Seid gegrüßt,
und ganz herzlichen Dank an Werner und Trudi für die Fundstellen. Ich finde das Konzept eines „wearable device“ und der kontinuierlichen, praktisch in Echtzeit erfolgenden Messung des Blutalkoholgehaltes sehr interessant, deshalb habe ich jetzt auch mal ein bisschen nachgeforscht.
Wer hat den Forschungspreis ausgelobt?Ausgelobt hat den Preis im März 2015 das „National Institute on Alcohol Abuse and Alcoholism“ (
NIAAA). Das NIAAA wiederum ist Teil der US-Amerikanischen „National Intsitutes of Health“ (
NIH). Zweck dieses Forschungspreises war wie gesagt die Entwicklung eines Gerätes (Biosensor / Prototyp), welches „handlich und praktisch tragbar“ (wearable) ist, möglichst in Echtzeit und kontinuierlich den Blutalkoholgehalt misst, das auch aufzeichnet und die Daten an andere Geräte und/oder ins Netz überträgt. Zugesprochen wurde der Preis jetzt im Mai 2016, und zwar an die Firma BacTrack (
Pressemitteilung der Firma, 19.Juni 2016), einem der in den USA führenden Hersteller von Geräten für die Messung des Blutalkoholgehaltes via Atemluft.
Warum dieser Forschungspreis?Zweck des Forschungspreises war, der Forschergemeinde bessere Daten als die bisher üblichen Selbstauskünfte an die Hand zu geben.
Eigentlich gibt es solche Geräte in den USA schon lange, sie verfolgen jedoch einen anderen Zweck und werden vor allem im Justiz-System eingesetzt. Es handelt sich da im Grunde um nichts anderes als eine zusätzliche elektronische Fußfessel. Bekannt sind etwa Geräte der Firma Scram Sytems, z.B. das Modell
SCRAM CAM. „Cam“ hat übrigens nichts mit „Kamera“ zu tun, das Gerät misst den Blutalkoholgehalt transdermal, d.h. über die Haut. Auch in Deutschland wird über solche Geräte nachgedacht, so wie z.B. im Fachartikel „Clinical and legal aspects of and abstinence control by taking into special consideration of continuous transdermal alcohol monitoring“. Der
(englische) Abstract endet mit dem Satz: “This article presents an overview of the impact of a continuous transdermal alcohol monitoring on abstinence monitoring
and how this method can be embedded in the German System.” (Hervorhebung von mir). Das Konzept der sog. Staatlichen Führungsaufsicht ist ja in Deutschland
nicht fremd. Darum geht es aber bei diesem Forschungspreis nicht.
Wie funktioniert das Gerät?Zunächst einmal ganz bestimmt nicht in sekunden- oder minutengenauer Echtzeit („real time“), wie das Preisauslobung und Pressemitteilung der Firma (Links siehe oben) suggerieren mögen („With BACtrack Skyn, you can passively track alcohol consumption in real-time“). Das geht nämlich theoretisch und praktisch gar nicht. Was die technischen Spezifikationen anbelangt, zeigt sich die Firma BacTrack entsprechend wortkarg, respektive nichtssagend wortreich. Immerhin, wenn man leidlich danach sucht, erfährt man, dass das Messverfahren auf den über die Haut abgegebenen Alkohol beruht („BACtrack Skyn uses transdermal monitoring (via an electrochemical sensor) to track the ethanol molecules escaping through your skin“). Ob das dem neuesten Stand der (möglichen) Technik entspricht, darf man ja ruhig mal fragen.
Und da gibt es auch Antworten.
Die Firma Dräger, der führende Hersteller in Deutschland für Geräte, welche die Blutalkoholkonzentration via Atemluft ermitteln, schreibt (oder lässt schreiben?) in ihrer Hauspostille,
Drägerheft 392 (April 2013):
Drägers Hauspostille hat geschrieben:
In einem breit angelegten Forschungsverbund in den USA (Driver Alcohol Detection System for Safety; DADSS) werden optische Methoden mit Nah-Infrarotlicht (NIR) für Messgeräte in Autos erforscht. Diese elektromagnetischen Wellen im Frequenzbereich von 0,7 bis 2,5 μm dringen beim Berühren eines Sensors mit dem Finger bis zu fünf Millimeter tief in die Haut ein. Die Lichtstrahlen werden vom Gewebe reflektiert und analysiert. Aus der Lichtreflexion lässt sich die Gewebealkoholkonzentration ermitteln – und notfalls das Starten des Autos elektronisch verhindern. Ein Tischgerät auf Basis dieser Technologie, das TruTouch® 2500 von TruTouch Technologies, steht bereits zur Verfügung. Es soll präventiv in Hochrisiko-Arbeitsbereichen eingesetzt werden, um so sicherzustellen, dass auch jeder Mitarbeiter vor Beginn der Arbeit absolut nüchtern ist.
„Noch ist die Nah-Infrarot-Technologie nicht völlig ausgereift, aber sie zeigt interessante Möglichkeiten für die Zukunft auf“, sagt Dr. Sohège. Auch in Deutschland beschäftigt sich ein Unternehmen in Hamburg (Der malog Identification Systems GmbH) mit der Entwicklung der transdermalen Alkoholmessung auf Basis der Nah-Infrarot-Technologie. In ersten Versuchen konnte die Physikerin Clarissa Hengfoss zeigen, dass eine spektroskopische Messung des Gewebealkohols im Finger möglich ist. Allerdings ist die Methode in der Praxis durch technische Probleme – wie Lichtstreuungen im Gewebe, Überschneidungen der Spektrallinien von Alkohol mit denen von Eiweißen und Fetten sowie eine unbefriedigende Kalibrierung – noch sehr aufwendig. „Wir sind in der Entwicklung schon weit gekommen, aber bis zu einem alltagstauglichen Gerät dauert es noch“, sagt Geschäftsführer Günther Mull.
Wir haben da also die Konzepte „Alkoholabgabe über die Haut“ und „Optische Methoden mit Nah-Infrarotlicht (NIR) zur Messung der Gewebealkoholkonzentration“. Beide Verfahren werden allerdings nie eine sekunden- oder minutengenaue Aussage über den Blutalkoholgehalt in Echtzeit machen können. Mal sehen, welche Methode sich vielleicht irgendwann durchsetzt und den bisher üblichen
Schnelltest via Atemluft ablösen wird.
Was kostet das Gerät?Zur Kenntnis nehmen muss man leider, dass es
dieses „preisgekrönte“ Gerät noch gar nicht zu kaufen gibt. Erhalten hat die Firma BacTrack den Forschungspreis nämlich erst mal nur für einen Prototyp. Auf der oben verlinkten Seite kann man sich jedoch in einen Newsletter eintragen, der einen informiert, sobald das Ding auf den Markt kommt. Angesichts der anderen von der Firma angebotenen Geräte, und angesichts des anvisierten Massenmarktes, kann ich mir vorstellen, dass ein solches Gerät für ca. 100 - 200 US-Dollar gewiss seine Käufer finden wird. Immer vorausgesetzt natürlich, dass das Ding auch irgendwie verlässliche Resultate liefert!
AusblickeDer Forschungspreis macht IMHO Sinn. Ein solches Gerät für „Jedermann“, fernab von den Hemmnissen und Restriktionen des Strafverfolgungs- und Justiz-Systems, wäre tatsächlich wünschenswert.
DonQuixote