Freitag 4. März 2011, 14:17
Ich grüße Euch aus dem Norden und bedanke mich bei den Gründern dieses Forums, wie auch allen Mitgliedern, die hier so offen und engagiert ihre Erfahrungen posten. Ich hoffe, dass dieses Forum eine möglichst große Anzahl von Betroffenen erreichen wird und ihnen endlich eine reelle Hoffnung geben wird.
Dank diesem Forum, vor allem aber dank Eurer Erfahrungsberichte, habe ich mich zur Medikation mit Baclofen entschieden. Ich lese hier schon seit einigen Wochen mit und die Berichte haben mich in der Zeit aus 3 Trinkphasen rausmotiviert, ganz im Gegenteil zu einigen Selbsthilegruppen-besuchen, die auf mich fast eine allergische Wirkung haben.
Entschieden habe ich mich auch dazu, diesem Forum beizutragen, indem ich meine Erfahrungen hier mitteilen werde, obwohl ich ansonsten (aus beruflicher und Lebenserfahrung) strikt gegen solche Veröffentlichungen im Internet bin. Ich halte nicht viel von den „sozialen Netzwerken“ und schon gar nichts von dem heutzutage so weitläufig praktiziertem „Exhibitionismus“. „Das Internet vergisst nicht“ und „die Außenwelt bildet sich schnell Ihre Meinung“ hat sich zu oft bewahrheitet.
Trotzdem halte ich es für wichtig, anderen Nachfolgenden die Erfahrungen, Hoffnungen und Zweifel mitzuteilen, um ihnen auf dem eigenen Weg zu helfen, den viele schon so oft beschritten haben und bis jetzt nie am Ziel der Selbstbestimmung (wieder, oder vielleicht zum ersten mal im Leben) anlangen konnten.
Ich selbst habe für den Weg zur Erkenntnis und dem Eingeständnis sich selbst gegenüber etwa 20 Jahre gebraucht (bin jetzt um die 40), wobei mir dabei meine Ehefrau Fluch und Segen zugleich gewesen ist (Co-Abhängigkeit). In den euphorischen „Erfolgsphasen“ (Stichwort Hypomanie) bot Sie die Geborgenheit der Normalität, in der ich verschnaufen konnte. In den längeren „Vegetationsphasen“ bot Sie die Stabilität und sorgte für regelmäßiges Einkommen und Auskommen. Dies zusammen ist einer der Gründe, warum ich erst nach so langen Jahren die Suche nach Erklärungen und Auswegen startete. Es ging ja bis dahin. Glaubte ich zumindest...
Erst mit Mitte 30 habe ich angefangen ernsthaft meine Vergangenheit und meine Sucht zu reflektieren und konnte so mein Verhalten wenigstens deuten. Die Versuche aber, dieses dauerhaft zu ändern scheiterten allesamt nach maximal 6 Wochen Abstinenz. Da hat sich das „Verlangen“ inzwischen so gut eingeprägt, dass der Kampf dagegen extrem mühselig geworden ist und jeder Rückfall in mir immer wieder die fatale Überzeugung hervorrief, dass der weitere Versuch ohnehin keine dauerhafte Abhilfe schaffen wird. Die Wahl also zwischen einem Leben im ständigen Kampf und Gefahr des Versagens, oder ein möglichst langes „Auskommen“ mit der Sucht und damit die immer gleiche Wechselwirkung der Zustände, die allerdings zwangsläufig die Lebensdauer verkürzen.
Das waren die Alternativen für das weitere Leben, bis ich von der Wirkung von Baclofen gehört habe. Als Pragmatiker sehe ich zum ersten Mal einen echten Weg auf dem sich der Kampf „lohnt“ und echte Abhilfe verspricht.
So sprach ich gestern meinen Hausarzt auf das Thema Baclofen an und erklärte ihm die Chancen. Bat ihn um mithilfe bei der Medikation. Er hörte zwar noch nichts von der besagten Wirkung, war aber sehr offen und versprach mir mich zu unterstützen. Ich tragen deshalb gerade die wichtigen Informationen und Quellen zusammen und werde Anfang der Woche mit ihm das Vorgehen durchsprechen. Damit auch nächste Woche mit der Medikation nach dem Königsweg anfangen. Wenn sich endlich eine echte Chance bietet, möchte ich es möglichst konsequent durchziehen.
Ich werde deshalb ab nächste Woche einen eigenen Erfahrungsthread pflegen und versuchen Euch möglichst offen und eingehend über die Erfahrungen zu informieren, falls es in der Form erwünscht ist.
Schon merkwürdig: Eigentlich war ich nie ein „Herden-Typ“. Dieser „Herde“ in kürze angehören zu dürfen, macht mich aber sehr glücklich
Auf einen lohnenswerten Kampf