Sonntag 2. Mai 2010, 16:47
Gefährlicher Rauchstopp
von Ingrid Müller
Finger weg vom Glimmstängel: Rund fünf Millionen Raucher schluckten dafür die Nichtraucherpille Zyban. Doch die Tabletten haben schwere Nebenwirkungen
Seit knapp einem Jahr ist die Nichtraucherpille Zyban auf dem Markt. Rund fünf Millionen Menschen weltweit - darunter etwa 280.000 Deutsche - schluckten sie, um die Finger vom Glimmstängel zu lassen. Dass das Pille gegen die Nikotinsucht nicht ganz ohne Nebenwirkungen ist, war schon bei der Zulassung bekannt. Beispielsweise liegt das Risiko für epileptische Krampfanfälle bei 0,1 Prozent. Dennoch überraschen neue Erhebungen, nach denen " bestimmte Nebenwirkungen gehäuft auftreten",sagte Axel Thiele, Leiter der Bereichs Risikoverfahren beim Bundesinstitut für Arzneimittelsicherheit (BfArM) gegenüber NetDoktor.
Allein in Großbritannien gingen 5000 Meldungen zu Nebenwirkungen ein: gehäufte Krampfanfälle, Schwindel, Angst, Depression. Mehr als 40 Menschen starben sogar.
Jetzt haben die Arzneimittelbehörden der EU-Staaten die Anwendungsrichtlinien für Zyban verschärft. Laut Thiele sei es nicht ungewöhnlich, dass sich Nebenwirkungen erst nach einer Markteinführung zeigten.
"Ob die Todesfälle auf die Einnahme von Zyban zurückzuführen sind, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen", meint Thiele. Weniger dramatisch scheinen die Zahlen in Deutschland. Hier gingen 107 Verdachtsberichte zu Nebenwirkungen ein - darunter zwei Todesfälle und elf Menschen mit epileptischen Krampfanfällen. Die Zahlen in Deutschland und Großbritannien klaffen weit auseinander. Thiele vermutet: "Vielleicht haben deutsche Ärzte manche Fälle von Nebenwirkungen nicht gemeldet."
"Viele hätten Zyban nicht einnehmen dürfen"
Etwa 50 Prozent der Entwöhnungswilligen hätten Zyban mit dem Wirkstoff Bupropion auf Grund von Vorerkrankungen überhaupt nicht einnehmen dürfen, berichtet das britische Komitee für Arzneimittelsicherheit. Zu den Risikogruppen gehören vor allem Menschen, die gleichzeitig einen Alkohol- oder Benzodiazepin-Entzug machen. Ebenso sind Patienten, die unter Leberzirrhose oder Tumoren des Zentralen Nervensystems leiden, besonders gefährdet. Auch Raucher, die andere Arzneimittel wie Appetithemmer, und Insulin einnehmen, sollten kein Zyban oder nicht mehr als 150 Milligramm täglich Malariamittel, lautet jetzt die BfArM-Empfehlung. Bislang wurde die Zyban-Dosis am vierten Tag nach dem Einnahmestart verdoppelt - der Tag, an dem sich auch die meisten Nebenwirkungen bemerkbar machten. Das BfArM rät nun, den Körper langsamer an die Substanz zu gewöhnen und die Dosis erst am achten Tag zu verdoppeln. "Bislang gibt es noch keine Studien dazu, was eine spätere Dosiserhöhung bewirkt. Wir gehen aber von einer Verminderung der Nebenwirkungen aus", sagt Thiele.
Die Kritik von Experten geht auch in Richtung der Mediziner. "Die Ärzte haben nicht ausreichend aufgeklärt", findet Holger Sonntag, Experte für Raucherentwöhnung vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München. Seiner Meinung nach wüssten viele Ärzte selbst zu wenig über die Substanz und das verhaltenstherapeutische Begleitprogramm in Form eines Ratgeberheftes. Dieses ist speziell auf die nikotinfreie Nichtraucherpille zugeschnitten, aber viele Patienten bekämen den Ratgeber bei ihren Ärzten überhaupt nicht, kritisiert Sonntag. Wer jedem Zyban verschrieben habe, müsse jetzt einiges ändern, betont er. "Die Verschreibung geht nicht mehr so leichtfertig."
Quelle:
http://www.netdoktor.de/Magazin/Gefaehr ... -2673.html