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Re: Mein Tagebuch v.2.0 (2014)

Freitag 14. März 2014, 22:30

Tag 32 Dosis: 12,.5 – 12,5 -12,5 - 12,5 - im Abstand von 4 Stunden - Gesamt: 50 mg


Überwiegende Stimmung: recht Ausgeglichen, motiviert, zufrieden, dankbar, etwas erschöpft (vom Ausdauersport gestern)

Craving: 0
Konsum: 0

Weitere Therapiemaßnahmen heute:

-Teilnahme am Forum (Lesen, Austausch, Tagebuch)
-Progressive Muskelentspannung
-Stretching
-Lesen (themenbezogen o. motivierend)
- Das Ende meiner Sucht (2. mal nach drei Jahren), Olivier Ameisen (R.I.P.)
- „Eine kritische Auseinandersetzung mit AA“ – Online PDF, Peter Daum
-Tagebuch privat

"Notfallkoffer":
längerdauernde Progressive Muskelentspannung
Extraportion Baclofen (immer dabei!)

Gedankensplitter, Erinnerungen, Fundstücke zum Thema:

Unter dem Aspekt betrachtet, dass ja nun heute die befristete Empfehlung zur Anwendung für die Behandlung mit Baclofen gegen Alkoholismus (ok, erstmal provisorisch für drei Jahre) in Frankreich gültig ist, bekommt meine Erinnerung an ein weiteres Ereignis in meiner 1. Therapie ("der Besseren") nochmal einen ganz besonderen Beigeschmack...

"Dann saufen sie sich doch tot!" Abschlußsatz der dienstältesten Therapeutin zu einem jungen Mitpatienten (um die 30, fit, gesund), den weder die Gruppe noch sie selbst dazu bewegen konnte, die Therapie nicht abzubrechen.

Das kam mir damals schon so hilflos und übertrieben vor ...aber was besseres ist ihr wirklich nicht eingefallen...

Re: Mein Tagebuch v.2.0 (2014)

Freitag 14. März 2014, 23:11

... Jeder hat mal 'nen schlechten Tag, auch Therapeuten. Dumm nur, es gibt Patienten, für die bedeutet das einen K.O.-Schlag.

Deine Stimmungslage verbreitet Freude, Nordlicht!

Sag, bist du gerade etwas forscher mit Hochdosieren?
:D Du wirst uns doch nicht euphorisch werden?

lg
Lisa

Re: Mein Tagebuch v.2.0 (2014)

Samstag 15. März 2014, 10:55

@lisa....ganz ehrlich...vor zuviel Euphorie habe ich Fracksausen, die ging meisten meinen Rückfällen vorraus, aber zur Zeit ist das doch noch recht überschaubar und ich kann es auf angenehme Weise genießen, mit dem Wissen, dass ich auch da, vor allem da, auf der Hut sein muss...Disphorie oder auch Melancholie ist da für mich weitaus weniger gefährlich, das kann ich besser handhaben.

Hat schon seinen Grund, dass ich mir auch meine Stimmungen in mein Tagebuch notiere ;)

LG Nordlicht

Re: Mein Tagebuch v.2.0 (2014)

Samstag 15. März 2014, 22:05

@lisa
lisa64 hat geschrieben:... Jeder hat mal 'nen schlechten Tag, auch Therapeuten. Dumm nur, es gibt Patienten, für die bedeutet das einen K.O.-Schlag.

Das hat nichts mit ´nem "schlechten Tag" der Therapeutin zu tun, das ist das Resultat einer einseitig und apodiktisch auf Abstinenz ausgerichteten Behandlungsform, die weniger auf Respekt oder Zusammenarbeit basiert, sondern den Alkoholiker in den Status eines kleinen, unmündigen Kindes zurückversetzt - und zwar jeden, unabhänging vom Grad seiner Erkrankung, seinem sozialen Status, seiner Intelligenz, seiner Bereitschaft zur Mitarbeit (so sie denn gegeben ist). Wer nicht bereit ist sich darauf einzulassen, hat schon mal ganz schlechte Karten, aber auch wer bereit ist sich darauf einzulassen, hat ganz schnell schlechte Karten, wenn er den Erwartungen nicht entsprechen kann.

(Und ich habe nun drei Therapien mit drei unterschiedlichen Klientelen erlebt, von recht ordentlich über total gemischt bis hin zu Menschen, deren Krankheit sie z.T. auch wirklich schon arg gezeichnet hat.)

Wo sind die Alternativen, wenn es nicht so funktioniert, wie erhofft? Eine Aussage wie "dann saufen sie sich doch tot" kann ja durchaus bei einigen Menschen einen gewissen therapeutischen Effekt haben (auf den jungen Mitpatienten hatte sie keine), auf andere wirkt sie....wie Du ja auch selbst geschrieben hast, wie ein K.O.-Schlag.

Da wäre mir ja selbst der (fast ebenso dämmliche Spruch) "Sie sind einfach noch nicht so weit" noch lieber. Der ist wenigstens nicht beleidigend, bietet eine Erklärung an (oder eine Scheinerklärung) und könnte auch noch tröstlich aufgefasst werden, lässt zumindest etwas Hoffnung.

Aber von bis habe ich mittlerweile dann auch schon einiges erlebt, da wird auf Prinzipien beharrt, da wird oft genug nicht auf den Einzelfall eingegangen, alle Alkis therapeutisch in einen Topf geschmissen, jegliche Verantwortung von sich gewiesen, auf kleinsten Regelverstößen rumgeritten (wehe, einer stellt sich einen Stuhl auf die Raucherterasse... direkt davor, an der Grenzlinie ist´s aber wiederum geduldet, sorry, was ist das, wenn kein Kindergarten??). Ich bin da ja nicht hingegangen, um mich erziehen zu lassen, sondern an einer für mich lebensbedrohenden Krankeit zu arbeiten, in der beschissensten Phase meines bisherigen Lebens.

Nein, ich rege mich nicht auf, ich rege mich nicht auf, Wochenende, Samstag Abend, alles gut :D ... und im Grunde genommen bin ich ja dankbar, dass ich das alles mal live und in Farbe erleben durfte, die, die nicht rückfällig geworden sind, kann ich aber an einer Hand abzählen, hätte ich niemals mit gerechnet - und trotzdem, so paradox, das auch klingen mag, würde ich jedem, der mit dem Gedanken spielt eine Therapie zu machen, eindeutig zuraten, denn es kann, wenn man es nicht auf das therapeutische Konzept beschränkt, unglaubliches in einem bewirken, aber das hat dann meist andere Gründe.

"Therapie ist, was man selbst draus macht." Das war mein Leitspruch ab der 2. Therapie, das ist das, was ich jedem -aufgrund meiner (!) Erfahrung, mitgeben würde, aber während meiner 3. Therapie hat nicht mal das mehr geholfen...und ich habe nicht abgebrochen, um Rückfällig zu werden, es ging da nur einfach nicht mehr.

Lieben Gruß und schönes Wochenende :-h
Nordlicht

Re: Mein Tagebuch v.2.0 (2014)

Samstag 15. März 2014, 22:15

Tag 33 Dosis: 12,.5 – 12,5 -12,5 - 12,5 - im Abstand von 4 Stunden - Gesamt: 50 mg

Überwiegende Stimmung: Ausgeglichen, motiviert, zufrieden, wieder tatkräftiger

Craving: 0
Konsum: 0

Weitere Therapiemaßnahmen heute:

-Teilnahme am Forum (Lesen, Austausch, Tagebuch)
-Progressive Muskelentspannung
-Stretching
-Lesen (themenbezogen o. motivierend)
- Das Ende meiner Sucht, Olivier Ameisen
- Die Schulung des Willens, Roberto Assagioli
-Tagebuch privat

"Notfallkoffer":
längerdauernde Progressive Muskelentspannung
Extraportion Baclofen (immer dabei!)

Gedankensplitter, Erinnerungen, Fundstücke zum Thema:

Aus einem anderen Thread im Forum, meine derzeitige Lieblingsmetapher, ein absoluter „Mutmacher“ . Mit großem Dank an Lisa64:

KAIROS
Hierzu ein Bild, das sich mir vor Jahren "auf meinem Weg" eingeprägt hat (frei zusammenzitiert):

Die griechische Mythik kennt zwei Götter der Zeit: Chronos, den Vater der Zeit mit seiner unbarmherzigen Sichel. Chronos meint eine bestimmte Qualität von Zeit. Nämlich die messbare Zeit, die in einem gleichbleibendem Rhythmus abläuft; heute sagen wir, die dem Takt der Uhr verhaftet ist. Die fressende Kraft der Zeit, in unserer Gesellschaft heute die zunehmende Geschwindigkeit, die zu dicht eingeteilte Zeit, die die kosmischen und persönlichen Rhythmen, das unterschiedliche Tempo von Mensch zu Mensch, mit einem vorgegebenen Tempo überlagert.

Bei den Griechen gab es noch die „andere Zeit“, den Kairos. Etwas banal übersetzt: „der günstige Augenblick“. Den Gott Kairos stellte man sich als jungen Menschen vor, mit Stirnlocke und kurz geschorenem Hinterkopf. So huscht er an den Menschen vorbei, aber manchen ist es möglich, ihn an dem Schopf zu packen. Das geht aber nur, wenn man ihn kommen sieht. Ist er nur mehr von hinten zu sehen, kann man ihn nicht mehr packen. Er ist der Gott des rechten Augenblicks, der Zeitwende.

Re: Mein Tagebuch v.2.0 (2014)

Montag 17. März 2014, 00:01

Tag 33 Dosis: 12,.5 – 12,5 -12,5 - 12,5 - im Abstand von 4 Stunden - Gesamt: 50 mg

Überwiegende Stimmung: Motiviert, zufrieden, etwas empfindlich, voller Wissbegier, erstaunt über meine Wandlung in den letzten Wochen

Craving: 0 Nada
Konsum: 0 Nothing

Weitere Therapiemaßnahmen heute:

-Teilnahme am Forum (Lesen, Austausch, Tagebuch)
-Progressive Muskelentspannung & Autogenes Training
-Stretching
-Ausdauersport (leicht)
-Tagebuch privat

"Notfallkoffer":
längerdauernde Progressive Muskelentspannung
Extraportion Baclofen (immer dabei!)

Inwiefern Baclofen nun meine Stimmung beeinflusst mag ich nicht mit Gewissheit sagen, aber Tatsache ist, dass ich im Moment keinerlei Nebenwirkungen verspüre. Denke, ich werde noch ein paar Tage bei 50 mg bleiben und dann gegen Ende der kommenden Woche aufdosieren. So problemlos, wie das bisher verlaufen ist, werde ich wohl die Strategie der kleinen Schritte beibehalten. Ich glaube nicht, dass die Zeit drängt, fühle mich zur Zeit recht sicher, die wenigen Gedanken, die ich an Alkohol und Cannabis hatte ließen sich recht gut bewerkstelligen – gut, bis auf einmal, aber auch das war auszuhalten. Die Motivaton stimmt. Bin zufrieden. War heute ein Tag mit schönen, neuen Einsichten – Es geht voran! Kann gerne so bleiben …

Re: Mein Tagebuch v.2.0 (2014)

Montag 17. März 2014, 00:51

Nordlicht hat geschrieben:Inwiefern Baclofen nun meine Stimmung beeinflusst mag ich nicht mit Gewissheit sagen,
@Nordlicht,

in einem Jahr könntest Du Gewissheit haben, lass' Dir Zeit bis die Seele hinterher
gekommen ist.

LG Federico

Re: Mein Tagebuch v.2.0 (2014)

Dienstag 18. März 2014, 00:13

Tag 35 Dosis: 12,.5 – 12,5 -12,5 - 12,5 - im Abstand von 4 Stunden - Gesamt: 50 mg

Überwiegende Stimmung: Motiviert, zufrieden, recht ausgeglichen, vielleicht etwas übereifrig

Craving: 0 | 0 (...trotz "Jenke-Experiment" im Fernsehen....)
Konsum: 0 | 0 (nein, habe definitiv gerade Besseres zu tun)

Weitere Therapiemaßnahmen heute:

-Teilnahme am Forum (Lesen, Austausch, Tagebuch)
-Progressive Muskelentspannung
-Stretching
-Ausdauersport (leicht)
-Lesen (themenbezogen o. motivierend)
- Abstinenz als Paradigma in der Suchttherapie, P. Lotzmann - Online PDF :daumen: Inspired By Lisa64...mag´s ja kaum noch sagen...;-))
- Die Schulung des Willens, Roberto Assagioli

-Tagebuch privat

"Notfallkoffer":
längerdauernde Progressive Muskelentspannung
Extraportion Baclofen (immer dabei!)

Gedankensplitter, Erinnerungen, Fundstücke zum Thema:

Aus: Abstinenz als Paradigma in der Suchttherapie, P. Lotzmann

"Um weitere Gedanken dazu zu formulieren, ist es wichtig den Motivationsbegriff zu systematisieren, wobei die Unterscheidung der Abstinenz- und Behandlungsmotivation für diese Thematik besonders elementar ist.

Eine geringe Behandlungsmotivation bedeutet hierbei, dass der Klient mit der Entscheidung des professionell Behandelnden bezüglich einer Entgiftungs- oder Entwöhnungsbehandlung nicht einverstanden ist. Davon abzugrenzen ist die geringe Abstinenzmotivation, welche die Unwilligkeit beinhaltet seinen Konsum ganz einzustellen (vgl. Kruse et al. 2000). Somit ist es z.B. möglich, dass jemand motiviert ist seine Konsummenge zu reduzieren, was eine hohe Veränderungsmotivation bedeutet, aber nicht durch eine „professionelle Behandlung und auch nicht auf den Pegel von null“ (ebd., S. 175). Daraus folgt, dass eine fehlende Abstinenzmotivation noch lange nicht impliziert, dass ein Klient keine Veränderungs- oder Behandlungsmotivation hätte. Jedoch in der Praxis bedeutet eine fehlende Abstinenzmotivation oft einen Ausschluss aus der traditionellen Suchttherapie.

Bezug nehmend auf die besprochene Zielsetzung ist hervorzuheben, dass erst bei einer intrinsisch erfolgten Abstinenzmotivation die Abstinenz ein realistisches Ziel darstellt, welches Chancen auf Erfolg aufweist
." S.34

Ich glaube, meine intrinsische Abstinenzmotivation, zumindest für einen bestimmten Zeitraum, steigert sich gerade von Tag zu Tag. Was danach kommt...mal sehen. Wenigstens kann ich hier selbst entscheiden. Das ist eine vollkommen neue Erfahrung, der ich aber durchaus mit Respekt begegne...

Re: Mein Tagebuch v.2.0 (2014)

Dienstag 18. März 2014, 01:18

Nordlicht hat geschrieben:Wenigstens kann ich hier selbst entscheiden.

Mann ... Mann ... immer dieses Versteckspiel mit den wichtigsten Aussagen.

Die Wiedererlangung der eigenen Entscheidungsfreiheit ist m.E. das Wichtigste,
der entscheidende Punkt, der die Grenze zwischen Sucht und Befreiung markiert.
Der blinde Marsch in geforderte Abstinenz ist nur ein Marsch im Gleichschritt
zu neuer Abhängigkeit.

Also bitte:
„Ich kann selbst entscheiden“ immer groß und fett schreiben.

LG Federico

Re: Mein Tagebuch v.2.0 (2014)

Dienstag 18. März 2014, 09:06

Federico:
Also bitte:
„Ich kann selbst entscheiden“ immer groß und fett schreiben.


Dem kann ich nur voll zustimmen!!!!!

Im meinem näheren Umfeld - z. T. Familie, einige Bekannte - Freunde wird es nicht akzeptiert, absolute Abstinenz sei der einzige Weg. So spüre ich Distanz, kritisches Beobachten, Misstrauen.
Dennoch, auch ich habe mich zu diesem Weg entschieden, freue mich über die Hilfe von Baclofen, den Austausch in diesem Forum hier!!!!

LG Trudi
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