Baclofen Forum vs Alkoholismus

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 Betreff des Beitrags: Neuvorstellung aus Berlin
BeitragVerfasst: Sonntag 20. März 2016, 10:52 
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Registriert: Samstag 19. März 2016, 23:34
Beiträge: 2
Ich glaube, ich bin bereits als alkoholabhängiger Mensch geboren worden.
Die Dysphorie, von der Olivier Ameisen in seinem Buch schreibt, habe ich schon
als Kind gespürt, ebenso wie er.

Bevor ich den Alkohol entdeckte, hatte ich Probleme mit dem Essen. Ich habe gehungert. Weil aber der Alkohol so eine so umwerfende Wirkung auf mich hatte, da er mich auf irgendeine Weise aus der Welt holen konnte, in der ich mich so unwohl fühlte, nahm ich lieber ein paar Pfunde mehr in Kauf, als auf meinen Seelentröster verzichten zu müssen.

Mein ganzes Leben ist bis heute darauf ausgerichtet, dass ich immer trinken konnte. Heute, mit 40 Jahren, bin ich mit einem alkoholabhängigen Mann verheiratet, habe einen Beruf, der es mir erlauben würde, zu trinken. Ich konnte mir, bis vor ein paar Jahren, genauso, wie es auch Olivier Ameisen gesagt hat, ein Leben ohne Alkohol schlichtweg nicht vorstellen. Die abendliche Flasche Wein, manchmal auch mehr, bedeutete eine Loslösung von der Welt, in der ich mich so selten wirklich zu hause fühlen kann. Ich wußte - unbewusst - , wie gefährlich mein Verhalten war, denn ich wollte mir meine Gläser auf gar keinen Fall verspielen, indem ich zu viel trank. Ich durfte die Grenze nicht überschreiten, um mir den Alkohol zu bewahren.

Meine Gedanken kreisen täglich um Alkohol und Essen. Das Essen ist wie eine Ersatzdroge. Es ist schrecklich. Seit einigen Jahren habe ich den Alkoholkonsum merklich reduziert. Ich habe den Tageskonsum auf Wochenkonsum gestreckt. Ich trinke nicht mehr aus Gewohnheit, sondern nur noch, wenn das craving mich übermannt.

Als ich das Buch von Olivier Ameisen gelesen habe, war ich über Tage sehr aufgewühlt und konnte nur schwer schlafen. Ich hatte zum ersten mal das Gefühl, dass etwas mir helfen könnte. Und zwar nicht nur beim Alkohol, sondern bei allen oralen Ersatzbefriedigungen, inklusive Rauchen und Essen. Ich leide seit einiger Zeit unter abendlichen Fressatacken und leide fürchterlich darunter.

Ich bin so aufgeregt, weil ich mir nicht vorstellen konnte, jemals da rauszukommen, mit einem Medikament zumal! Mir ist auch bewusst geworden, wie sehr ich unter Verspannungen leide; inneren und äußeren Verkrampfungen und Verdauungsproblemen, was auch mit verhärteter Muskulatur, also Angst, einhergeht. Das ich depressiv bin, muss ich kaum erwähnen. Die besagte Dysphorie war der Beginn einer schleichenden Depression, die sich mit dem anhaltenden Alkoholabusus verstärkt hat. Therapie und Analyse habe ich gemacht, selbstverständlich. Aber es ist noch kein Durchbruch.

Bevor der Alkohol mein Leben beherrschte, war ich sehr asketisch. Noch heute ist mein Ideal und mein wahres Selbst ein gesundheitsbewusster Lebensstil. Als ich meinen Konsum ganz langsam runtergefahren habe, hat es mir sehr geholfen, gleichzeitig wieder auf Fleisch zu verzichten. Ich war lange Jahre schon Vegetarierin gewesen und wollte es wieder sein.

Ich habe nach den ersten frühen erlösenden und tröstenden Erlebnissen mit dem Alkohol keine anderen Drogen ausprobiert, weil ich instinktiv zu ahnen schien, wie sehr ich darauf ansprechen würde. Ich fand, ich hätte schon genug Laster.

Es war eine Befreiung für mich, als ich mir vor ein paar Jahren meine Abhängigkeit eingestanden habe. Ich habe es nun endlich akzeptieren können und bin über jeden Tag dankbar, an dem ich nicht trinke. Ich bin mir ganz sicher, dass Baclofen mir auf den letzten Schritten zur Abstinenz helfen kann.

Von meine trinkenden Freunden habe ich mich gelöst. Ich versuche, mir ein gutes Umfeld zu schaffen mit Menschen, von denen ich lernen kann, wie man ein erfülltes Leben leben kann ohne Substanzmißbrauch betreiben zu müssen. Ich trinke gerne am liebsten alleine zu hause, bzw. mit meinem Mann. Er ist Pharmazeut und Apotheker, ich bin Künstlerin und wir kenn uns schon sehr lange. Er ist noch nicht so weit, sich seiner Abhängigkeit zu stellen, obwohl es auch bei ihm offensichtlich ist. In unseren beiden Familien gab es etliche Fälle von Alkoholabhängigkeit, Depression und Persönlichkeitsstörungen.

Mein Mann ist der einzige, abgesehen von meinen Ärztinnen und Ärzten, denen ich mich gegenüber geoutete habe. Ich hoffe, ich kann meinem Mann ein mutmachendes Beispiel sein. Es ist so verwunderlich, dass er, der viel besser informiert ist und die Schachteln Baclofen in seiner Apotheke liegen hat, überhaupt nicht der Meinung zu sein scheint, dass eine Behandlung auch für ihn in Betracht kommen könnte.

Ich habe ihm das Buch von Olivier Ameisen und die aktuelle Studie der Charité geben, aber er ist noch nicht so weit, sich seine Sucht einzugestehen. Er kann auch nur schwer maßhalten beim Essen, ebenso wie ich. Ein unersättliches Verlangen bei mir und ihm scheint uns zu beherrschen; bei mir noch das andere Extrem zwischen Askese und Völlerei - bis ich platze.

Mein Mann schießt sich in den letzten Monaten regelmäßig in den Abgrund, wenn er am nächsten Tag nicht arbeiten muss. Das ist schrecklich. Wenn ich böse mit ihm bin, dann hält er mir natürlich immer mein ehemaliges Pensum vor und sagt, ich hätte das doch genauso getrieben. Unsere Beziehung ist gut, aber die Zeit ist gerade nicht einfach für uns, weil ich nicht mehr die alte sein will, bzw. zurück zu meinem wahren Kern möchte, was in etwa so wäre, wie die alte zu sein - aber wieder in unschuldigem Gewand. Mit der Abstinenz wäre es vielleicht so, als wenn ich meine Unschuld wieder bekommen würde. Wie auch immer; keine Metaphysik mehr, sonder Pharmakologie!


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 Betreff des Beitrags: Re: Neuvorstellung aus Berlin
BeitragVerfasst: Sonntag 20. März 2016, 12:54 
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Beiträge: 8253
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Hallo und Herzlich Willkommen im Forum!

Annabelle hat geschrieben:
Ich glaube, ich bin bereits als alkoholabhängiger Mensch geboren worden.

Das glaube ich auch, obwohl wissenschaftliche Beweise hierzu fehlen.
Wird einem Dysphorie in die Wiege gelegt? ich glaube Ja. Die Frage ist, kann ich gegensteuern,
kann ich etwas ändern. Viktor Frankl, Begründer der 3. Wiener Schule nach Freud und Adler,
hat viele Bücher über Depressionen geschrieben. Eines der besten, das ich in diesem Kontext
gelesen habe war Das Leiden am sinnlosen Leben.

Erstaunlich finde ich Deine Willensstärke, die es ermöglicht hat, den Alkoholkonsum
auf ein Minimum zu reduzieren. Sicher eine gute Ausgangsbasis für den Einstieg, in die
Baclofentherapie. Aufgefallen ist mir bei Deiner Vorstellung, Dein hoher Anspruch an
Dich selbst. Es kann unter Umständen sehr belastend sein, ständig nach Perfektion zu
streben, obwohl es gesellschaftlich ein hohes Gut ist. Ein Patentrezept wie man Alkohol –
und nach und nach – andere ungesunde Verhaltensweisen eindämmt, gibt es meines
Wissens nicht wirklich. Besser ist es womöglich sich mit manchen Unzulänglichkeiten
abzufinden und sich einfach keinen Kopf mehr zu machen.

In Frankreich gibt es einige Fallbeispiele von Frauen, die Alkoholismus und gleichzeitige
Eßstörungen erfolgreich mit Baclofen behandeln konnten. Sie hatten allerdings alle einen
Psychiater an ihrer Seite, der mit Baclofen erfahren war und sie über Jahre begleitet hat.

Annabelle hat geschrieben:
Therapie und Analyse habe ich gemacht, selbstverständlich.

So selbstverständlich ist das bei Weitem nicht. Vielleicht überlegst Du dir, mit Baclofen die
Therapie fortzusetzen denn, die Gedanken werden klarer und die Kommunikation mit
Therapeuten ist deutlich konstruktiver. Für beide Seiten übrigens. Es kann vielleicht gut
sein, sich einen neuen Therapeuten zu suchen der/die Lösungsorientiert arbeitet.

Eines brauchst Du sicher nicht, eine Arztadresse in Berlin der Baclofen verschreibt. :D
Du hast alle Vorteile in Deiner Hand, inklusive den Apotheker im eigenen Haus.

Annabelle hat geschrieben:
Wie auch immer; keine Metaphysik mehr, sondern Pharmakologie!

Gute Einstellung, worauf wartest Du noch? In Fragen der Dosierung gibt Dir das Forum
zeitnahe Antworten. Dosierungstabelle und Königsweg hast Du sicher schon gelesen.

LG Federico

.

_________________
„Es gibt keine Alternative zum Optimismus,
Pessimismus ist Lebensfeigheit.“
Richard David Precht


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 Betreff des Beitrags: Re: Neuvorstellung aus Berlin
BeitragVerfasst: Sonntag 20. März 2016, 13:03 
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Moderator

Registriert: Montag 10. September 2012, 02:35
Beiträge: 1386
Willkommen und danke für deine offene, berührende Vorstellung.

Ich bin sicher: du schlägst den richtigen Weg ein und ich wünsche dir
viel Glück dafür!

_________________
VG

Am Ende wird alles gut und wenn es nicht gut wird, ist es nicht das Ende


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 Betreff des Beitrags: Re: Neuvorstellung aus Berlin
BeitragVerfasst: Sonntag 20. März 2016, 13:55 
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Registriert: Samstag 19. März 2016, 23:34
Beiträge: 2
Lieber federico,

ich brauche unbedingt einen Arzt, denn mein Apotheker gibt mir grundsätzlich
nur Baclofen gegen Rezept und unter ärztlicher Begleitung. Darüber haben wir gestern
gerade gesprochen. Außerdem kann ich die Kosten mir sonst nicht erstatten lassen.

Ich freue mich also sehr über die Liste der Ärzte in Berlin!

Vielen Dank für deine guten Gedanken und Ideen. Von Viktor Frankl habe ich auch
schon was gelesen. Sehr beeindrucken!

Viele liebe Grüße,
Annabelle


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 Betreff des Beitrags: Re: Neuvorstellung aus Berlin
BeitragVerfasst: Sonntag 20. März 2016, 14:26 
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Beiträge: 8253
Wohnort: München
@Annabelle,

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LG Federico

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Richard David Precht


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 Betreff des Beitrags: Re: Neuvorstellung aus Berlin
BeitragVerfasst: Sonntag 20. März 2016, 23:59 
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@Annabelle: Da der Beitrag offensichtlich mit einer Textverarbeitungssoftware erstellt wurde, habe ich mir erlaubt die Absätze entsprechend anzupassen ;)

Willkommen im Forum.

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 Betreff des Beitrags: Re: Neuvorstellung aus Berlin
BeitragVerfasst: Montag 21. März 2016, 17:13 
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Registriert: Sonntag 7. Oktober 2012, 13:56
Beiträge: 1015
Wohnort: Saarland
Hallo Annabelle,

herzlich willkommen im Forum. Dein Vorstellungsbeitrag hat mich tief berührt.
Alles Gute für dich und deinen Mann. Will er sich vielleicht auch hier anmelden ?

GLG, Werner

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„Wer den Hafen nicht kennt, in den er segeln will, für den ist kein Wind der richtige.“.
Seneca


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