2010: Merke, dass mein Gleichgewicht kippt… kann den Cravingzustand mit Bac nicht mehr stabilisieren… fange an, jeden Tag weniger zu trinken ( und dazu 20 mg Bac mehr)
20.07.2010: Kein Alk mehr und die Welt ist wieder in Ordnung. Hatte kaum Entzug und mir geht es gut. ABER 3 Erkenntnisse!!!
Baclofen schützt vor starkem craving!!! (ohne Alk)
Baclofen stärkt das Selbstbewusstsein und mildert psychische Auswirkungen!!!
Baclofen ist kein Ersatz zum Weitersaufen!!!
Die Wechselwirkung mit anderen Präparaten kenne ich nicht (wie gesagt, nehme zum Schlafen 25-50mg Seroquel)
In diesem Forum gibt es einen Beitrag, den ich unterstreichen möchte:
„.. Alkohol oder und Antidepressiva heben den Anti-Craving-Effekt auf…“
Zum Schluss: Habe meine Erkenntnisse nur meinem Doc und meinem Therapeuten anvertraut. In den Selbsthilfegruppen wäre ich zerfleischt worden!!!
Also, liebe Mitstreiter(innen), habe versucht so viel wie Möglich aus meinem Erfahrungsschatz da zu legen… Ich hoffe, Euch damit eine Anregung verschafft zu haben. Hoffe auch auf weitere Anregungen!!!
Für Fragen stehe ich immer bereit!
lg Volker[/u]
Danke, lieber Volker, dass Du uns (mich) so ausführlich an Deiner "Alk-Karriere" teilhaben lässt.
Ich erkenne mich in Deinen Worten oft wieder, war auch Spiegeltrinkerin, habe Alk als Beruhigungsmittel eingesetzt, hatte aber viele Schutzengel, so dass ich ohne grossen Schaden davon gekommen bin.
AA Erfahrung auch hinter mir.. naja, steht ja auch alles in meinem bisher Geschriebenen.
Ich denke, wir sind mit Bac auf gutem Weg, aber es schlägt einem das erste Glas nicht aus der Hand! Ich komme am besten zurecht, wenn ich die Experimente mit dem MT lasse....
Von ganzem Herzen gutes Gelingen auf Deinem weiteren Weg!
Hoffe, Du hältst uns auf dem Laufenden
LG Emelie