... und weil die Fahrt im ICE doch noch eine Weile dauert, jetzt mal was "off topic". Das heißt, eigentlich ist es gar nicht so off topic, hat es doch auch etwas mit meinem Suff zu tun.
Der Mann zieht ja nun zum 1. April aus. Sagt er jedenfalls. So richtig konkret wird er da nicht, murmelt meist eher was davon, dass er da dann erst einmal sein Büro hat und auch ein Bett reinstellt und dann gucken wir mal ... Er ist wie ein Pudding, der sich nicht an die Wand nageln lässt.
Freitagfrüh, in der Hektik des Aufbruchs, hab ich mal wieder gemerkt, warum die Trennung absolut richtig ist: Wir leben in unterschiedlichen Zeitzonen. Er so mehr in der "kommste heut nicht, kommste morgen" - ich selbst bin auf dem Planeten "Zack, zack!" zu Hause. Hatte ihm Donnerstagabend gesagt, dass ich um PUNKT acht aus der Tür muss, damit ich meinen Zug bekomme. Er wollte das Töchterlein am Morgen fertig machen und mich dann mit ihr zum Bahnhof bringen, hat dann wieder ewig rumgetüdelt, so dass es schließlich 8.15 Uhr war und ich den Zug gerade so eben noch bekommen habe. Dadurch gab es natürlich Stress und Hektik, was mir vorgeworfen wurde, er machte ein Riesendrama daraus. Ist jetzt egal und vielleicht auch eine Kleinigkeit, aber letztlich scheitern Beziehungen wohl an solchen Kleinigkeiten ... (Stichwort: Wer bringt den Müll vor die Tür?)
Aber noch mal zurück zum Anfang, er und ich: Wir kamen zusammen, als meine Tochter gerade ein halbes Jahr alt war. Er: Extrem gutaussehend, charmant, weltoffen, spirituell, im übertragenen Sinne der Typ Mann, der abends am Lagerfeuer Gitarre spielt. Fand ich natürlich toll (bis ich irgendwann auf den Trichter kam, dass ICH leider so gar nicht die Frau bin, die abends gern am Lagerfeuer sitzt und jemandem beim Klampfen lauscht, das war alles nur in meiner Vorstellung davon, wie das Leben so zu sein hat, toll).
Leider war er von Anfang an extrem eifersüchtig, vor allem auf den Kindsvater (der allerdings in Süddeutschland lebt und nur alle 6 bis 8 bis 12 Wochen überhaupt mal auftaucht). Ich hatte anfangs mal zu ihm gesagt, mir sei "der Kindsvater abhanden gekommen". Damit hatte ich gemeint, dass wir uns getrennt haben - nicht, dass der Vater meiner Tochter unter einen Laster geraten ist. Tja, damit ging es eigentlich von Anfang an problematisch los, denn mein Freund wünschte sich relativ offen, dass der Vater meiner Tochter komplett verschwindet (oder eben unter den Laster kommt). Aber so geht das natürlich nicht, und jedem erwachsenen Mann, der sich auf eine Frau mit Kind einlässt, muss das ja eigentlich auch klar sein. So saß ich oft zwischen den Stühlen, habe versucht, sowohl dem Kindsvater als auch meinem Freund gerecht zu werden – und hab meine Überforderung mit der Situation dann eben oft „weggesoffen“. Vermeintlich weggesoffen, denn geändert hat meine Trinkerei an der Problematik natürlich nichts.
Mit der Zeit wurde es immer schwieriger, denn ich merkte schnell, dass mein Freund sich eher eine Sunni 2.0. wünscht. Eine, die jeden Tag joggen geht. Die sich ausschließlich gesund ernährt. Die nicht so viel Cola Light trinkt, die ordentlicher ist, die weicher und weiblicher ist und weniger laut, mein Humor wurde oft als "platt" bezeichnet. Oder er machte sich generell über mich lustig, ich sei ein Spinner und eine Verrückte. Ich habe dann mal zu ihm gesagt, dass er eben "arte" ist und ich "RTL II". Das ist zwar übertrieben, aber so ungefähr passt es. Und damit habe ich auch kein Problem, ich habe zwei Uni-Abschlüsse und einen Job, der zu 99 Prozent aus reiner Denkarbeit besteht - da darf ich auch mal "Dschungelcamp" oder sonstigen Schwachsinn zum Kopfentleeren gucken, ohne sofort der geistigen Verdummung anheim zu fallen. Es wurde bemängelt, was ich lese (gern Thriller), meine Freunde waren alle genau solche "Knallköpfe" wie ich ... Nun ja, mit der Zeit wurde ich immer kleiner und kleiner und kleiner und schlich nur noch mit hochgezogenen Schultern durch die Gegend.
Und ich fing mit dem Saufen an. Ich hab schon früher nicht ins Glas gespuckt und hatte ja auch schon einen Entzug hinter mir. Auch vor meinem Freund hatte ich also ein problematisches Verhältnis zum Thema Alkohol. Die tagelangen Abstürze, das sich tagsüber ins Koma Trinken, fing da aber erst mit dieser Beziehung so richtig an. Natürlich kontraproduktiv, denn damit setzte ich mich ja noch mehr ins Unrecht, denn jetzt war ich ja nicht nur NICHT Sunni 2.0., sondern auch noch die besoffene Sunni.
Um es kurz zu machen: Die Krux war, dass ich aber neben der Tatsache, dass ich die versoffene Schlampe bin, gleichzeitig auch diejenige war, die den ganzen Laden am Laufen hielt (und hält). Er zog nach drei Monaten Beziehung bei meiner Tochter und mir ein, das ist jetzt 3,5 Jahre her. Und seitdem hat er, lasst mich nicht lügen, vielleicht 6 Mal was zur Miete beigetragen. Urlaube habe fast immer ich allein finanziert, dazu blieb die komplette Organisation, was das tägliche "Grundrauschen" betrifft, allein an mir hängen. Damit meine ich alles rund ums Kind organisieren (Kinderarzt, Kita, Verabredungen, Geburtstage, Windeln alle, Socken zu klein, Mütze weg, und, und, und), Strom/Wasser/Gas anmelden, ablesen, bezahlen, Versicherungen, mit der Vermieterin Dinge klären, Reparaturen in der Wohnung, blah, blah, blah ... Am Wochenende war ich viel mit der Lütten allein, denn ER musste immer arbeiten (ist auch selbständig), eigentlich war er IMMER im Stress. Und es ist auch nicht so, dass dabei nichts rumkommt, nur ist er in seiner Buchhaltung total chaotisch, so dass er sehr, sehr hohe Außenstände hat. Und dann eben DOCH nichts dabei rumkommt, was ja auch nicht sein muss, denn Sunni zahlt ja alles. Hö, hö.
Er hat es tatsächlich mal fertig gebracht, mir zu sagen, seine Mutter habe sich ganz allein um drei Kinder gekümmert. Da konnte ich nur lachen und ihn darauf hinweisen, dass seine Mutter allerdings auch nie gearbeitet hat, was ich hingegen in Vollzeit tue. Und ich habe ihm vorgeschlagen, dass wir gern das „ganz traditionelle“ Modell fahren können und ich mich mit Freuden um Kind und Haushalt kümmere, wenn er dann im Gegenzug die Kohle ranschafft und ich mich damit nicht weiter beschäftigen muss. Wollte er, seltsamerweise, aber dann auch nicht ...
Nun ja, mit der Zeit haben wir uns immer mehr gestritten, manchmal auch so doll (vor allem, wenn ich getrunken hatte; er hingegen ist ein ziemlicher Choleriker), dass RTL II nicht mehr weit entfernt war. Ich hab ihn dann auch ganz charmant mal als "Löffel" bezeichnet, der nichts auf die Reihe kriegt - er hingegen zog natürlich immer die Alki-Karte. Dass eben alles nur so schwierig sei, weil ich ja Alkoholikerin bin.
Seit zwei Jahren sind wir eigentlich gar kein Paar mehr, ich schlafe im Gästezimmer und bin froh, wenn ich vor seinen Vorträgen à la Oberlehrer meine Ruhe habe (seine Lieblingsbeschäftigung ist, mir Links zu irgendwelchen Artikeln oder Filmen im Netz zu schicken, die mich über die Schädlichkeit von Süßstoff/die Wichtigkeit von Meditation und Achtsamkeit/böse Massentierhaltung/Bladiblah aufklären). Ich wollte einen Partner – und hab mir einen selbsternannten Guru eingetreten, der ungefragt an mir herumerzieht. Er ist, wie es eine Freundin von mir nannte, auf eine gewissen Art passiv-aggressiv, sehr dominant unter dem Deckmantel der Beseeltheit.
Der eigentliche Ansporn, es diesmal mit der Abstinenz zu schaffen, ist, mich von ihm zu befreien. Ihm zu zeigen, was 'ne Harke ist und dass ich ihn nicht brauche. Denn natürlich hat er in den Zeiten, in denen ich abgestürzt bin, dann "unsere" Tochter aufgefangen. Und sie ist auch der einzige Grund, warum ich das überhaupt so lange mitgemacht habe. Als Partner ist er eine Vollkatastrophe - als Papa ist er sensationell. Sehr, sehr liebevoll und zugewandt, meine Tochter und er kleben aneinander wie Pech und Schwefel, das wollte ich nicht kaputt machen.
Aber mittlerweile sind die Spannungen zwischen uns so schlimm, dass ein Zusammenbleiben der Kleinen mehr schaden wird als eine Trennung. Ich respektiere meinen Kerl nicht mehr (Stichwort: Löffel), er wünscht sich eine Frau, die mehr „Frau“ ist. Was natürlich irgendwie schwierig ist, auf traditionellen Rollenverteilungen zu beharren, aber andererseits der Frau das finanzielle und organisatorische Feld komplett allein zu überlassen.
Nun, so sieht es jedenfalls hier aus. Und obwohl ich weiß, obwohl ich WEISS, dass diese Beziehung überhaupt keinen Sinn mehr macht, sind da natürlich Ängste. Sunni, allein zu Haus. Ist das vielleicht doch ein Fehler? Trenne ich mich gerade von einem Kerl, der soooo übel gar nicht ist? Und dann? Ist mir fast peinlich, das zu schreiben: Aber dann bin ich 45 und allein mit Kind – war es das dann? Für Abende auf der Reeperbahn bin ich zu alt. Und zu müde. Und zu alkoholkrank. Single-Börsen im Internet? Grusel, GRUSEL! Also, das treibt mich jetzt nicht wirklich um, momentan bin ich einfach nur froh, wenn ich meine Ruhe habe – aber in einsamen Momenten denke ich darüber dann eben doch nach. Wie gesagt, ist mir etwas peinlich, aber so ist es halt. Ich bin – ähm, darf man das so schreiben? Egal, ich mach das einfach – ganz hübsch. Hab jedenfalls weder einen Buckel noch ziehe ich ein Bein nach. Dazu beruflich erfolgreich und einigermaßen helle im Kopf. Aber meine bisherige Lebenserfahrung sagt mir, dass das nur bedingt Attribute sind, die Männer wichtig finden.
Noch viel wichtiger als meine „Huah!, bald bin ich wieder Single“-Gedanken: Wie wird das nach unserer Trennung mit der Lütten? Auch da will er sich nicht festlegen. Heftet sich einerseits an die Brust, dass er der Superpapa ist – kann aber andererseits nicht sagen, wie er sich seine „Vaterrolle“ nach unserer Trennung weiter vorstellt. Will er die Kleine relgelmäßig sehen, ihr bei sich in der neuen Wohnung auch einen Platz einrichten, sich kümmern wie ein „richtiger“ Papa? Oder eher so nach dem „Schaumerma“-Prinzip? Neulich, als ich mal wieder versuchte, von ihm eine klare Aussage zu bekommen, führte er doch tatsächlich an, er würde auf keinen Fall Single bleiben wollen – und auch, wenn er es nicht ausgesprochen hat, hing ein greifbares „Und wer weiß, ob das Kind eine neue Frau in meinem Leben stören wird? Es ist ja nicht mal meins!“ hing in der Luft. Da war ich mal wieder kurz davor, ihm ein weiteres „Du Löffel!!!!!“ um die Ohren zu hauen ... Oder mich zu betrinken.
Well, vor zwei Wochen habe ich ihm gesagt (da war ich schon auf Bac und endlich mal wieder erstaunlich klar), dass er sich bis zu seinem Auszug am 1.4. (so er denn dann überhaupt auszieht) festlegen muss, wie er sich das vorstellt. Nicht meinetwegen, sondern, weil das Kind eine VERLÄSSLICHE Aussage braucht. Mit „ich guck mal, wie es mir passt“ kann ich hier nicht arbeiten, wenn er das so handhaben will, ist er raus. Nicht aus niederen Rache-Gelüsten, sondern einfach, weil ich meiner Tochter kein Hin und Her und keine Ungewissheit antun will. Dann lieber der harte Schnitt, damit wird sie auf Dauer besser leben können als mit einem Kerl, der mal da ist und mal nicht, nach keinem für sie erkennbaren Schema.
Das mal kurz zwischen Berlin und HH von der Seele getippt.
Liebe Grüße, Sunni
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