Albert Einstein hat geschrieben:
Das Denken der Zukunft muss Kriege unmöglich machen.
Nachfolgende E-mail hat mich heute erreicht und berührt. Ich kann sie Euch nicht vorenthalten.
Liebe Davids,
mit einem großen Kraftakt ist es doch noch möglich geworden, dass das NS-Dokumentationszentrum
rechtzeitig zum 70. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkrieges eingeweiht wurde.
Es ist an der Stelle errichtet worden, wo das "Braune Haus", die NS-Zentrale im Herzen Münchens,
bis zu seiner Zerstörung 1945 stand.
Aufstieg und Fall des Dritten Reiches - Wie es dazu kommen konnte, dazu ist sehr viel
geschrieben und gesagt worden - und doch bleiben viele Fragen offen, die uns umtreiben
und uns mit bleibender Fassungslosigkeit erfüllen. Keiner hätte es für möglich gehalten -
und doch konnte es geschehen: in dem unvorstellbar kurzen Zeitraum von nur 10 Jahren
(1923 - 1933) konnte eine aus dem Nichts entstandene Gruppe um einen bis dahin völlig
unbekannten, mittellosen Ausländer, im nur bedingt Autorität erheischenden Gefreitenrang,
unser, sich selbst als geistig-kulturelles Zentrum des christlichen Abendlandes verstehendes
Heimatland, und noch dazu auf demokratischen Wege, übernehmen und es, wie in "Mein
Kampf" angekündigt, in ein totalitäres Verbrecherregime überführen.
Dieses sog. "Tausendjährige Reich" schaffte es bis 1942, durch unglaubliche kriegerische
Erfolge, kometenhaft zu einer Weltmacht aufzusteigen und Europa zu beherrschen.
Mit diesen entfesselten infernalen Energien wurde eine beispiellose Vernichtungsmaschinerie
geschaffen, durch die 6 Millionen Juden, 6 Millionen Polen und 20 Millionen Russen den Tod
fanden. In den folgenden drei Jahren bis zum 8. Mai 1945 legte das verbrecherische NS-Regime
die Welt und schließlich auch sich selbst in Trümmer.
Das 12 Jahre alt gewordene "Tausendjährige Reich": Ein Mysterium der Destruktivität
kollektiven Wahns und barbarischer, alle sittlichen Grenzen sprengender Unmenschlichkeit!
Nur die "Gnade der späten Geburt" hat uns die Bewährungsprobe erspart: ob wir das
Wahrnehmungsvermögen, das Urteilsvermögen, den Mut und die Glaubenskraft besessen
hätten, in diesem höllischen Inferno der Stimme der Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe und
Barmherzigkeit zu folgen, und dafür auch in letzter Konsequenz bereit gewesen wären,
unser Leben zu opfern, wozu einige wenige Menschen (wie Dietrich Bonhoeffer, Rupert
Mayer, Geschwister Scholl, Georg Elsner) bereit gewesen sind?
Die juristische Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen war von bemerkenswerter Inkonsequenz
gekennzeichnet - im krassen Gegensatz dazu, wie die gleiche Justiz mit Schwarzfahrern
oder Demonstranten umgeht.
Dass die wesentliche Last der Aufklärung über die Nazi-Verbrechen erst Jahrzehnte später,
besonders über die US-Fernsehserie "Holocaust" und die französische Dokumentation
"Shoa", aber auch über die Wehrmachtsausstellung, erfolgte, zeigt, wie tief die Wirkkräfte
der Verdrängung und der Verharmlosung im deutschen kollektiven Bewusstsein verankert
gewesen sind.
Dazu passt, dass der Deutsche Bundestag erst 2002 die Urteile der Wehrmachtsjustiz
gegen Deserteure, Kriegsdienstverweigerer und "Wehrkraftzersetzer" aufhob - nicht aber
gegen sogenannte "Kriegsverräter".
Wenn man in diesem Zusammenhang noch an den Begeisterungstaumel über die deutsche
Fußballweltmeisterschaft
1954, nur neun Jahre nach
1945 erinnert, zeigt auch
dieses Verhalten den dominanten Wunsch, sich nicht mit seiner nationalen und damit auch
mit seiner persönlichen Geschichte auseinander setzen zu wollen.
Dass vor diesem Hintergrund deutsche Militäreinsätze an vielen globalen Schauplätzen
zum politischen Alltag gehören, dass die wenigen deutschen Friedensforschungsinstitute
in Frankfurt und Hamburg an finanzieller Auszehrung leiden, dass es noch immer kein
Unterrichtsfach Friedenskunde gibt, zeigt, wie wenig wir aus der Geschichte gelernt haben.
Diese Entwicklung steht im krassen Gegensatz zu einer jesuanisch geprägten christlichen
Friedensethik, in der das Liebesgebot, und als größte Herausforderung, das Gebot der
Feindesliebe einen zentralen Stellenwert haben.
In unserer politischen Arbeit hatte die Auseinandersetzung mit den Verbrechen der Nazi-
Zeit eine sehr hohe Priorität. Himmler hat als Münchner Polizeipräsident nur 300 m Luftlinie
von unserem Büro entfernt, im Polizeipräsidium residiert. Ohne München als "Hauptstadt der
Bewegung" und geistiges Zentrum der NS-Verbrecher ist die Nazi-Vergangenheit nicht zu
erklären.
Dass wir im vollen Bewusstsein um diese dunkle Vergangenheit mit dazu beitragen konnten,
die bayerische Landeshauptstadt München mit dem Höhepunkt der olympischen Spiele 1972
zu einem weltoffenen, toleranten, um sozialen Ausgleich bemühten Zentrum gemacht zu
haben, erfüllt uns mit Freude.
Der Eintrittspreis in die seinerzeitige Regenbogen-Koalition war u.a die Einrichtung einer
Gedenkstätte für NS-Opfer, aber auch für Widerstandskämpfer, die es glücklicherweise auch
in unserer Stadt gegeben hat. Dieser Vorläufer des NS-Dokumentationszentrums wurde in
Form einer Dauerausstellung im Stadtmuseum etabliert.
Der Besuch des NS-Dokumentationszentrums (Öffnungszeiten Dienstag - Sonntag
10 - 19 Uhr) kann jedem empfohlen werden, um sich noch die Informationen zu verschaffen,
die für persönliche Schlussfolgerungen wesentlich sein können: Was haben wir mit diesen
Ereignissen zu tun und was können wir tun, um sie künftig zu verhindern?
Wir haben den Bogen von der Verantwortung unserer Eltern- und Großeltern-Generation
für die Verbrechen der NS-Zeit zu unserer Verantwortung heute für die Zerstörung unserer
natürlichen Lebensgrundlagen in unserem 1. Anzeigenmotiv so auf den Punkt gebracht:
"Und wenn Euch Eure Kinder fragen, "Was habt Ihr dagegen getan?", wollt Ihr wieder sagen,
"Wir haben nichts gewusst"?
Mit herzlichen und nachdenklichen Grüßen
Ihr/Euer Bernhard Fricke
David gegen Goliath e.V.