Baclofen Forum vs Alkoholismus

Hallo Betty, Federico und alle anderen,

habe die letzten 14 Tage mind. 10 Std. mit Headset am Computer gesessen → Hotline Quartalsabrechnung. War zwar fast täglich im Forum zu Besuch (hat mir sehr gut getan!!!) aber zum Schreiben keinen Nerv mehr – abends nur noch den AUS-Schalter gesucht. War totaler Stress wie immer, hat mich aber nicht fertig gemacht, wie sonst immer. Wird mir beim Schreiben gerade noch mal erschreckend gegenwärtig: Ich bin seit der Abrechnung 4/10 regelmäßig danach halb tot zum Entzug im Krankenhaus gelandet – manchmal auch schon während der Abrechnung – das letzte Mal April 2012 (nach 1/12) -> diesmal werden sie ohne mich auskommen müssen .
Ich kann es noch gar nicht richtig fassen – meine Frau, Kollegen und einige Kunden sicher auch nicht - dank Oliver, Forum u. Baclofen!
Aber wenn ich tiefer schaue: Baclofen war die Grundlage o. Voraussetzung, um den Kreislauf zu durchbrechen. Wichtig ist auch, dass ich jetzt (klar) achtsam u. vorsorglich mit mir umgehen u. nützliche Techniken aus Therapie u. Büchern nutzen kann, z. Beisp. abends bewusst Stress abbauen und runterkommen. Habe versucht, mich so oft wie möglich zu belohnen, z. Beisp. Radtour, Spaziergang, Yoga, schön Essen gehen, …. und bin morgens früher aufgestanden, um mich mit kl. Meditation auf den Tag einzustimmen. Genuss ist das Gegenteil von Sucht (u. damit auch von Stress)! Alles einfache Sachen, die wirklich funktionieren – aber nur nüchtern!!!
Hätte noch einiges zu bemerken aber noch reicht die Zeit nicht. Mache nächste Woche Mini-Urlaub (noch eine Belohnung!) und bin dann wieder aktiv im Forum dabei.
LG tom

Hallo Tom

Wenn ich Deine Vorstellung nochmals lese und nun diesen Bericht, da kann ich nur sagen: Unglaublich, was Baclofen für ein ungeahntes Potential in sich birgt, wenn es auf fruchtbaren Boden stösst! Ich spüre Deinen Wunsch, wirklich aus dieser Spirale rauszukommen. Die beste Voraussetzung, dass es seine volle Wirkung entfalten kann.
Wenn ich mir vorstelle, wie kurz eigentlich meine "Alkoholkarriere" war und das mit Dir vergleiche - ja, ich weiss nicht, wie viel ich da überhaupt mitreden darf. Und dennoch, die Sucht und damit das Craving hatten auch mich schon voll erwischt.

Diesen Satz werde ich auf meinen Weg mitnehmen:
Im Grunde genommen liegt das Gute meist näher als man denkt. In der Euphorie des Alkohols ist jedoch der Massstab so arg verzerrt, dass man es in der Illusion des Rausches zu finden glaubt. Bis am nächsten Morgen... dann geht das Spiel von Neuem los.

Danke für Deinen eindrücklichen Bericht.
Ich wünsche Dir einen schönen "Mini-Urlaub" mit meditativen Momenten

LG moonriver

Hallo Tom,
wollte dir einfach nur sagen dass ich hier deine Geschichte von Anfang an verfolge. Deine Erfolge haben mich mit motiviert mit Bac zu beginnen und mich hier anzumelden. Thanks! LG Dalantai

Danke dalantai,
irgendwie tut es der Seele doch gut zu hören (sprich: Lesen), wenn das, was mann hier eingetippt hat, jemanden helfen kann. Sage nur: Das Forum lebt und hilft !!!!!!!!
Weiterhin viel Erfolg.
LG tom

PS: Was bedeutet eigentlich "Dalantai"? Ist das 1. Mal, dass ich im WEB nicht richtig fündig geworden bin. Richtung Mongolei?

Hi Tom,
Respekt! Richtig getippt, bin schon oft in Asien und speziell in der Mongolei gewesen und meine mongolische Frau trägt diesen Namen. Bin auch sonst mehr "östlich" eingestellt (Lebenseinstellung, Philosophie), nur das Nichtvertragen von Alkohol habe ich leider nicht übernehmen können (ist aber auch mehr in Südostasien und nicht in Zentralasien). Ja, dass Forum hilft und wird für mich fester Bestandteil auf meinem Weg (den ich hoffentlich genauso meistern werde wie du). LG Dalantai

Hi Dalantai,
das ist ja lustig: wenn das der Name Deiner Frau ist, konnte ich ja nichts finden! Meine Lebenseinstellung hat übrigens auch östliche Tendenzen. Ein weiterer Grund, die Verbindung zu halten. Gruß an die echte Dalantai - tom

Hi Tom,
Dalantai ist eigentlich der Name des Vaters, sie heißt Tumenjargal. Es gibt in der Mongolei keine Familiennamen sondern man bekommt einen Rufnamen und den Rufnamen des Vaters. Wenn du z.B einen Sohn mit Namen Eric hättest, hieße er in der Mongolei Tom Eric. Wir halten auf jeden Fall den Kontakt LG Dalantai

Hallo Freunde,

3 Monate unter Baclofen sind um, 3 Monate (fast) nüchtern, 3 Monate ein neues, lang ersehntes, erfülltes Leben. Für mich und alle, die mit mir zu tun haben, ein nicht mehr erwartetes Wunder. Zeit also, eine kleine Bilanz zu ziehen.
Ich glaube nicht, dass es notwendig ist, hier den Unterschied zwischen einem "besoffenen" und "nüchternem" Leben zu erläutern. Trotzdem einige Aspekte zum "nüchternem": Freude an Arbeit, Freude am Leben, aktives Interesse an Beziehungen (Frau, Freunde, Kollegen, Forum, ….) - letztendlich ist es einfach nur die Teilnahme am ganz normalen Leben im HIER und JETZT.
Ich sehe heute auch ganz deutlich, was das Leben mir zu bieten hat und was mir alles entgangen ist und was ich alles noch tun müsste. Am liebsten alles gleichzeitig und jetzt (heute) tun! Aber das birgt eine Gefahr, weil ich unmöglich "heute" alles aufholen o. erledigen kann, was ich jahrzehntelang nicht geschafft habe. Geschafft habe ich übrigens in diesen 3 Monaten schon mehr als in den letzten 3 Jahren. Probleme sind keine Probleme mehr sondern nur noch simple Entscheidungen! Gott sei Dank habe ich jetzt auch die Gelassenheit, nicht alle offenen Probleme (Entscheidungen) gleichzeitig klären zu wollen – da ist noch so vieles offen. Ich gehe es ganz ruhig an und nehme mir eins nach dem anderen vor und befrage vorher meinen Bauch, wozu ich gerade Lust habe → habe ja genügend Auswahl (übrigens eine sinnvolle Erfahrung aus AA-Literatur). Hätte ich weiter getrunken, hätte ich übrigens von allen Problemen (Entscheidungen) nichts gewusst → auch nicht schlecht.
Und noch eins: Bac schafft die Grundlage, dass der bis dahin ziemlich aussichtslose Kampf gegen Sucht, Craving gewinnbar ist. Aber dann heisst es zu leben. Und das bedeutet u. U. auch einige Umstellungen im Leben. Ich sage nur eins: Genuss. Schafft euch so viel Belohnungen wie möglich, z.B. Sport, Essen, Liebe, Yoga, Meditation, ... Wir haben es uns verdient. Es hat auch etwas mit Freiheit zu tun. Solange ich in der Alk-Spirale hing, war der Begriff "Freiheit" ein Lacher - es gab ihn nicht. Heute habe ich die Freiheit, wieder alles selbst zu machen und für mich und andere zu entscheiden.

Das klingt alles irgendwie nach Märchenbuch: Am Ende bekommt Prinzessin Prinz und die ganze Welt ist heil und in Ordnung → aber ich kann leider nichts anderes sagen: unter Bac ist es so für mich.

LG tom

PS: Ach ja – nicht nur Märchen-eia-popeia, ich hatte 3 Rückfälle in den 3 Monaten. Wobei "Rückfall" für mich früher totalen Absturz bedeutete. Unter Bac würde ich eher so formulieren: Rückfällchen, Episoden, Vorkommnisse (für 1-2 Tage). Ich hatte was getrunken, aber es hat sich in keiner Weise gelohnt – es war total überflüssig. Ich habe diese Episoden noch nicht richtig verdaut, möchte noch gerne etwas darüber nachdenken, um sie für mich und für euch richtig formulieren zu können → wahrscheinlich am nächsten Wochenende.

Lieber Tom, in diesem Fall sprechen wir von einem Vorfall oder Lapse (Ausrutscher). Rückfall (Relaps) würde nach internationalen Kriterien als „Rückfall in alte Verhaltensweisen“ wie vor Beginn der Baclofentherapie definiert. Vorfall ist keineswegs als Verharmlosung zu verstehen, sondern als deutlicher Fingerzeig auf ein (noch) ungelöstes Problem oder auch ungenügende Dosierung.

Vielleicht ist auch die Sichtweise „Kampf gegen den Erzfeind“ ein Punkt über den es sich lohnt nachzudenken (aussichtsloser Kampf gegen Sucht, Craving). M.E. kann Kampf keine Lösung sein, Loslassen böte sich an, alte Kungfu-Weisheit. Mit Baclofen muss man nicht mehr kämpfen vor allem nicht in aussichtsloser Position.

Gratuliere zu den ersten 3 Monaten Deines neuen Lebens.

LG Federico

Ich hatte das Technische vergessen: ich habe z.Z. auf 25 mg Bac runter dosiert (4 x 1/4). Fahre momentan gut damit und fühle mich stabil. Zu absehbaren hektischen Lebens- und Arbeitsphasen werde ich etwas höher gehen - bis 50 mg - hat sich bei mir bewährt. Träume immer noch extrem viel und deutlich. Ansonsten keine Nebenwirkungen. LG tom