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Ich weiss nicht wo mir der kopf steht!!

Mittwoch 2. April 2014, 17:39

Ich lese mich hier so durch und weiss im moment einfach nicht, was richtig und was falsch wäre.

Ich bin 28 und habe das gefühl dass mein leben hiermit vorbei ist. Therapien seit fast 5 jahren, bezogen auf sucht in erster linie. Bin polytox und auch co abhängig. Tabletten nehme ich seit 2007.

Ich bin verzweifelt. Habe mittlerweile all die gutgemeinten diagnosen. War dementsprächend froh, dass es endlich gewissheit gab.

Und jetzt??? Im nachhinein fühle ich mich noch beschissener, weil alles hochkommt?

Ich kenne soviele die mir gasagt haben: therapien bringen im nachhinein viel, doch um abstinent zu bleiben-nix.

Habe gedacht das wären einzelfälle.

Habe GEHOFFT, dass es vielleicht so ist. Für mich gehofft. Für mein überleben.

Und was ist jetzt? Ich kämpfe wieder mal gegen die sucht und scheine zu verlieren. Ich schäme mich.
Allein schon das wort 'kämpfen'.
Muss ich um die akzeptanz kämpfen, die meiner suchterkrankung zur grunde liegt? Muss ich um das verständnis kämpfen.......obwohl ich sonst eine große hilfe war in manch einer notsituation?
Muss ich immer wieder aufs neue beweisen, dass ich mensch bin trotz meiner sauferei?
Indem ich entgifte und schön brav in die langzeit gehe?
Das beste kommt jetzt ;)

Damit ich danach noch mehr angetriggert bin, obwohl ich viel gelernt habe (Danke an das ganze Team) ????



So what.............

Re: Ich weiss nicht wo mir der kopf steht!!

Donnerstag 3. April 2014, 17:03

Liebe Ana,

ich habe Dich gehört, Deine Verzweiflung ahne ich und Dein Rufen höre ich. Mein Rat:
erst einmal fühlen (tust Du), dann ausdrücken (lese ich), dann sortieren
und wenn Dir danach kein Ziel
und der erste Schritt dazu vor Augen steht, dann tu das Allernächstliegende je nach
Körpergefühlen oder Uhrzeit (könnte sein, etwas zu essen oder aufzustehen oder sich
schlafen zu legen). Dann sieh weiter, was da ist.

Ratlos: Aber vielleicht muss man für all diese Dinge ein Gefühl der Wertschätzung
für sich selbst spüren.

Ja, Du musst immer wieder weitermachen. Es tut weh, es macht keinen Spaß und doch ...
dafür, dass es zu irgendeiner Stunde/eines Tages wieder Spaß machen könnte. Bitte auch immer wieder um Hilfe, manchmal ist es die Methode, die weiterbringt, manchmal der Mensch ... manchmal, dass Du Dich aufgerafft hast :-)

Du hast allen Grund zu fühlen, was Du fühlst, allen Grund zu klagen ...

geh trotzdem weiter.

Sicher können Dich die, welche gerade von einem oder mehreren Suchtmitteln Abstand nehmen, gut beraten. Ich bin eine Angehörige und im Augenblick seit heute früh ganz verzweifelt, ich
heulte und tobte, schwankte zwischen Lähmung/Apathie und ausschreiten wollender Aggression laufend hin und her.

Ja, ich hab es gut, ich musste unter Leute und hier fand ich Lächeln, ein gütiges Wort und Ablenkung. Jetzt geht es mir mit mir schon wieder besser. Aber wie gehe ich mit den Hilferufen meines Freundes, der in Verzweiflung und Depression trotz Bac weiter Bier trinkt
und nicht aufhört, um? Arzttermine werden verschoben und wenn ich ihm Nähe gebe, die er
wünscht, münden alle Gespräche in trostlose und verletzende Kabbeleien. Dann kommt wieder (auf beiden Seiten ;-) "Ich sag nichts mehr." Dann geht es wieder von neuem los. Wie gut dass der Tag doch irgendwann zu Ende ist und die Nacht in den paar Stunden, in denen man schläft, einen Aufschub gewährt.

Ich glaube an Gott. Und das ist etwas wirklich Gutes an all dem Schmerzenden. es treibt mich in Gottes Nähe. Was heißt, ich muss und kann nicht alles lösen, ich trage nicht alles allein, etwas hilft mir, ich werde eines Tages erlöst sein, von allem, was mich im Augenblick bedrängt. Das sage ich mir immer wieder.

Liebe Ana, ich denke an Dich. Mach weiter. Ich mach es auch.
Viel Mut und neue Kraft mögen Dich durchströmen
Ganz viel Geduld wünscht Dir
Marit

Re: Ich weiss nicht wo mir der kopf steht!!

Donnerstag 3. April 2014, 21:06

Liebe Ana,

Marit hat dir schon viel Richtiges und vielleicht auch Mut machendes geschrieben.
Du bist verzweifelt und kämpfst gegen deine Sucht. Weil Du immer wieder schwach wirst, schämst du dich, kannst dich nicht gern haben.
Wie gut kenne ich das...
Ich bin jetzt 62, also 34 Jahre älter als du.
Wenn ich mal die letzten > 40 Jahre meiner Trinkerkarriere (ich bin "nur" alkoholkrank) Revue passieren lasse, erkenne ich ganz deutlich mehrere Dinge (die mir damals natürlich nicht klar geworden sind) :

Ich habe auch immer gekämpft (zunächst ohne Alkohol) :
- Im Studium
- Gegen mein Stottern
- Um Anerkennung durch Andere
- Um die Liebe meiner Partnerin / Ehefrau
- usw. usw.
Als das, bedingt durch die hohen Anforderungen, die ich an mich selber stellte, sehr oft nicht wie erhofft funktionierte, kamen Frust, Enttäuschung, Ärger...
Irgendwann merkte ich, dass sich diese negativen Gefühle prima "wegspülen" ließen.
Der Alkoholkonsum stieg ständig, aber ich "funktionierte" noch, war hilfsbereit, immer für andere da, oft auch, wenn diese das gar nicht wollten ("Helfersyndrom").
Immer auf der suche nach Anerkennung also...
Immer wieder auch die enttäuschten Erwartungen, Hoffnungen. Als süchtig habe ich mich über Jahrzehnte nicht gefühlt, obwohl mir meine damalige Frau ständig in den Ohren lag, doch zu einer Beratungsstelle / in eine Selbsthilfegruppe zu gehen.

Ich habe drei Langzeittherapien hinter mir, drei MPU's, eine Scheidung, eine am Alkohol zerbrochene neue Beziehung, Jobverlust.
Nach einem schrecklichen Absturz vor drei Jahren folgte die letzte Therapie (die dritte). Ich lebte in einer neuen glücklichen Beziehung, begann eine Psychotherapie und stieß dann im Zuge einer Internet-Recherche auf Baclofen, das ich seit nunmehr über 1,5 Jahren nehme. Im Mai 2013 haben wir geheiratet und mir geht es sehr, sehr gut.

Warum ich das alles schreibe ?
Um dir Mut zu machen und dir vielleicht Wege aufzuzeigen, wie du den Leidensweg / den Kampf gegen die Sucht vielleicht abkürzen kannst.

Hast Du mal überlegt, was da ganz tief drinnen los war / los ist, das die Sucht auslöste ? (Traumatische Erlebnisse, Enttäuschungen, mangelndes Selbstwertgefühl ????).
Wäre nicht eine Psychotherapie sinnvoll ?

Mein immenses theoretisches Wissen hat mir nichts genutzt. Der große Umbruch kam erst, als ich aufgehört habe zu kämpfen, zu kämpfen um Anerkennung, Lob, Zuneigung usw. und als ich akzeptiert habe, dass ich gut bin, so wie ich bin.

Ich führe diese Gedanken später weiter, der Beitrag ist schon jetzt viel zu lang geworden.

Alles Gute, sei gedrückt!

Werner

Re: Ich weiss nicht wo mir der kopf steht!!

Donnerstag 3. April 2014, 23:07

Vielen Dank ihr Lieben, für die aufmunternden Worte.
Ich musste heute nicht trinken, bin in ein AA Meeting gegangen. Nachdem es mir gestern so elendig dreckig ging, wurde mir heute um so klarer, dass ich leben will! :-) Ob mit Bac oder ohne, ich kann und will nichts erzwingen, alles zur seiner Zeit.

LG Ana

Re: Ich weiss nicht wo mir der kopf steht!!

Donnerstag 3. April 2014, 23:13

Nein, liebe Ana, das hier:
Allein schon das wort 'kämpfen'.
Muss ich um die akzeptanz kämpfen, die meiner suchterkrankung zur grunde liegt? Muss ich um das verständnis kämpfen.......obwohl ich sonst eine große hilfe war in manch einer notsituation?
Muss ich immer wieder aufs neue beweisen, dass ich mensch bin trotz meiner sauferei?

würde in einer perfekten Welt jedem Menschen ganz selbstverständlich entgegen gebracht, ungeachtet seiner Problematik:

Akzeptanz, Verständnis, Menschlichkeit und Mitgefühl.

Lass dir bloss nicht einreden, du müsstest irgendetwas TUN, um das zu verdienen. Mensch unter Menschen zu sein gibt uns allen das Grundrecht darauf. Auch und gerade, wenn du leidest. Unabhängig davon, ob du Fehler machst oder "nur" 90%ig die "perfekte Patientin" bist.

Nimm dich versuchsweise selbst unter die Lupe: Wenn du anderen Menschen in schwierigen Situationen gegenüber spontan und selbstverständlich nach diesen Grundwerten handelst: Warum sollte es umgekehrt weniger gerechtfertigt sein?

Und dann bring vor allem, liebe Ana, dir selbst dein ganzes Mitgefühl entgegen. Mit allem erdenklichen Recht der Welt. (Und damit meine ich nicht Selbstmitleid.)

Ich freue mich, dass dein Tag heute besser ausging.

lg
Lisa

Re: Ich weiss nicht wo mir der kopf steht!!

Montag 14. April 2014, 17:10

Das finde ich auch, Lisa. :)
Ich bin die ganze Zeit dabei, es umzusetzen.
Doch wenn da die Sucht an sich nicht wär'.......:(

Re: Ich weiss nicht wo mir der kopf steht!!

Montag 14. April 2014, 17:16

Wie auch immer. Habe morgen ein Termin und hoffe
dass ich endlich Gelegenheit dazu bekomme, einiges
mit klarem Kopf, aufzuarbeiten. Das was noch fehlt, um leben♡ zu können.

Re: Ich weiss nicht wo mir der kopf steht!!

Montag 14. April 2014, 21:14

Hallo Ana
Ana hat geschrieben:Habe morgen ein Termin
Dazu wünsche ich Dir das nötige Verständnis Deines Gegenübers...

Ana hat geschrieben:Das was noch fehlt, um leben zu können.
Ana hat geschrieben:Ich musste heute nicht trinken, bin in ein AA Meeting gegangen. Nachdem es mir gestern so elendig dreckig ging, wurde mir heute um so klarer, dass ich leben will!
Eine sehr persönliche Frage an Dich, Ana. Du musst sie nicht beantworten, wenn Du nicht willst, aber: Fühlst Du Dich gut bei den AA-Meetings? Wie sind Deine Gefühle gegenüber AA einen Tag danach? Schenkt Dir ein solches Meeting innere Freiheit und Gelassenheit oder fühlst Du Dich danach befangen oder fremdgesteuert? Ich weiss, meine Frage ist etwas gewagt oder streift bereits die Grenze des "Erlaubten"...

Anyway, ich wünsche Dir möglichst viel Klarheit, prüfendes, kritisches Denken und natürlich einen Ausweg aus der aktuellen Situation!

LG
moonriver

Re: Ich weiss nicht wo mir der kopf steht!!

Donnerstag 17. April 2014, 23:27

Hallo moonriver,
als ich in NRW zu den Meetings ging,
fühlte ich mich danach wohl und gestärkt.
Die Atmosphäre war in erster Linie sehr herzlich.

Jetzt lebe ich im Norden und meiner Meinung nach kann man nicht pauschalisieren, dass die Norddeutschen 'kalt' sind. Doch die AA meetings sind hier leider nicht das, was sie 'unten' sind.
Dort fühle ich mich wenig wohl und habe mir tatsächlich schon Gedanken drüber gemacht, mir ganz andere Gruppen anzuschauen.
Das 12 Schritte Programm ansich finde ich aber seehr nützlich für mich.

LG Ana

Re: Ich weiss nicht wo mir der kopf steht!!

Freitag 18. April 2014, 22:23

Tu nur, was Dir gut tut, bzw. das was Dir hilfreich erscheint.

Für mich wäre das 12-Schritte-Programm weniger ok. Wichtig ist in einer Gruppe aber ob Du Dich dort gut integriert fühlst und die nicht zu dogmatisch arbeitet; sprich: nicht vehement jede medikamentöse Unterstützung als Teufelwerk ablehnt. Auch wenn Du Dich dann dort nicht outest macht das ein schlechtes Gefühl und Du brauchst derzeit unbedingt emotionale Stabilität und Menschen, die Dich positiv motivieren. Insbesondere durch Deine Grunderkrankungen wäre es wichtig, dass "alle" mit Dir an einem Strang ziehen und Dich nicht in emotionalen Zwiepalt bringen.

GLG jivaro
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