Seid gegrüßt
Werner1503 hat geschrieben:
Etwas ganz anderes: Ich habe mich schon oft gefragt, warum Ihr Schwyzer partout nicht Mitglied der EU werden und/oder den Euro einführen wollt ? Weißt du eine plausible Antwort neben dem "Neutralitätsgedanken" ?
Dann wage ich mich als Schweizer mal aus der Deckung. Ja, der Neutralitätsgedanke ist uns Schweizern sicher wichtig. Und klar gibt es in der EU auch andere neutrale Länder, Österreich fällt mir da grad ein, aber es gibt bestimmt noch das eine oder andere neutrale EU-Land mehr.
Unter Neutralität verstehen die Schweizer aber mehr, insbesondere Souveränität. Echte Neutralität sei nur mit wirklicher Souveränität möglich. Und da sind wir schon beim eigentlichen Thema. Das Schweizer Volk, der Schweizer, die Schweizerin, fühlt sich als Souverän, als derjenige, der bestimmt und regiert. Wir werden pro Jahr mindestens ein halbes Dutzend Mal zu den Urnen gerufen, um über Sach- und Personal-Dinge auf Kommunal-, Landes (Kantons-) und Bundesebene abzustimmen oder zu wählen. Wir nennen das, und andere nennen das „Direkte Demokratie“. Und eben diese sehen die Schweizer als gefährdet an, falls sie der EU beitreten, weil dann alles nur noch „von oben“ komme und dann die „Souveränität des Volkes“ verloren ginge.
Die „Souveränität des Volkes“ wird als Propanz quer durch alle Bevölkerungsschichten und quer durch die ganze Schweiz getragen. Natürlich gibt es auch Stimmen, und die auch gehört werden, dass z.B. das „Volk“ nicht immer recht hat. Das geben dann auch Hardliner zerknirscht zu, wenn sie mal an der Urne eine Sachabstimmung verloren haben *kicher*. Fakt ist, dass die Schweiz mit dieser „Souveränität des Volkes“ nicht schlecht gefahren ist, in den vergangenen Jahrzehnten, oder man kann schon fast sagen Jahrhunderten.
Unser politisches System kennt keine „Regierung“ und „Opposition“. Die Regierung, das Ministerkabinett (Bundesrat) ist paritätisch aus allen staatstragenden Parteien zusammengesetzt. Klar, im Parlament gibt es die Parteien, die Fraktionen, die immer wieder ad hoc wechselnden Koalitionen, und da fliegen auch immer mal die Fetzen. Davon darf sich aber die oben genannte Regierung, der Bundesrat (Ministerrat), nicht beeinflussen lassen. Er muss klug und paritätisch regieren. Tut er das nicht, kriegt er vom Souverän, dem Volk, eins auf die Mütze. Und zwar nicht nur alle vier Jahre, bei der Wahl der Zusammensetzung des Parlaments und der Regierung, sondern zu jeder Zeit, zu jeder Sache, zu der das Volk sich zu äußern wünscht. Dazu hat es mächtige Instrumente in der Hand, wie die Volksinitiative oder das Gesetzesreferendum. Klar die kann man als Einzelner nicht so einfach ergreifen, dazu braucht man starke Partner, wie Parteien, Verbände, große Interessengruppen etc. Aber die Regierung hat so was von Schiss vor dem „Volk“, dass die sich wirklich Mühe geben, nur „gute Regierung“ zu machen *kicher*
Mancher Schweizer verfällt dann auch dem Irrtum, dieses Schweizer Modell Anderen zu empfehlen. Aber das wird nicht funktionieren. Das Schweizer Modell funktioniert nur in der Schweiz, sonst nirgends. Wobei man sich z.B. in Deutschland auf Kommunal- und Landesebene durchaus mal direktdemokratische Instrumente bei den Schweizern abkupfern könnte *mein ja nur*
Die „Souveränität des Volkes“ ist auch in der Schweiz nicht in Stein gemeißelt. Es wird fast täglich darum gerungen. Rechtsbürgerlichen Kreisen geht es neuerdings darum, das „Schweizer Recht“ vor das „Allgemeine Völkerrecht“ zu stellen. Akzeptieren wollen die nur noch das „Zwingende Völkerrecht“. Viel Spaß beim Auseinanderdividieren dieser Begriffe. Aber uns Schweizern bleibt diese Auseinandersetzung nicht erspart, die Initianten meinen es ernst, und schon bald, in ein oder zwei Jahren, werden wir das Vergnügen oder die Last haben, darüber abzustimmen.
Die Schweiz wird immer mal wieder als das Demokratie-Modell schlechthin dargestellt. Dabei wird oft vergessen, dass wir in der Schweiz, ich wage zu behaupten demokratie-weltweit die miserabelste Beteiligungsquote aufweisen. Liegen nicht gerade Welt- oder Gesamtschweizerisch bewegende Themen an, bewegen gerade mal so um die maximal 30% der Wahl- und Stimmberechtigten ihren Allerwertesten zur Urne. Wenn es bei „großen Themen“ dann mal bis zu 50% sind, kommt das schon fast einer Sensation gleich.
Wo ich selbst in dieser ganzen Gemenegelage stehe? Na eben mitten drin *kicher* Politisch würde ich mich beim „Sozialen Liberalismus“ verorten. Im Gegensatz zu Deutschland sind in der Schweiz die
„Liberalen“ noch sehr lebendig, ja eigentlich staatstragend. Und dann springe ich halt auch immer mal wieder über den Zaun und grase bei den Sozis, den Grünen oder den Grün-Liberalen. Gute Argumente haben halt immer auch etwas Anziehendes *g*
DonQ