Hallo Fallada,darüber schreiben kann ich und werde ich dann jetzt auch tun.
Tagebücher sind geduldig.
Wenn ich das von den Gummibärchen lese, denke ich schon, dass ich in meinem Umgang mit Triggern und Gegenwehr
noch einiges zu differenzieren habe.
Global zu sagen, es hilft kurzfristig gegen Traurigkeit, Wut, Einsamkeit, Verzweiflung, Frustration, Müdigkeit, Unruhe und Angst,
reicht wohl noch nicht ganz.
Bisher habe ich noch wenig Ahnung, was mir helfen kann.
Ich weiß nur, dass ich es hinauszögern kann. Ein paar Tricks gibt es da schon.
Und dass das Hinauszögern dann dabei hilft, dass ich dann eher wieder aufhören kann.
Und ich weiß, dass Selbstvorwürfe mich nicht weiterbringen.
Dieses Wissen rutscht sogar langsam vom Kopf in den Bauch, was der weiteste Weg der Welt ist.
Hallo Kunor,danke Dir für diesen Link. Ich bin geschockt und besorgt.
Insbesondere wegen des letzten Abschnittes.
Zwischen dem 10. und dem 18. Lebensjahr entsteht im Gehirn die Fähigkeit Bedürfnisse zu verschieben.
Nie mehr später. Bei diesen Patienten kann Baclofen nur marginale Erfolge erzielen.
Ich habe mit 10 Jahren angefangen regelmäßig zu rauchen.
Mit 13 habe ich begonnen Bier zu trinken. Wir hatten da eine illegale Verkaufsstelle in der Straße.
Nicht weit weg von unserer Wohnung.
Dort wurden keine Fragen gestellt.
Man konnte sogar einzelne Zigaretten da kaufen, wenn das Geld für eine ganze Schachtel nicht gereicht hat.
Einmal habe ich mein Radio bei meiner großen Schwester gegen zwei Zigaretten getauscht.
Bier habe ich hauptsächlich getrunken wenn ich traurig oder wütend war.
Ich bekam davon ein so schönes inneres Gefühl. Trost und Wärme.
moonriver hat geschrieben:
Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass es sich hierbei um eine Art "Sehnsucht" oder "Heimweh" handelt. Etwas tief in der Seele, welches durch den Rausch zu leben beginnt, leider der einzige Weg, meint man...
Es hat nie wer gemerkt.
Es war auch nicht so viel.
Mit 16 war ich dann bei den illegalen Drogen. Politoxikomanie.
Alles was ging. Aber körperliche Abhängkeit weitgehend vermieden.
Ab 17 war ich dann Drehtürenpatientin in der Psychiatrie.
Beginnend mit einer Psychose.
Jahrelang im Wechsel von exzessivem Drogen- und Alkoholmissbrauch, Depressionen, Selbstmordversuchen, Zwangseinweisungen und auch freiwilligen Aufenthalten in der Geschlossenen.
Man hat verhindert, dass ich mich umbringe, aber Hilfe zum Leben gab man mir nicht.
Mich hatten alle längst aufgegeben. Ärzte, Pflegeteam, Familie.
Totgesagte leben länger.
Heute bin ich seit 20 Jahren im Job. Und erfolgreich dort.
Das war der erste Ort in dem man mir sagte, es sei gut, dass ich da bin und gut, was ich tue.
Das hat meine Motivation bis heute dort aufrecht erhalten.
Und das sagt mir bis heute: Ich kann, wenn ich will.
Wie schön, dass das Schopenhauerzitat vom Tun und dem Wollen in dem Text auch auftauchte.
Ich bin lange weg von Benzodiazepinen, illegalen Drogen, Essstörungen, Selbstmordversuchen und Zwangseinweisungen.
Meine Ärztin wundert sich auch, dass das Craving nicht weg geht bei mir.
Es gibt einen kleinen Anteil Menschen, bei denen Baclofen nicht wirkt.
Vielleicht gehöre ich dazu, weil ich so früh mit dem Konsum begonnen habe?
Ich weiß es nicht. Aber noch weigere ich mich, das hinzunehmen.
Es wirkt ja nicht nicht. Ich trinke weniger. Ich arbeite wieder an mir.
Ich habe wieder Hoffnung und den ehrlichen Wunsch aufzuhören.
Ich verändere Dinge in meinem Leben, nehme meine Bedürfnisse wieder ernst.
Aber eine Gleichgültigkeit gegenüber dem Alkohol kann ich mir bisher nicht mal vorstellen.
Es bleibt beim Hinauszögern, reduzieren, einzelne Tage ohne und es ist alles in allem ein ziemlicher Kampf.
Aber der Kampf ist nicht sinnlos. Das war er nie. Nur sehr anstrengend.
Lieber Moonriver,das mit dem Papier hat was, ich finde das überhaupt nicht antik.
Schreiben war immer mein Reden.
Ich schreibe auch Briefe. Manchmal schicke ich sogar einen ab.
Ich habe inzwischen einen ganzen Kasten mit Tagebüchern.
Tagebücher, Bilder, Briefe - alles von mir hatte ich immer wieder in Anfällen des Selbsthasses zerstört und vernichtet,
aber irgendwann habe ich die Bücher dann aufgehoben.
Diesen Kasten lasse ich lieber zu. Ich bin ehrlich unschlüssig, was ich damit machen soll.
Ein Teil von mir wünscht sich, das alles zu vernichten. Abzuschließen damit.
Eigentlich ist da nichts dabei, woran ich mich gerne erinnere. Viel Elend.
Meine Tagebücher waren der Raum, in dem ich ungestraft sein durfte was ich bin.
Das ist nicht sehr erhebend.
Aber Schreiben werde ich weiter. Es ist schön, jemanden zu treffen, der das auch tut.
Ich kenne niemanden sonst, der das tut oder weiß es zumindest nicht von wem anderen.
Danke für Eure Unterstützung. Es ist gut, hier nicht alleine gelassen zu werden. Auch wenn mein Fall etwas schräg gelagert ist.
Verglichen mit den meisten anderen ist mein Alkoholkonsum gering.
Trotzdem kann ich mir nicht wirklich vorstellen, dass irgendwer gerne mit mir tauschen möchte.
Wenn es wer will...gerne. Ich gebe ihm zwei Tage in meinen Schuhen.
Baclofen vs Alkohol trifft auf mich zu wie auf alle anderen hier.Tut mir leid, dass es daneben noch so viel anderes ist.
Ich rede halt auch fast nie über diese Dinge. Es überfordert die Menschen.
Macht sie sprach- und hilflos und "betretenes Schweigen" ist eine schreckliche Antwort.
Liebe Grüße
Wild Child