Freitag 9. April 2010, 16:26
Hi 2-gether.
Bin neu hier und möchte mich erst einmal vorstellen.
Mein Name ist Alexander und ich komme aus dem Kreis Wesel. Ich bin 35 Jahre alt und bereits seit ca. 11 Jahren ist mir bewusst, dass ich suchtkrank bin. Ich bin polytox, wobei sich mein Suchtmittelkonsum weitestgehend auf Alkohlol und THC (Gras) "beschränkt". Genommen und probiert habe ich schon so ziemlich alles, was mir zwischen die Finger gekommen ist - gottseidank ist mir nicht alles regelmässig in die Finger gekommen.
Paradoxerweise habe ich es bis heute geschafft, vermeintlich sehr erfolgreich im Leben zu stehen. Ich bin verheiratet, habe zwei Kinder und bin Geschäftsführer einen erfolgreichen, aber anstrengenden Firma.
Ich rauche, seit ich ca. 11 Jahre alt bin, habe mit 13 das erste Mal Alkohol und mit 15 zum ersten Mal THC konsumiert. In meinem Freundeskreis hat das "Berauschen" eine besondere Rolle gespielt, schon früh habe ich damit angefangen, das auch für mich alleine zu machen. Ich kann mich ganz früh daran erinnern, dass ich im Vergleich zu manch anderem Freund unmittelbar, bzw. schnell nach dem 1. Konsum eines Suchtmittels eine bestimmte Form von Craving hatte. Sehr bewusst weiss ich noch von meinen 1. Alkoholkonsum und meinen Gefühl: "Wow - das ist es. Das hat Dir gefehlt!".
Über drei bis vier Jahre haben wir sehr viel gefeiert. Ich habe allerdings daneben auch immer sehr viel für meine Ausbildung und Karriere getan. Immer stärker haben sich beide Welten vermischt. Ich habe, um Ängste und schlechte Gefühle im Griff zu haben, regelmässig getrunken. Ohne Trinken konnte ich nicht "Abschalten". Bereits mit 24 Jahren hat das zu den ersten kompletten Kontrollverlusten und Entzugserscheinungen geführt.
Zu dieser Zeit habe ich auch meine Frau kennengelernt und unser 1. Kind war unterwegs. Sie ist 12 Jahre älter als ich und war bereits mit einem Alkoholiker verheiratet, der heute tot ist.
Seit meinem 24. Lebensjahr tanze ich wie ein Derwisch um die Flasche bzw. ums Graspäckchen. Selbstauferlegte Abstinenzzeiten haben sich immer wieder abgewechselt mit Rückfällen und kurzen, aber wirklich sehr heftigen Trinkphasen. Die Abstinenzzeiten waren sehr unterschiedlich von 1 Monat bis zuletzt 2 Jahren wobei ich dabei stets die Abstinenz von Alkohol meine. Ich habe ca. 15 x zu Hause kalt unter stärksten Schmerzen und Craving kalt ohne Substitution entzogen (ich weiss, wie gefährlich das ist). Einziges HIlfsmittel war bei dem einen oder anderen Entzug THC, wobei das die Angst- und Panikattaken meist nur schlimmer macht.
Nach einem besonders heftigen Rückfall in 2006 bin ich regelmässig (fast täglich) zu AA und habe es tatsächlich geschafft, ca. 1/2 Jahr durchzuhalten. Ich habe sogar mit dem Rauchen aufgehört.
Dann mit dem Rauchen wieder angefangen, dann wieder 2 Monate später mit Kiffen und dann irgendwann kam wieder ein Rückfall. Immer das gleiche Spiel.
Insgesamt erschienen mir die "Zyklen" immer gleich. Zuerst der Rückfall. Dann eine Zeit der Depression, Angst, Scham und Verzeiflung. Wenn es mir körperlich und im Kopf wieder besser ging und ich immer leistungsfähiger wurde, kam die Phase der Hochmut. "Ich bin doch viel besser dran, wenn ich eine Krankheit habe, die mich dazu zwingt, nicht berrauscht zu leben. Ich bin besser als die, die jeden Tag fünf Bier trinken müssen." Und dann kam der kleine Teufel auf der Schulter. Craving. Immer fordernder. "Du musst Dich auch belohnen. Kein Mensch, keine Kultur lebt ohne Belohnung!" Mehr Sex, mehr ..... tja was?
Dann wieder das 1. Mal kiffen. Immer regelmässiger kiffen. Und irgendwann trinken.
2007 war ich dann das 1. Mal für 8 Wochen in einer Luxus-Entzugsklinik mit allem Zip und Zapp: Medikamentöse Entgiftung (was ich nach ca. 12 kalten Entzügen als Erlösung empfand), Psycho- und Verhaltenstherapie-Sitzungen. Wellness und Sport und viele Gruppengespräche. Danach bin ich regelmässig zur Gruppe gegangen. Durch die Psychotherapie wusste ich ein bisschen mehr über das Warum. Aber das hat das Craving nicht gestoppt. Ich habe ein Vermögen für weitere private Sitzungen ausgegeben, die mir helfen sollten, noch disziplinierter zu sein.
Durch die netten Kontakte in der Klinik habe ich von einer anderen Droge gehört und ca. 10 Monate später hab ich diese dann über dunkle Kanäle bestellt, ausprobiert, mich wieder runterdosiert und gegen das Craving regelmässig gekifft. Zwei Monate später kam der nächste Alkohol-Rückfall und der war wieder so massiv, dass ich mich in eine "normale" Entzugsklinik zur Entgiftung habe einweisen lassen. Weitere Maßnahmen hätte meine private Kasse auch nicht bezahlt.
In der Entgiftung habe ich mich "gebrochen" gefühlt. Ich wollte nicht mehr, ich konnte nicht mehr, ich habe keine Perspektive mehr gesehen. Ich habe alles ausprobiert und nichts hat geholfen. Das Ziel, vollkommene Abstinenz, das ich eigentlich fast 10 Jahre immer wieder hatte, erschien mir einfach unrealistisch.
Wieder zuhause angekommen habe ich bewusst und ganz massiv zu Kiffen angefangen. Je nach Grassorte ging es mir damit einigermaßen gut oder einigermaßen schlecht. Zumindest konnte ich ordentlich arbeiten. Wenn ich mir "billiges", nicht ganz so potentes Gras gekauft hatte, war alles o.k. und ich war voll funktionstüchtig. (Traurig, oder?) Aber wenn ich mich mal in der Sorte vergriff, hat es sehr schnell zu dieser "alles ist egal"-Einstellung geführt und teilweise meine Ängste und Depressionen verstärkt. Ich war auch viel ablenkbarer und habe wertvolle Zeit einfach verbummelt.
Wenn man beinahe zwei Jahre jeden Tag zwischen drei und 12 Joints raucht, geht das auch an die Substanz. Druck auf der Lunge und den Bronchien. Und wie erwähnt: Je nach Grassorte hat es mal besser, mal schlechter funktioniert mit der Stimmungsbeeinflussung und dem Craving.
Vor ca. drei Wochen hatte ich mal wieder etwas, das mich gar nicht gut draufbrachte. Ich war im Ausland, um zu arbeiten, gehe in ein Restaurant, um etwas zu essen und bestelle mir, vollkommen ohne drüber nachzudenken, Alkohol. Als ich das Glas in der Hand hatte, wusste ich, dass jetzt bald wieder Schmerzen und Probleme kommen würden - aber es war mir scheissegal.
Zwei bis drei Tage habe ich es geschafft, das Craving untertags auszuhalten und dann Abends ca. mit einer Flasche Wein ins Bett zu gehen. Und dann hatte es mich wieder voll. Nach zwei Tagen - als nichts mehr reinging und ich wirklich verzweifelt war, kam wieder der Entschluss, zu entsagen. Also kiffte ich trotz aller "Nebenwirkungen" das Craving einigermaßen herunter. Erstmalig habe ich abends dann ein Alprazolam eingenommen, was mir mit Schlafen und der der daraus resultierenden Erholung sehr geholfen hat. Normalerweise hasse ich Tabletten, weil ich sehr wohl auch in der Luxus-Klinik erlebt habe, wie Scheisse es ist, von Benzos runterzukommen. Da ist Alkohol ein Spaziergang dagegen. Auch habe ich den Entschluß gefasst, dass ich jetzt wieder mit dem Kiffen aufhören will.
Ich will meine Kinder groß werden sehen. Verdammt.
Hatte aber keine Idee mehr. Ich hab doch schon alles probiert. Natürlich kann ich wieder zur Gruppe und zur Therapie gehen. Aber das wird nichts daran ändern, dass mein Hirn IMMER und IMMER wieder nach Belohnung schreien wird. Das ist Folter.
Und plötzlich kommt meine Frau mit einem Link zu einem Stern-Artikel in dem über Ameisens Buch berichtet wird. Ich habe mir es umgehend bestellt und in einem halben Tag und einer halben Nacht gelesen.
Ameisen ist noch viel "heftiger" drin gewesen, als ich das für mich beurteilen würde und seine Beschreibung seiner Gefühlswelt wie des Erlebten stimmen mit mir total überein.
Auch ich hatte die Vermutung, dass in meinem Kopf etwas nicht mehr stimmt. Dass mir einfach permanent im Vergleich durch meine Umwelt was fehlt. Ich habe das Gefühlt, dass es NICHT NUR etwas "Psychisches" ist, was mir fehlt. Selbst wenn ich mir ganz bewusst Gutes getan habe in meinen Abstinenzphasen hat es nicht "gereicht". Außer, es waren massive sexuelle oder "abenteuerliche" Erfahrungen. Genau das ist meine Vermutung, dass ich "stofflich" andere Maßstäbe habe. Mein Hirn fickt mich. Es versucht, die Ganze Zeit einen Stoff zu bekommen, es will ihn. Ich kann das - und langsam aber sicher kapituliere ich in dieser Form und nicht so wie AA es haben will - nicht beeinflussen.
Dem wird weder AA, noch eine andere Form von Therapie gerecht. Ich habe bei AA die Leute erlebt, die es 12 Jahre oder länger geschafft haben. Sie alle haben sich MEINER MEINUNG nach durch einen starken Glaubenswandel, einen uberproportionalen Egoismus und durch ein persönliches permanentes Mantra selbst manipuliert. Bis auf wenige Ausnahmen hat mich das an Selbstkasteiung erinnert, was für mich natürlich keine Option ist. Auch Sekten haben Menschen durch genau diese Methodik komplett umdrehen können und falls Organisationen wie AA diese Methoden einsetzen, um Gutes zu bewirken, finde ich es gut. Ich bin leider dafür weniger anfällig, wie für Alkohol.
Als ich jetzt von Ameisen gelesen habe, dass es einen Stoff geben könnte, der dauerhaft einnehmbar ist, verträglich und genau dieses Problem löst, hätte ich heulen können vor Freude. Endlich wieder Hoffnung wo überhaupt keine mehr war.
Sollen sich doch die "Traditionalisten" unter den Süchtigen und Suchttherapeuten das Maul zerreisen und von Ersatzdroge sprechen. Ich gönne es jedem, der es so schafft wirklich von ganzen Herzen. Ich bewundere diejenigen, die wirklich suchtmittelfrei leben können, obwohl sie süchtig waren. Ich erbitte mir jedoch genau die gleiche Toleranz beim Experiment mit einem Mittel, das allen, die sich nicht derart programmieren und selbst "zwingen" können, helfen könnte. Was und welche Nebenwirkung kann schlimmer sein, als Magenblutungen, Bauchspeicheldrüsenkrebs oder Leberzirrhose? Was vergleichen wir hier eigentlich miteinander?
Die Entgiftung vom Alkohol ist vorbei. Bis vorgestern habe ich noch gekifft. Gestern starkes Craving (nach Kiffen - nochmals anders als bei Alkohol) und dann Schlafen auf einer Alprazolam.
Ich habe heute meine Baclofen-Lieferung erhalten, ein Tagebuch angefangen und die ersten 6 mg gegen Mittag eingenommen. Ich möchte mich hier beteiligen und meine Erfahrungen ausstauschen.
...und wenn es hilft, was ich inständig, fest, verzweifelt hoffe, dann sehe ich es auch als meine Aufgabe an, entgegen allen Bewahrern so vielen Menschen wie möglich mit diesen Informationen zu helfen. Mir sind so viele liebe, gute, wertvolle Süchtige auf meinem Leidensweg begegnet und ich weiss mindestens schon von fünf, die daran gestorben sind.
Es wird Zeit, dass die Welt eine Lösung für dieses Problem hat. Und die wird nie allein spirituell aussehen können. Das spüre ich in meinem Kopf und meinem Bauch.
Liebe Grüße und auf ein harmonisches Miteinander.
Alexander