Das kann doch nicht sein, dachte ich und muss nach mehrmaligem Lesen feststellen, doch es ist tatsächlich so. Endlich muss ich mich nicht mehr schämen wenn ich mal einen kleinen Fehler mache. Allerdings gibt es gravierende Fehler die einem Prof. Karl Mann nicht passieren dürfen. So wie z. B. die Zahl der alkoholabhängigen Menschen in Deutschland von 1,3 Mio mal eben auf 2 Mio anheben. Selbst Lundbeck gibt sie nur mit 1,6 Mio an und auch da bleibt die Quelle ungenannt.
Es kommt noch besser, schon die Frage ist verdächtig. Es geht um suchtunterdrückende, dämpfende Medikamente. Herr Mann nennt drei und als erstes nennt er ein Aversivum, namentlich geht es um Antabus und das dämpft ja nunmal gar nicht, sondern führt gelegentlich zu Aufenthalten auf der Intensivstation und manchmal auch zum Tod. Ich finde es geradezu perfide in diesem Zusammenhang von von einer verstärkten Nachfrage zu sprechen. Kommt denn wirklich niemand in den Sinn, wieviel Verzweiflung hinter dieser Nachfrage verborgen sein muss?
Beim zweiten Medikament handelt es sich um Acamprosat auf das er nicht näher eingeht und dann kommt Naltrexon, das in Deutschland gar nicht zugelassen ist, bedauerlicherweise.
Lesen wir weiter und erfahren wir, dass die Kicksucher gut mit Naltrexon bedient sind aber leider hilft es den Menschen die aus Angst und Stress trinken nicht so gut bis garnicht. Dann kommt das Hauptproblem: es liegt an den 2 Millionen die nicht zur Therapie gehen – nur 160.000 sind es jährlich. Ich frage mich da natürlich, was passieren würde wenn 2 Mio Abhängige beschließen würden, ich gehe jetzt in Rehab ...
Dann kommt eine Frage die ich so noch nie gelesen habe: „Der Mediziner Olivier Ameisen schwört auf ein Spastik-Medikament als ultimative Waffe gegen die Sucht. Er hat es im Selbstversuch getestet und ist damit vom Alkohol losgekommen. Was halten Sie von seinem Bericht?“
Häh... ? Spastik-Medikament, ich dachte eigentlich bisher immer man nennt es Muskelrelaxans. Das wird von Mann nicht korrigiert, er nimmt es dagegen zum Anlass auf den altbekannten Argumenten herumzureiten: „Es liefen Anträge für größere Studien, doch meines Wissens wurden diese abgelehnt, weil sie niemand bezahlen will.“ Warum das so ist, verschweigt er geflissentlich.
Na klar, es besteht ja auch kein Interesse seitens der Pharmaindustrie – da ist Nalmefene natürlich schon wesentlich interessanter. Dann kommt noch die schüchterne Frage der Interview-Partnerin, Anke Barth: „Könnte es trotzdem das Mittel der Zukunft gegen Alkoholsucht sein?“
Den Rest erspare ich mir, immer die selbe Leier jeder kann es selbst nachlesen. Die Argumentation ist m.E. eher emotional als wissenschaftlich fundiert. Es gibt obwohl von Mann so behauptet, keine Langzeitstudie über erfolgreiche Therapie mit Nalmefen und schon gar keine mit Acamprosat über mehr als 5 Jahre in der Nachverfolgung. Dass man es nach 6 Monaten absetzen könne und die Patienten nach Jahren abstinent blieben, ist nicht hinreichend belegt. Sollte ich etwas übersehen haben, bitte melden, ich korrigiere mich gerne.
Hier geht's zum Interview mit
Medica.de Irgendwie ein sehr ungleicher Kampf, es erinnert mich ein wenig an
David gegen Goliath. Da ist auf der einen Seite eine finanziell bestens ausgestattete „Suchtforschungs-Maschine“ die gut geschmiert von der Pharmaindustrie läuft und läuft und ... auf der anderen Seite sind 1,3 Millionen leidende Menschen denen nichts wichtiger ist als endlich Hilfe zu bekommen. Langsam muss ich mich fragen wem die Maschine eigentlich helfen will. Geht es um die Deutungshoheit was Sucht eigentlich ist? Sollte es nicht besser darum gehen, süchtigen Menschen einen Weg aus dem Jammertal zu weisen?
Und wenn das so ist, liebe Suchtforscher warum bekämpft ihr dann völlig unverständlicherweise jeden neuen willkommenen Ansatz, der zugegeben abseits der evidenzbasierten Medizin, zumindest ein Anhaltspunkt sein könnte? Olivier Ameisen hat mit seinem „Ende der Sucht“ nachweislich Tausenden diesen Weg aus dem Jammertal gewiesen. Und zwar genau denjenigen von denen ihr sagt, ihr Dopaminspiegel sei genetisch bedingt zu niedrig und da haben wir pharmakologisch nicht viel vorzuweisen.
Wir wissen auch nicht allzuviel. Aber was wir wissen ist, Baclofen hilft zu 75% denen, deren ursächliches Problem eine Angsterkrankung ist und zwar egal, ob sie es wissen oder ob es wie überwiegend bekannt, nie diagnostiziert wurde.
LG Federico