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Baclofen (>100 mg pro Tag)
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Nochmaliger Versuch mit Baclofen?

Mittwoch 29. September 2010, 15:50

Hallo!

Ich leide neben einer Angsterkrankung auch an Alkoholabhängigkeit. Diese versuch(t)e ich in den letzten Jahren mit ambulanten + stationären Therapien und über die Zeit ca. 40+ Medikamenten-/Kombinationen zu behandeln. Keiner dieser Versuche war von nachhaltigem Erfolg geprägt.

Psychopharmakologisch hab ich wohl so ziemlich alles ausgereizt (SSRIs, SNRIs, TZAs, Moclobemid, Jatrosom + diverse andere AD sowie Neuroleptika, Antiepileptika, Benzos...). An Anti-Craving-Substanzen hab ich praktisch auch alles durch: Die zugelassenen Naltrexon + Acamprosat und Topiramat, Ondansetron, Alcover, Memantin.

Vor ca. zwei Jahren hab ich dann von der Baclofen-Therapie erfahren und war bereit diesen Weg zu gehen. Wegen des Berichts des französischen Kardiologen und weil Baclofen die einzige Substanz ist, die in Tierversuchen ethanolabhängige Tiere dosisabhängig dazu bringt, gar nichts mehr zu trinken (anstatt "nur" weniger), war ich sehr optimistisch. Mit Hilfe meines Facharztes hab ich dann die Dosis auf bis zu 100mg t.i.d. = 300mg tgl. gesteigert, anfangs ohne besondere Nebenwirkungen.

Möglicherweise war die Dosis für mein damaliges Körpergewicht (fast 100kg) noch zu niedrig, denn ich hatte immer noch - wenn auch reduziertes - Craving. Das eigentliche Problem war aber, dass ich das Lioresal nach einiger Zeit rein physisch brauchte um keine Entzugserscheinungen wie Tachykardie, Hypertonie, Tremor, Angst, Paranoia... zu bekommen.

Ursprünglich dachte ich Baclofen könnte im Gegensatz zu z.B. Benzos gar nicht abhängig machem... es hat auch kein Missbrauchspotential. Google-/Pubmed-Suche für "baclofen withdrawal" usw. zeigten mir dann aber dass dies anscheinend doch vorkommen kann. Um eine lange Geschichte abzukürzen: Ich brauchte dann Lorazepam + Haldol + Inderal um wieder körperlich vom Baclofen loszukommen (mit den Medis war der Entzug kein Problem).

Ich bin mit meinem Latein am Ende und weiß nicht ob ich z.B. Lioresal noch eine Chance geben soll (z.B. 5 Tage pro Woche + 2 Tage Einnahme-Pause) oder ob das bei mir zu riskant und wenig vielversprechend wär.

Ansonsten fällt mir nur noch ein Versuch mit dem Kalziumantagonisten Isradipin und / oder Hypnose-Therapie ein. Meine derzeitige Lebensqualität ist leider sehr niedrig. :smt009 Ich will, dass sich etwas ändert!

Sorry für das lange Posting und Danke falls es jemand geschafft hat, bis zum Ende zu lesen. :smt002 Über konstruktive Antworten freue ich mich natürlich!

Mittwoch 29. September 2010, 18:29

Danke für deine Antwort! Bin noch unsicher ob ich Baclofen ein weiteres Mal wagen soll. In der Vergangenheit war ich wegen der kurzen HWZ schon nach ca. 8-10h ohne Baclofen im Predelir. Ich müsste das Medikament genauso gewissenhaft bei mir haben / einnehmen wie ein Diabetiker sein Insulin.

Natürlich verursacht Baclofen keine psychologische Abhängigkeit, aber eine etwaige körperliche Abhängigkeit ist für mich auch nur bedingt besser, vor allem wenn die "Absetzeffekte" / Entzugserscheinungen bei mir so heftig ausfallen.

Mehr ist vielleicht besser

Mittwoch 29. September 2010, 18:47

@Martin27
In der Vergangenheit war ich wegen der kurzen HWZ schon nach ca. 8-10h ohne Baclofen im Predelir. Ich müsste das Medikament genauso gewissenhaft bei mir haben / einnehmen wie ein Diabetiker sein Insulin.

Bezieht sich diese Aussage auf die 300 mg/d? Warum verteilst Du Deine Gesamtdosis nicht auf eine höhere Zahl von Einzeldosen? Ist für einige offensichtlich viel besser verträglich und der Pegel ist deutlich geringeren Schwankungen unterworfen.

LG invorio

Donnerstag 30. September 2010, 09:56

Die Behandlung erfolgte unter Aufsicht eines auf Sucht spezialisierten Psychiaters.

Samstag 2. Oktober 2010, 21:33

War gestern bei ihm. Lioresal will er bei mir wegen der früheren ernsten Probleme nicht nicht mehr versuchen, aber er hat einige Patienten die auch hohe Dosen gut vertragen (sowohl Alkoholabhängige als auch Patienten mit Spasmen...).

Donnerstag 18. November 2010, 10:55

Die irrationalen Ängste wurden bei mir durch niedrigere Baclofen-Dosen nicht geringer. Das einzige was jemals gegen sie geholfen hat, waren hochdosierte Benzos... aber die sind - insbesondere bei bestehender Alkoholproblematik - keine (Langzeit)lösung.

Wenn mein Facharzt Baclofen bei Patienten mit Angststörungen und / oder Alkoholmissbrauch bzw. Abhängigkeit einsetzt, dann meist eh im "normalen Rahmen". Aber er hat auch ein paar bei denen er hohe Dosen (bis ca. 300mg) verwenden musste. Wenn ihr Craving dann wegfiel oder leicht kontrollierbar wurde, hat er die Dosis noch ca. 2 Monate belassen und dann schrittweise auf eine Erhaltungsdosis reduziert. Die Strategie hat bis jetzt gut funktioniert (und die Betroffenen waren immerhin "Hardcore"-Fälle die Therapien und andere Anti-Craving-Medis schon erfolglos durchhatten). Allerdings sind es bis jetzt nur 8 oder 9 gewesen.

Donnerstag 18. November 2010, 15:33

@ Martin

Das mag bei Dir so sein; definitiv sind mir einige Fälle mit Angststörungen ohne Substanzabhängigkeit bekannt, die mit niedrigen Dosierungen Baclofen (< 75 mg) und paralleler Psychotherapie erfolgreich behandelt wurden.
Behandlung von Angststörungen beruht nicht auf einem plötzlichen Effekt, sondern ist ein Prozess, bei dem man Geduld braucht.
Klar, wer´s schnell mag, nimmt Benzos, am besten hochdosiert für eine sichere Abhängigkeit.

LG invorio

Donnerstag 18. November 2010, 16:57

invorio hat geschrieben:@ Martin
Das mag bei Dir so sein; definitiv sind mir einige Fälle mit Angststörungen ohne Substanzabhängigkeit bekannt, die mit niedrigen Dosierungen Baclofen (< 75 mg) und paralleler Psychotherapie erfolgreich behandelt wurden.

Das glaube ich dir gerne. Die Mehrzahl der erfolgreich mit Baclofen behandelten Angstpatienten meines Facharztes (ebenfalls Psychotherapeut) sprechen auf Dosen von ca. 30-50mg an.

invorio hat geschrieben:Behandlung von Angststörungen beruht nicht auf einem plötzlichen Effekt, sondern ist ein Prozess, bei dem man Geduld braucht.

Das gilt für die Therapie einer Vielzahl an psychischen Erkrankungen, korrekt.

invorio hat geschrieben:Klar, wer´s schnell mag, nimmt Benzos, am besten hochdosiert für eine sichere Abhängigkeit.

Du kannst mir glauben, dass ein auf Sucht spezialisierter Psychiater mit jahrzentelanger Erfahrung einem Patienten mit Alkoholproblemen nicht leichtfertig Benzodiazepine verschreibt. Aber wenn sämtliche anderen Therapieoptionen ausgeschöpft sind und die Lebensqualität der Person durch pathologische Ängste massivst beeinträchtigt wird, kann meines Erachtens nach reiflicher Nutzen/Risiko-Abwägung auch die längerfristige, kontrollierte Verordnung von Tranquilizern eine adäquate Behandlung darstellen.

Ich habe heute früh mit der Einnahme von 50mg Baclofen t.i.d. = 150mg / Tag begonnen. Abgesehen von leichter Müdigkeit keine Nebenwirkungen.

Sonntag 21. November 2010, 13:34

Ich nehme jetzt 4 x 50mg Baclofen täglich und bemerke derzeit keine besondere Haupt- oder Nebenwirkungen abgesehen von etwas Müdigkeit.

Macht es eurer Meinung nach Sinn die Gesamtdosis noch stärker aufzuteilen?

Sonntag 21. November 2010, 14:47

Es macht vor allem Sinn etwas langsamer mit den Dosierungsschritten umzugehen. An dieser Stelle wieder einmal der Hinweis: Olivier Ameisen dosierte 22 Monate 175mg, im 23. Monat erreichte er mit der Dosierung von 275mg erstmals „Gleichgültigkeit gegenüber Alkohol“.
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