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Re: Neuer Lebensabschnitt

Montag 5. November 2018, 11:25

Liebe Fallada,

ich war an meinen Sehnsuchtsorten, am Meer und in den Bergen. Mit Unterbrechungen, die sich nicht vermeiden ließen. Die Zeit war wichtig.

Weiterhin: kein Verlangen, keine Option. Momentan ist es weiter tief verankert, so präsent, dass das keine Lösung ist. Den schönen Rausch habe ich ja nie erlebt. Ich habe mich schon vor meiner abhängigen Zeit in Grund und Boden geschämt, wenn ich "nur" beschwipst war und ich war mehr die Problemtrinkerin. Ängste weg trinken, dunkle Gedanken weg trinken, Gedankenkarrusell stoppen, endlich mal schlafen können, immer wieder probiert, obschon es schon lange nicht mehr funktioniert hat. Heimtückische Krankheit! Mit dem Rausch verknüpfe ich keine Leichtigkeit. Diese Erinnerungen an die negativen, rabenschwarzen Gedanken und Gefühle rund ums Trinken, die ab und zu auftauchen tun mir gut, schützen mich. Ich vermisse nichts und hoffe, dass das so bleibt. Kippen kann das. Aber jetzt genieße ich es, dass es mir auch in kritischen Situationen, leicht fällt nicht zu trinken. Das gibt mir eine tiefe, innere Zufriedenheit, auch Dankbarkeit, ein Vetrauen, in mich und das Leben.

Jetzt kommt die kritische Zeit. Achtsamkeit ist gefragt, es gilt wieder ohne Depression über die dunkle Jahreszeit zu kommen. Tageslicht, Vitamin D und wenn es nicht reicht, ein AD. Besser als tief rein zu rauschen, dann wird es schwerer. Aber bislang bin ich optimistisch, dass ich das ohne AD hinkriege, so, wie letztes Jahr. Das wäre dann schon die halbe Miete.

Re: Neuer Lebensabschnitt

Montag 5. November 2018, 19:53

Liebe Juli,

Schön, dass du dir deine Auszeit so gestalten konntest, wie du es gebraucht hast.

Ja, das mit dem Älterwerden ist so eine Sache. Es ist gar nicht so leicht, sich einzugestehen, dass man abbaut. Auch ich merke, dass ich körperlich bei weitem nicht mehr so viel leisten kann wie in jungen Jahren. Und auch mit der geistigen Belastbarkeit war es schon einmal besser – allerdings auch viel, viel schlechter, nämlich in der Zeit, als der Alkohol mich in seinen Fängen hatte. Ich wünsche dir sehr, dass es da für dich einen gangbaren und nicht allzu schmerzhaften Weg gibt, insbesondere, was Operationen anbetrifft.

Familie ist auch kein einfaches Thema. Mir hilft, in Zeiten, wo ich das Gefühl habe, meine ganze Energie wird mir genommen, mich daran zu erinnern, wie es sich anfühlt, Distanz einzuhalten. Dann kann ich doch etwas distanzierter sein.

Schön, wirklich sehr schön, dass es mit dem Alkohol so gut für dich läuft.
Juli hat geschrieben:Aber jetzt genieße ich es, dass es mir auch in kritischen Situationen, leicht fällt nicht zu trinken. Das gibt mir eine tiefe, innere Zufriedenheit, auch Dankbarkeit, ein Vetrauen, in mich und das Leben.
und so soll es auch bleiben, das wünsche ich dir sehr. Und die dunkle Jahreszeit, ja die werden wir wohl alle hoffentlich gut überstehen. Auf jeden Fall ist gut, zu wissen, dass man nicht alleine ist.

Ganz viele und liebe Grüße
Fallada

Re: Neuer Lebensabschnitt

Montag 5. November 2018, 20:11

Liebe Fallada,

deine Hinweise, sich an Gefühle zu erinnern sind sehr hilfreich. Das setz Ressourcen frei und verleiht Stabilität. Ich übe! Mit dem Alkohol klappt es gut, auf anderen Gebieten müssen im übertragenen Sinne noch mehr "Muckis" wachsen.

Trifft im übrigen auch auf mich zu, dass ich schon mal beweglicher war, auch im Kopf, aber dass es weit besser ist als noch vor 4 Jahren mit dem hohen Konsum. Manche Sachen fallen mir sogar wieder deutlich leichter. Guter Hinweis, der auch gute Laune macht!

Fallada hat geschrieben:Und die dunkle Jahreszeit, ja die werden wir wohl alle hoffentlich gut überstehen. Auf jeden Fall ist gut, zu wissen, dass man nicht alleine ist.


Da kommen wir gut durch! Gemeinsam! Bin sehr zuversichtlich.

GLG

Re: Neuer Lebensabschnitt

Freitag 7. Dezember 2018, 20:09

Die dunkle Jahreszeit war so dunkel gar nicht, was das Wetter anging, aber ich hatte lausige Wochen. Eine Hiobsbotschaft nach der anderen, Sorgen, Ängste, Tränen, schlaflose Nächte. Es kam knüppeldick. ABER: ich habe kein einziges Mal dran gedacht, mich zuzudröhnen.

Dass ich nie in Erwägung gezogen habe zu trinken kam mir erst hinterher. Und es war gut so, kann ich die Entwarnung und Erleichterung und Dankbarkeit genießen. Könnte ich anderenfalls nicht, da würde ich gegen Kater, Schuldgefühle, Depri und Co. ankämpfen.

Fazit: ohne den falschen Fuffzger Alk ist unser Leben viel reicher, nicht einfacher, aber bunter und intensiver, kein Rausch der Welt kommt an das High von unvernebelter, tief empfundener Freude und Dankbarkeit ran.

In diesem Sinne wünsche ich euch ein schönes 2. Adventswochenende.

Re: Neuer Lebensabschnitt

Sonntag 9. Dezember 2018, 09:47

Liebe Juli,

Du hast meinen ganzen Respekt, wie du das meisterst! Und: Alkohol kann dir nichts mehr anhaben, du hast ihn besiegt. Was leider natürlich nichts daran ändert, wachsam sein zu müssen, aber die Wachsamkeit ist dir wohl mittlerweile in Fleisch und Blut über gegangen, funktioniert bereits unbewußt. Wie schön!

Wünsche dir einen sehr, sehr schönen Sonntag
LG Fallada

Re: Neuer Lebensabschnitt

Sonntag 9. Dezember 2018, 20:48

Danke, liebe Fallada :ymhug: ,

ohne die Sucht verharmlosen zu wollen, ist der Griff zur Flasche auch ein Stück weit Gewohnheit. Je länger wir dem Alkohol fern bleiben, desto schwächer wird der automatische Impuls zum "Lösungsmittel" greifen zu wollen. Es lohnt sich am Ball zu bleiben, manche Durststrecke auszuhalten. War es selbstverständlich zu trinken, wird es mit der Zeit selbstverständlich Alkohol nicht ins Leben zu lassen. Trotzdem können wir immer wieder in Situationen geraten, die uns aus der Bahn tragen. Die gewonnene lebenswerte Zeit bis dahin kann uns aber keiner mehr nehmen, ebenso wenig, wie das Wissen um die Möglichkeiten wieder aus der Krise raus zu kommen!

Re: Neuer Lebensabschnitt

Sonntag 9. Dezember 2018, 21:20

Liebe Juli
Juli hat geschrieben:kein Rausch der Welt kommt an das High von unvernebelter, tief empfundener Freude und Dankbarkeit ran
Sehr to the point; die tief empfundene Freude und Dankbarkeit kann erst in unvernebeltem Zustand richtig wahrgenommen werden.

LG

Patrick

Re: Neuer Lebensabschnitt

Mittwoch 12. Dezember 2018, 13:51

Liebe Juli,

finde ich total super, wie Du auch schwierige Situationen - ohne auch nur an Alkohol zu denken - meisterst!!! :hutab:

Juli hat geschrieben:Fazit: ohne den falschen Fuffzger Alk ist unser Leben viel reicher, nicht einfacher, aber bunter und intensiver, kein Rausch der Welt kommt an das High von unvernebelter, tief empfundener Freude und Dankbarkeit ran.


Davon bin ich leider noch weit entfernt!!! Ich empfinde mein Leben, wenn ich etwas länger trocken bin, eher umgekehrt... Es gibt für mich zurzeit nichts, was den Rausch oder Kick von früher ersetzen kann.... es ist sehr, sehr anstrengend.... von Freude keine Spur....

Freue mich für Dich, liebe Juli! Wie lange bist Du jetzt ohne Alkohol?

Liebe Grüße
Manuela

Re: Neuer Lebensabschnitt

Mittwoch 12. Dezember 2018, 18:32

Kornblume hat geschrieben:Davon bin ich leider noch weit entfernt!!!


Liebe Manuela,

vielleicht bist du aber auch schon ganz knapp davor. Ich habe lange Anlauf genommen, bis ich die Hürde genommen habe.

Die Phasen, in denen es anstrengend ist, freudlos, leer, bedrückend, kenne ich auch. Irgendwie, irgendwann ist in mir aber die tiefe Gewissheit gereift, dass mir Alkohol da nicht hilft. Nach dem Rausch ist nichts anders, nichts besser. Im Gegenteil. War Alkohol früher ein probates Schlafmittel, ließ er mich schlaflos werden und unruhig, ließ er mich früher innere Leere und Einsamkeit für eine Weile vergessen, machte er mich nur noch freudlos benommen, ließ er mich früher aktiver werden und durchstarten, wenn ich Durchhänger hatte, machte er mich nur noch antriebslos, furchtbar müde und unfähig, mich zu konzentrieren, schlafen ließ er mich aber nicht, ließ er mich früher mutig sein, machte er mich nur noch klein und verzagt und auch Ängste und Depressionen verschärfte er bis zum Unerträglichen. Die Wirkung von früher gibt es nicht mehr, nur noch die Nebenwirkungen. Also kann ich es auch lassen.

Natürlich gibt es da Situationen, in denen ich wünschte, ich hätte so ein wirksames "Medikament", wie er mal war. Habe ich aber nicht. Diese Erkenntnis, dass nichts besser wird, nur schlechter, machte mich bisweilen auch hilflos. Da muss man geduldig mit sich sein, langsam umlernen, neue Wege finden, sich mit der Situation zu arrangieren und sie zu lösen, soweit, als möglich.

Momentan geht es mir nicht gut. Ich habe nahe am Wasser gebaut, es braucht nicht viel, um mich ängstlich zu stimmen. Aber Alkohol würde das nur verschärfen, so oft probiert, so oft erfahren. Es hilft nichts, das muss anders gehen.

Dazu kommt, ich finde es auch einen großen Schritt, weniger zu trinken. Nur kann ich das nicht, die Nebenwirkungen, siehe oben sind einfach zu fatal. Auch vom Typ her kann ich das nicht. Es fällt mir leichter gar keine Schokolade zu essen, als nur ein Rippchen. Soll heißen, es muss nicht die Abstinenz sein, weniger ist auch ein Erfolg, den man sehen und sich selber anrechnen soll, der jede Anerkennung verdient. Da hat sich doch bei dir viel getan!

Anfangs habe ich mir immer gesagt, erst die nächste Therapiestunde, danach kann ich immer noch trinken wenn ich will. Bis dahin hatte ich den Anlass meistens längst vergessen. Mir hat es geholfen, mir Alkohol nicht generell zu verbieten, aber zu vertagen. Ich habe mir auch nie vorgenommen, nie mehr zu trinken, das halte ich für unrealistisch. Schön wäre es, aber wer weiß schon, was das Leben noch so vorhat, mit einem.

Es braucht einfach Zeit.

Re: Neuer Lebensabschnitt

Donnerstag 13. Dezember 2018, 23:07

Liebe Juli,

freudlose Benommenheit trifft es sehr gut. Alkohol ist ein Freudenräuber und ein Parasit, den man wider besseres Wissen platznehmen und sich von ihm ausbeuten lässt. Zurück bleiben Leere und Selbstvorwürfe. Es gibt kein richtiges Leben im falschen.

Bitte bleib standhaft, liebe Juli. Du bist vielen hier ein Ansporn und ein großer Mutmacher, selbst dann, wenn es dir selbst nicht so gutgeht. Ich wünsche dir von Herzen, dass du diese kritische Zeit gut überstehst und es bald wieder aufwärts geht.

Herzlich :-h
Dieter
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