Hallo federico und all die Übrigen,
jetzt ist es auch endlich für mich mal an der Zeit zu schreiben und mich vorzustellen. Seit sehr langer Zeit lese ich still und heimlich hier im Forum mit, seit einigen Monaten bin ich angemeldet. Tut mir leid, dass ich mich erst jetzt vorstelle. Für mich ist das ein großer Schritt, weil ich die ganze Zeit mit mir selbst und meinem Alkoholkonsum gehadert habe (bin ich jetzt WIRKLICH abhängig???).
Ich bin 28, habe studiert, habe eine Arbeit , die mir Spaß macht und mich erfüllt, habe einen großen, tollen Freundeskreis, bin alleinstehend und habe keine Kinder. Alkohol gehört schon lange zu mir und meinem Leben. Ich bin die klassische Wochenendtrinkerin. Angefangen hat alles - wie bei so Vielen - mit dem Trinken auf Partys. Gute Stimmung, Spaß, mit Leuten ungehemmt reden, … Seit etwa 2-3 Jahren wurde es dann so schlimm, dass ich meine ersten Blackouts hatte. Für mich absolut schrecklich. Meistens ging so eine Nacht am nächsten Tag mit Ängsten und depressiven Verstimmungen einher. Was um Gottes Willen habe ich bitte gestern Nacht noch angestellt?? Mit welchen Leuten hab ich mich unterhalten??? Und bitteschön ÜBER WAS? Hab ich vielleicht sogar mit jemandem rumgeknutscht??? Schrecklich diese Ungewissheit. Und natürlich die Erkenntnis, dass ich mich doch anscheinend in einer Suchtspirale befinde und die nächste Stufe der klassischen Leiter hinabgestiegen bin. Die Ängste und das schlechte Gewissen wurden im Laufe des letzten Jahres dann so groß, dass ich vereinzelt (zum Glück wirklich nur seeeehr selten) bereits am nächsten Morgen wieder was getrunken habe um mich einigermaßen zu beruhigen. Natürlich – wer hätte es gedacht – hat das nur kurzzeitig Linderung gebracht. So dämlich. Noch mehr zu trinken, obwohl man weiß, dass man sich in dieses Schlamassel ja nur durch die Sauferei gebracht hat. Ich habe dann angefangen an mir zu arbeiten (ich versuche meine Wochenenden oft im Voraus zu planen - mit irgendwelchen TAGESaktivitäten, damit man dann am Abend auch schön früh ins Bett gehen kann (bin ja jetzt auch keine 18 mehr). Auf eine Party mit dem Vorsatz zu gehen „heute betrink ich mich und hab einfach nur Spaß“ ist aber überhaupt nicht mehr möglich, weil der Abend dann eigentlich immer mit einem Filmriss endet. Ab und zu habe ich, bzw. trinke ich (früher öfters als aktuell, aber wirklich nicht allzu oft) auch allein unter der Woche. Wenn ich mich über irgendwas aufrege, gestresst bin von der Arbeit, wenn ich einfach grad nur mal richtig glücklich bin, oder manchmal auch einfach nur so, weil mir langweilig ist. Ängste spielen bei mir seit meiner Jugend eine große Rolle, seien es soziale Ängste, Angst davor (beruflich) nicht gut genug zu sein und Fehler zu machen, Angst von anderen nicht gemocht zu werden, Angst zu versagen, Angst langweilig zu sein und natürlich Angst davor die Alkohol-Sucht-Spirale immer weiter hinab zu rutschen. Das Meiste hat sich in den letzten Jahren zum Glück sehr gelegt (ich habe und arbeite immer noch an mir ), bis auf den letztgenannten Punkt.
Auf Baclofen bin ich vor ca. zwei Jahren gestoßen, als ich ein Interview mit O. Ameisen bei Günther Jauche gesehen habe. Habe mir den Namen des Medikaments gut gemerkt, weil ich diese Entdeckung einfach nur absolut unglaublich fand. Irgendwann (das hat aber noch sehr viele Monate gedauert, ich hatte nachwievor die Hoffnung, ich würde diese Suchtgeschichte konservativ in den Griff bekommen) habe ich angefangen, mich damit näher auseinanderzusetzten (Buch gekauft, mich im Internet informiert). Dann habe ich irgendwann den Entschluss gefasst, es selbst zu testen (das hat wirklich sehr lange gedauert, deshalb auch das lange heimliche Mitlesen hier im Forum
). Seit letzten Montag bin ich dabei. Bis vorgestern nahm ich Baclofen in einer Dosierung von 6,25 mg 3 x tgl, dann Steigerung auf 12,5 mg 3 x tgl. Ich muss sagen, ich bin wirklich (und das nach so kurzer Einnahme!!) überwältigt. Zwar war ich sie letzte Woche über nicht absolut Craving-frei, jedoch war es nicht schwer dem Verlangen zu kontern. Hatte letzte Woche viel vorweihnachtlichen Arbeitsstress, war an einem Abend so unglaublich genervt, bin heim gekommen und wollte sofort los in den Supermarkt (habe nie Alkohol zu Hause, weil ich genau weiß, dass das nicht gut für mich ist). Das war eine klassische Situation, in welcher ich mir gerne mal einen Schluck Wein zum runterkommen gönne. Dieser ganze Vorgang war einfach schon so absolut konditioniert! Bis ich plötzlich zu mir selbst gesagt habe: „Moment, was geht denn da jetzt grad mit mir ab? Ich will doch eigentlich gar nichts trinken, das muss doch jetzt nicht wirklich sein!“. Dann bin ich einfach zu Hause geblieben, hab gespült, Tee getrunken und alles war gut. NIEMALS hätte ich mich (ohne Baclofen) so einfach und problemlos, ohne einen innerlichen Kampf austragen zu müssen, bremsen können. Wäre schnellstmöglichst Einkaufen gefahren, hätte mir Wein gekauft, wäre umgehend wieder nach Hause gefahren und hätte ihn dann rasch in mich hineingeschüttet bis Ruhe in mein chaotisches, durch den ganzen Stress ausgelöstes Denken aufgetreten wäre. Eine ähnliche Situation hat sich auch gestern Abend in Gesellschaft zugetragen. Gestern Abend wurde mir das erste Mal (durch diese, zwar aktuell noch nicht totale, aber doch vorhandene Gelassenheit gegenüber Alkohol) richtig bewusst, dass ich ohne Baclofen mittlerweile doch schon einen nicht so kleinen Kampf gegen das Alkohol-Verlangen führen muss (die Sucht hat mich wahrscheinlich schon mehr im Griff als mir lieb ist). Ansonsten hab ich eigentlich keine Nebenwirkungen, war in der ersten Woche mal einen Tag lang äußerst gut gelaunt, am nächsten Tag mal wieder etwas schlechter. Alles aber im „normalen“ Umfang. Keine Ahnung, ob das jetzt dem Baclofen zuzuschreiben ist, oder nicht (solche Stimmungsschwankungen kennt ja jeder).
Gut, das wars jetzt erstmal
. Schön, dass es euch gibt! Ach Frederiko, was ich dich noch fragen wollte: Hast du vielleicht irgendwelche Papers zu Nebenwirkungen nach der Langzeiteinnahme von Baclofen (gibt ja anscheinend einige MS-Patientin die das Medikament schon Jahre, wenn nicht Jahrzehnte über einnehmen).
Ach so ja, und noch was. Bitte seid mir nicht böse, wenn ich nicht so oft schreibe, aber eigentlich bin ich eher etwas schreibfaul. Geb mir aber Mühe!
Schöne Grüße, Xenia.