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Wissensstand 1977 und heute?

Dienstag 21. Februar 2012, 19:06

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Liest man diesen Spiegel-Artikel aus dem Jahr 1977 zum Thema Alkoholismus, hat man abgesehen von den Namen der genannten Suchtspezialisten das Gefühl, es handelt sich um einen aktuellen Artikel von heute.

Gut, die Zahl der Kliniken die sich auf Alkoholismus-Reha spezialisiert hat ist explodiert. Die bereits damals geschätzten 30 Milliarden DM volkswirtschaftliche Kosten sind heute in EURO angegeben, also gleichgeblieben und die Zahl der Abhängigen (1,9 Mio) ist auch in etwa gleich geblieben. Ein paar Statistiken hin- oder hergeschönt, im Grunde alles statisch geblieben.

Das Abstinenzparadigma ist unverändert im Umlauf auch wenn Karl Mann seit 2000 sagt: Abstinenz ist nicht mehr das Ziel. Alkoholikern begegnet man innerhalb der Gesellschaft mit der unverändert gleichgebliebenen Verachtung und man fragt sich schon, was hat eigentlich die Suchtforschung in 35 Jahren gemacht?

Heute das erste Glas stehen lassen? Auch da hat sich nichts geändert, bzw. hätte sich nichts geändert wenn nicht Baclofen aufgetaucht wäre. 30 Jahre Stillstand und ergebnislose Forschung bis ein einzelner Mann, Arzt, Alkoholiker, diesen Zustand nicht als Gott gegeben hinnehmen wollte.

Olivier Ameisen hätte es für sich behalten können und gut. Dass er es an die große Glocke gehängt hat, ein Buch geschrieben hat, ist sein eigentliches Verdienst – man sollte ihm dafür dankbar sein.

Stattdessen ist es für grenzdebile Zeitgenossen ein Grund zu lästern obwohl sie davon profitieren. Mit einem Minimum Resthirn wäre zu erkennen: ohne Ameisen kein Baclofen für Alkoholiker – Addolorato würde heute noch Ratten damit füttern oder Menschen mit höchstens 30mg.

LG Federico

Re: Wissensstand 1977 und heute?

Dienstag 21. Februar 2012, 19:51

Da hast du recht.
Super geschrieben.
Sprichst mir aus der Seele.

Gruss K.Neumann

Re: Wissensstand 1977 und heute?

Mittwoch 22. Februar 2012, 10:02

@Federico,

dass Bac das Verlangen nach Alkohol deutlich reduziert bis ausschaltet ist unstrittig.

Die alte und unschöne Regel:

Heute das erste Glas stehen lassen


hat aber auch in Zeiten von Baclofen leider seine Berechtigung.
Ich weiß wovon ich schreibe.

Mag sein, dass sich das in einigen Monaten anders darstellt. Mir lag trotzdem daran das Thema aufzugreifen.
Ich weiß, dass es Dir darum ging darzustellen, dass Abstinenz nicht mehr (unbedingt) das Ziel ist. Aber ein wenig Sorge habe ich schon, dass manch einer allzu leichtfertig Deine ungewollte Einladung annimmt und mit "dem ersten Glas" zurückprostet.

LG
Obelix

Re: Wissensstand 1977 und heute?

Mittwoch 22. Februar 2012, 10:59

Aber ein wenig Sorge habe ich schon, dass manch einer allzu leichtfertig Deine ungewollte Einladung annimmt und mit "dem ersten Glas" zurückprostet.

Lieber Obelix,

diese Sorge teile ich schon sehr lange und habe deshalb schon oft genug auf das verhängnisvolles Missverständnis hingewiesen: Niemand kann ohne Regeln bedenkenlos Alkohol trinken, die Suchfunktion des Forums zeigt 122 Beiträge allein zu diesem Thema. 85% der nicht suchtgefährdeten Menschen haben ihre eigenen Regeln und sie halten sie auch ein.

Ganz offensichtlich benötigen gerade wir so etwas wie Königsregeln. Eine Grobrichtung an die man sich halten kann. In einem neuen Thread könnten wir gemeinsam die neuen Regeln nach und nach erarbeiten. Du bist herzlich eingeladen mit zu machen, Deine Erfahrung ist wichtig.

Für einige könnte die erste Königsregel möglicherweise lauten: „heute das zweite Glas stehen lassen.“ Das kann und muss nicht für alle und jede gelten, ein neues Regelwerk kann aber helfen, es für sich persönlich gefahrlos herauszufinden.

LG Federico
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