Samstag 22. März 2014, 00:28
Das ist der Grund, warum ich mir meine Stimmungen notiere, es hilft mir tatsächlich dabei, mich tagsüber regelmäßig zu fragen, wo ich gerade stehe, schützt mich hoffentlich oder warnt mich zumindest (hoffentlich). Mittlerweile geht das schon automatisch, ich achte immer genauer darauf und frage mich immer wieder: was passiert gerade - jetzt. Das ist das erste mal, das ich es über längere Zeit schaffe mich zu beobachten und dementsprechend gegenzusteuern. Und die Suche nach den richtigen Worten (die teilweise wirklich schwer ist) hilft mir dabei ganz enorm.[...]Eine interessante Anekdote, die diesen Punkt illustriert, wird von Ramacharka in seinem Buch "Raja Yoga" (1966, 125-27) erzählt. Er spricht von dem berühmten Naturforscher Agassiz und seiner Schulungsmethode für seine Schüler:
Seine Schüler wurden wegen ihrer gründlichen Beobachtungs- und Wahrnehmungskraft und der daraus folgenden Fähigkeit gerühmt, über die gesehenen Dinge zu "denken". Viele von ihnen stiegen zu hohen Stellungen auf und behaupteten, dass dies hauptsächlich ihrer sorgfältigen Schulung zuzuschreiben sei.
Es gibt eine Geschichte, dass sich dem Agassiz eines Tages ein neuer Schüler vorstellte und ihn um eine Aufgabe bat. Der Naturforscher nahm einen Fisch aus dem Topf, in dem er aufbewahrt wurde, und legte ihn dem jungen Schüler vor. Er bat ihn, den Fisch sorgfältig zu beobachten und ihm über das, was er an dem Fisch feststellte, zu berichten.
Dann wurde der Schüler mit dem Fisch alleine gelassen. An diesem Fisch war nichts besonders Interessantes - er war wie viele andere Fische, die er früher schon gesehen hatte. Er stellte fest, dass er Flossen und Schuppen, ein Maul und Augen hatte, ja, und einen Schwanz. Nach einer halben Stunde war er sicher, daß er alles, was an dem Fisch wahrzunehmen war beobachtet hatte. Aber der Naturforscher tauchte nicht auf.
Die Zeit verging, und der Junge, der sonst nichts zu tun hatte, wurde unruhig und müde. Er fing an, den Lehrer zu suchen, konnte ihn aber nicht finden und mußte deshalb wieder zurückgehen und den langweiligen Fisch anstarren. Einige Stunden vergingen und er wußte über den Fisch nicht viel mehr als am Anfang.
Er ging zum Mittagessen, und als er zurückkam, lag der Fisch immer noch zur Beobachtung da. Es ekelte ihn, er war mutlos und wünschte, dass er nie zu Agassiz gekommen wäre, der, wie es schien, nur ein dummer alter Mann war - weit hinter der Zeit zurück. Um die Zeit zu vertreiben, fing er an, die Schuppen zu zählen. Als er damit fertig war, zählte er die Stacheln der Flossen. Dann fing er an, vom Fisch eine Zeichnung zu machen. Während er am Bild arbeitete, bemerkte er, daß der Fisch keine Augenlieder hatte. So entdeckte er, was sein Lehrer oft im Unterricht geäußert hatte, nämlich: "Ein Bleistift ist das beste Auge". Kurz danach kam der Lehrer zurück. Nachdem er sich angehört und angesehen hatte, was der Junge beobachtet hatte, ging er ziemlich enttäuscht weg und befahl dem Knaben, weiterhin zu schauen. vielleicht würde er etwas sehen.
Das gab dem Jungen zu denken und er begann, mit seinem Bleistift kleine Einzelheiten zu verzeichnen, die ihm vorher entgangen waren, die ihm aber jetzt sehr deutlich vorkamen. Allmählich begriff er das Geheimnis der Beobachtung. Nach und nach brachte er neue interessante Dinge über den Fisch ans Licht. Aber das genügte seinem Lehrer nicht, der ihn an diesem Fisch drei ganze lange Tage an der Arbeit hielt. Am Ende dieser Zeit wußte der Schüler wirklich etwas über den Fisch und, was das wichtigste war, er hatte den "Kniff" herausbekommen und sich die Gewohnheit sorgfältiger Beobachtung und das Wahrnehmen von Einzelheiten angeeignet.
Viele Jahre später soll dieser Student, der inzwischen eine hohe Stellung erworben hatte, gesagt haben: "Das war die beste Zoologielektion, die ich jemals gehabt hatte - eine Lektion, die alle Einzelheiten jeder folgenden Untersuchung beeinflußte; ein Erbe, das mir der Professor hinterließ, wie er es vielen anderen hinterlassen hat; ein Erbe von unschätzbarem Wert, das wir nicht kaufen konnten, und das wir nicht aufgeben können."
Die Konzentration der Aufmerksamkeit kann in drei Bereichen oder Sphären der Realität geübt werden. Sie kann nach außen gerichtet werden[....]Sie kann nach innen gerichtet werden, wenn sie dazu benützt wird, sich subjektiver, psychischer Zustände bewußt zu werden und sie zu analysieren, z.B. die eigenen Gedanken, Phantasien oder Triebe. Sie kann auch nach oben gerichtet werden [...]
Während die Konzentration im allgemeinen und besonders am Anfang einen bestimmten Willensakt erfordert, kann sie nach einiger Zeit von selbst, ohne jedes Bemühen oder Willensanspannung fortdauern [...]
Asasgioli, Die Schulung des Willens, Kapitel über die Eigenschaften des Willens: 3. Konzentration - Auf einen Punkt gerichtet sein - Aufmerksamkeit - Zielbewußtsein
Samstag 22. März 2014, 09:45
Hier liegt ein grosses Geheimnis auch des Niederschreibens. Die "Momentaufnahme" des "gerade Jetzt" in die Hand und auf das Papier fliessen zu lassen. Damit verwandelt sich der Augenblick in Worte.Nordlicht hat geschrieben:was passiert gerade - jetzt.
Bach's Kompositionen sind zu Musik gewordene uralte Schwingungsgesetze des Universums, Bach ist zu Tönen und Melodien gewordene Mathematik und Naturwissenschaft... Sternenstaub, aus dem auch wir Menschen gebaut sind... darum berührt und klärt sie auch so den Geist. So höre und empfinde ich es jedenfalls.Nordlicht hat geschrieben:(@moonriver) das E-Piano lächelt mich geradezu an: Satie, Einaudi, Bach, Thiersen warten gespielt zu werden. Bach, ja vor allem Bach, der klärt den Geist und bringt neue Energien
Dienstag 25. März 2014, 17:28
Dienstag 25. März 2014, 17:42
Mittwoch 26. März 2014, 21:23
Mittwoch 26. März 2014, 22:15
Am Ende dieser Zeit wußte der Schüler wirklich etwas über den Fisch und, was das wichtigste war, er hatte den "Kniff" herausbekommen und sich die Gewohnheit sorgfältiger Beobachtung und das Wahrnehmen von Einzelheiten angeeignet... ein Erbe von unschätzbarem Wert, das wir nicht kaufen konnten, und das wir nicht aufgeben können."
Einschränkungen im Denken und allgemeines auch leichtes Unwohlsein gehen bei mir immer mit einer gewissen Unsicherheit einher, das ist nicht so angenehm, aber auszuhalten.
Donnerstag 27. März 2014, 09:27
Ich vermute mal, dass eine Beobachtung unserer Selbst für uns wahrscheinlich ein Leben lang unabdingbar sein wird - inwiefern sich das mit Baclofen nun ändert kann ich noch nicht beurteilen. Aber grunsätzlich habe ich nichts dagegen, mich in Hinblick auf rückfallgefährdende oder einleitende Emotionen und Stimmungen zu beobachten. Damit kann ich leben, auch langfristig. Was aber jetzt wirklich langsam mal eine Ende nehmen kann, ist die ständige Beschäftigung mit mir selbst. Da muss man ja schon aufpassen, dass das nicht zu einem Hobby wird.Finde ich einen schönen Vergleich, Nordlicht: Die Beobachtung meiner selbst zum lebenslangen Studium zu machen. Sehen, spüren, wahrnehmen, untersuchen.
Was meinste, was ich alles in meinen Trinkphasen vergessen habeVergesslichkeit, ermüdetes Denken kenn' ich auch immer noch,
Freitag 28. März 2014, 00:00
Freitag 28. März 2014, 21:49
Samstag 29. März 2014, 12:47
Wie soll man denn nicht zum "Narzissten" mutieren, wenn sich ständig alles um einen Selbst und sein Leben und seine kleinen Belange und den Kampf gegen die Sucht dreht?