Baclofen Forum vs Alkoholismus

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BeitragVerfasst: Freitag 19. März 2010, 15:22 
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Registriert: Montag 8. März 2010, 21:55
Beiträge: 25
Wohnort: Schleswig-Holstein
Die Wut ist auch noch da.

LG,
Rüdiger

Euch allen ein schönes Wochenende!


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BeitragVerfasst: Samstag 20. März 2010, 20:09 
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Registriert: Freitag 19. März 2010, 12:20
Beiträge: 119
Hallo Rüdiger, ich kann nur aus meiner eigenen Erfahrung sagen, gib ihr Raum, der Wut...sie möchte auch nur ernst genommen werden... :smt002 irgendwann klopft die Trauer an, dann gib ihr Raum. Ich bin tatsächlich mehrmals auf Friedhöfe gegangen, habe mir einen ruhigen Platz ausgesucht und darüber getrauert, dass ich nicht die Eltern hatte, die ich gebraucht hätte und auch darüber, dass ich dies im Leben auch nicht mehr erleben werde. Bestimmte Erfahrungen kann man, glaube ich, so einfach nicht nachholen. Es hat funktioniert. Das größte Geschenk in meinem Leben war meine Tochter. Sie habe ich so behandelt, wie ich gern behandelt worden wäre und es ist ein ganz toller Mensch aus ihr geworden. So habe ich Jahr für Jahr die Überzeugung gefestigt, dass auch ich nicht das unmögliche Kind war, wie es mir immer dargestellt wurde, sondern dass ich einfach das Pech hatte, Eltern zu haben, die mit mir nicht umgehen konnten. Aber das ist im Endeffekt ihr Problem, nicht meins. Ich bin völlig ok, so wie ich bin und habe es irgendwie geschafft, Menschen zu finden, die das sehen können und richtig gut finden. Hat alles seine Zeit gedauert, aber ich kann heute nur sagen, es hat sich gelohnt. Und das mit der Sucht schaffe ich jetzt auch noch... :smt002 Ich bin so froh, dieses Forum gefunden zu haben und möchte auch federico und Invorio für ihre Idee und ihr Engagement ganz herzlich danken.


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BeitragVerfasst: Samstag 20. März 2010, 21:12 
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Registriert: Freitag 27. November 2009, 17:11
Beiträge: 8253
Wohnort: München
Hallo Rüdiger,

ich habs versprochen und jetzt halte ich es auch. Im Alter von 2 Jahren ließen sich meine Eltern scheiden und meine Mutter ließ mich zurück bei einem trinkenden Vater. Leider gehörte er zu der Sorte Trinker, die zur Agressivität neigen und dementsprechend sahen meine Stiefmutter und die Wohnung manchmal aus. Ich erlebte die ersten Jahre meiner Kindheit als eine Aneinanderreihung von alkoholgetränkten Gewaltexzessen. Im Alter von 7 Jahren bin ich das erste mal ausgerissen und zu meinen Großeltern. Nach 2 Tagen per Polizei zurückgebracht und der Terror verstärkte sich noch weiter. Nach weiteren 2 Ausreißversuchen dann die Aufgabe meines Vaters und ich war erstmal bei meinen Großeltern. Bis ich dann zu meiner Mutter durfte, dauerte es nocheinmal 1 Jahr. Ihr neuer Mann, mein Stiefvater war von dieser Entwicklung nicht so sehr begeistert, ich bemerkte dies erst später. Die seelischen Grausamkeiten der ersten 7 Jahre setzten sich dann auf andere, subtilere Weise fort, irgendwann dachte ich wohl, so ist das Leben eben.

Irgendwann bekam ich aber mit, dass es auch Familien gab, in denen ein herzlicher Umgang miteinander normal war. Da fühlte ich mich seltsam unwohl, es kam mir richtiggehend Unwirklich vor. Den Rest erspar ich euch, der Alkohol hat mir über viele Jahre das Überleben in meinem Kältepanzer ermöglicht. Es hat viele Jahre gedauert bis ich über „mein inneres Kind“ verstanden habe, dass ich für dieses Kind sorgen muss. Dass ich weder für meine Mutter noch für meinen Vater, so etwas wie Demut, Dankbarkeit, Respekt empfinden konnte, versteht sich von selbst. Als mein Vater eines Tages erhängt aufgefunden wurde, empfand ich ein Gefühl der Erleichterung. Der Tod meiner Mutter konnte mir keine Tränen abringen obwohl ich es mir gewünscht hätte.

Dennoch habe ich 2 wunderbare Söhne auf die ich sehr stolz bin, sie sind es ebenso auf mich. Wir küssen und umarmen uns in der Öffentlichkeit – für meine Eltern wäre das undenkbar gewesen.

Federico

_________________
„Es gibt keine Alternative zum Optimismus,
Pessimismus ist Lebensfeigheit.“
Richard David Precht


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 Betreff des Beitrags: Moderation
BeitragVerfasst: Sonntag 21. März 2010, 02:12 
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Registriert: Freitag 18. Dezember 2009, 19:28
Beiträge: 98
Wohnort: Schweiz
Hi Federico

Das war Moderation vom Feinsten, Reflektion und Analyse derselben.
Ja, es braucht Mut, um weiter zu kommen.
Respekt vor so einem offenen Votum!

Wenn jemand die Bezeichnung Moderator verdient, dann ist es Federicol
Moderation bedeutet Ausgleich. Zuhören können, Meinungen im Rahmen von Diskussionen zielorientiert zu einem konstruktiven Resultat zu bringen.

Das ist sowas wie Kunst.

Danilo


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 Betreff des Beitrags: Kunst 2
BeitragVerfasst: Sonntag 21. März 2010, 02:42 
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Registriert: Freitag 18. Dezember 2009, 19:28
Beiträge: 98
Wohnort: Schweiz
@ all

bevor ihr, meine geschätzten Freunde, Federico kritisieren wolltet; Denkt besser einmal nach, ob es was bringt. Niemand ist natürlich kritikresistent.
Ausser Jan notabene.
Also: Lasst doch bitte Fedi aussen vor, sonst bekommt ihr es mit mir zu tun.

Lg danilo


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BeitragVerfasst: Sonntag 21. März 2010, 10:20 
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Registriert: Freitag 19. März 2010, 12:20
Beiträge: 119
Schließe mich voll und ganz der Meinung von Danilo an. federico ist auch für mich ein 1A-Moderator.


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BeitragVerfasst: Sonntag 21. März 2010, 13:33 
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Beiträge: 575
Ich schliess mich da auch voll und ganz den Worten von Danilo an! Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Dir, lieber Federico, gratuliere ich zu Deinem Mut für Dein Outing :smt023.

Ich hab mal überlegt, ob wir eine geschlossene Rubrik eröffnen können, in dem alle Mitglieder die Möglichkeit haben, sich intern zu outen, über ihre "Alkohol-Karriere" zu schreiben, ohne dass es jeder Gast mitlesen kann.

:smt006 Emelie


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BeitragVerfasst: Sonntag 21. März 2010, 14:31 
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Registriert: Freitag 19. März 2010, 12:20
Beiträge: 119
Geschlossene oder Offene Rubrik, gute Frage.
Ich poste es jetzt mal offen, da mir die Schilderungen von Schicksalen, aber auch das Beschreiben des Eigenen bei meinem Aufarbeitungsprozess sehr geholfen haben. Daher jetzt hier für interessierte Leser ein kurzer Einblick in meine Vita.

Als Einzelkind zweier Kinder weltkriegsgeschädigter Eltern (Vertreibung, Flucht etc.) geboren, war ich irgendwie anders als erwartet. Highlight jeder Party früher war der Spruch meiner Mutter, sie hätte damals zur Hebamme gesagt, dass sie noch nie so ein hässliches Baby gesehen hätte wie mich. Später wurde daraus, ich müsse ja wohl „besondere Qualitäten“ haben, weil meine Freunde immer so gut aussähen. Es hat dann auch nur ca. 30 Jahre gedauert, bis ich meine dadurch verinnerlichten Einstellungen zu mir selbst Stück für Stück abgebaut und durch andere ersetzt habe….

Aber offensichtlich hatte ich auch einen starken Willen und meinen eigenen Kopf, ein gebrülltes „Alleine“, wenn mir jemand helfen wollte, hat so manchen irritiert und oft auch auf die Palme gebracht…Ich war sehr uneinsichtig. Wenn ich eine andere Ansicht zu Dingen hatte, ließ ich mich davon durch nichts abbringen.

Der Ansatz, mich zum Umdenken zu bringen, bestand darin, es mit Gewalt zu probieren. Top 1 der Quizfragen war: „Siehst Du das jetzt ein, oder soll ich Dir das einbläuen?“ Sie hätten mich totschlagen können, eingesehen habe ich so nie etwas und werde es nie tun. Einsicht funktioniert bei mir nur über Verstehen. Auf Grund meines schlimmsten Prügelerlebnisses, als ich, siebenjährig, von meinem Vater auf Anweiseung meiner Mutter wegen einer Verfehlung mit dem Griff eines Präsentkorbes blutig geschlagen wurde, kann ich mich auf keinen Mann einlassen, der mir körperlich überlegen ist. Frauen traue ich auch ganz schwer über den Weg.
Dazu kam dann, quasi als Abrundung des Ganzen, noch der Cousin, der es ganz besonders gut mit mir meinte. Daher kann ich heute Berührungen nicht als angenehm empfinden, geben kann ich sie glücklicherweise gerne. Als Borowiak-Fan dazu ein Zitat aus „Pawlows Kinder“ (S.223) „Es ist kein Scherz, wenn er sie manchmal bittet, ihn nicht zu berühren, noch nicht einmal aus Versehen. Und auf keinen Fall, wenn er schläft.“…“Plötzlich spürt er eine Hand über seinen Rücken streichen. Er erschrickt und schreit. Patrizia, diese beschenkte Normale, hat seine Bitte tatsächlich nur für einen Scherz gehalten.“

Kurz auch noch eine Anleitung, wie man auch Mädchen erfolgreich das Weinen abgewöhnen kann. Man nehme einen kleinen Andenken-Bierseidel mit Messingdeckel und benutze diesen als Behälter für „Heulgeld“. Jedes Mal, wenn das Kind also aus lauter Verzweiflung oder Schmerzen in Tränen ausbricht, halte man ihm den Bierseidel unter die Nase und lasse es 20 Pfennig von seinem Taschengeld einzahlen....

Während der Schulzeit war ich (bis zum Zeitpunkt des Erscheinens des „Erlösers“ Alkohol) ständige Außenseiterin, ich sah die Welt irgendwie anders. Heute ist klar, warum. Ähnlich wie bei anderen hier auch, wurde bei mir vor ein paar Jahren ein IQ > 130 „diagnostiziert“.
Ich baute mir also ein Überlebenskonstrukt. Ich hockte immer schön tief im Innern meine Höhle, gesichert mit einem großen Stein davor, umgeben mit tiefen Wassergräben und Dornenhecken. Ich wollte weder Männlein, noch Weiblein sein, das erschien mir beides nicht erstrebenswert, ich wollte nur ich als es sein. Ummantelt habe ich das mit einer perfekten, undurchschaubaren Maske Marke ehrgeizige, erfolgreiche Frau und Mutter, kompetent, warmherzig, Variante Theresa für alle. Unenttarnt funktionierte das jahrelang perfekt, jedoch nur durch permanente Zuführung von Alkohol.

Dann traf ich einen Menschen, der das ganze Spiel durchschaute und hartnäckig an meinem Höhleneingang verharrte, bis ich mal raus musste. Es folgten harte Jahre des Kampfes um Abstand und Nähe, er war selbst ein auf andere Art Betroffener und wir ergänzten uns „prima“ in unseren Verletzungen. Heute bin ich dankbar dafür, ihn getroffen zu haben, auch wenn wir nicht mehr zusammen sind. Ohne ihn wäre ich nicht dort, wo ich jetzt bin.

Und jetzt will ich das Leben spüren und aushalten lernen ohne Stoff.

Würde ich mich tot saufen, hätten dann doch noch die Feinde gewonnen, oder?


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BeitragVerfasst: Sonntag 21. März 2010, 15:24 
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Beiträge: 575
:smt009 :smt010 :smt056
bin im Moment "wortlos".......... ((((((((((((Anima)))))))))))

Liebe Grüsse
Emelie


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BeitragVerfasst: Montag 22. März 2010, 17:17 
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Registriert: Montag 8. März 2010, 21:55
Beiträge: 25
Wohnort: Schleswig-Holstein
@federico & anima:

Ich bin auch (fast) sprachlos, und Euch sehr dankbar für Eure sehr persönlichen, tiefgehenden Schilderungen.

Melde mich in den nächsten Tagen dazu wieder, wenn ich mehr Zeit habe (heute gehts erst einmal auf ein schönes Konzert).

LG, Rüdiger


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