@All
Es ist wieder mal an der Zeit einen Status im Erfahrungsbericht zu geben:
Kurz gesagt: "Es" funktioniert!
Ich möchte hier von meinen ganz persönlichen Erfahrungen sprechen. Die Wirkungen von Bac können sehr individuell ausfallen. Daraus erklärt sich auch mein Respekt vor anderen Ansichten. Jeder auf diesem Weg muss, wenn nötig auch durch Versuch und Erfahrung, seinen eigenen am besten geeigneten finden.
Nach nunmehr über 1 Jahr Dauereinnahme von Bac kann ich von folgenden Erfahrungen berichten:
Die anfänglich fast überwältigend einsetzende Wirkung ab einer gewissen Dosis (waren bei mir 75mg, versuchsweise noch max. 100mg) knipste gewissermassen dem wirklichen Craving das Licht aus. Craving in Form des unwiderstehlichen Verlangens Alkohol konsumieren zu müssen, damit ich noch funktionieren kann.
Jedoch darf man sich davon nicht zur Ansicht verleiten lassen, das Problem sei damit schlagartig gelöst. Nein, aber Bac gibt einem nun die dringend notwendige Freiheit für den Beginn an sich zu arbeiten.
Die unmenschlich absorbierende und dabei letztendlich sinnlos investierte Energie um nicht trinken zu müssen wird frei für anderes. Es schafft damit überhaupt erst die nötigen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Therapie. Der Wunsch mit dem Alk zu stoppen zeigt plötzlich Wirkung. Die Einsicht in das Geschehen der Abhängigkeit und wie man daran zugrunde gehen kann gewinnen an Transparenz. Baclofen zwingt einem nicht auf die brutale Art wie Antabus auf das Trinken zu verzichten, aber es schenkt die Freiheit es zu lassen... ich brauche auch keinen Ersatz durch Ideologien oder Dogmen, die mein Denken steuern und mich einerseits vor dem Trinken hindern sollen, andererseits eine Konditionierung im Denken und Handeln hervorrufen und somit neue Abhängigkeiten, Risiken und Nebenwirkungen mentaler Art erzeugen.
Nun kann mit der Arbeit begonnen werden. Bac schützt auch in einem gewissen Masse vor einem "Unfall", man kann danach wenigstens wieder aufstehen...
Auch für mich hat Bac unangenehme Nebenwirkungen, welche sich nach längerer Zeit auf ein Mindestmass beschränkten mit dem ich leben kann. Gerne bezahle ich diesen Preis angesichts der Vorstellung, wo mich sonst die Abhängigkeit noch hingeführt hätte. Abgesehen davon, dass jetzt die Tatsache des Cravingverlustes bei den sonstigen positiven Auswirkungen nicht mehr den alleinigen Grund für die Einnahme darstellt.
Dosisänderungen sind nur langsam zu vollziehen. Selber habe ich auch erlebt, dass Baclofen nebst der rasch eintretenden Sofortwirkung weitere Langzeiteffekte zeigt, welche sich dann über Tage erstrecken. So habe ich beim Rauf- oder Runterdosieren stets ein paar Tage die finale Wirkung abgewartet.
Experimentierfreudig wie ich von Natur aus bin, konnte ich es dennoch nicht lassen (in weiser Voraussicht, am nächsten Tag frei zu haben...) eines Abends eine Extraportion von 25mg einzunehmen. Auch zum Austesten der bekannten "Notfallration", die ich zum Glück bis anhin nie benötigte. Dies hatte nun die folgenden Konsequenzen:
1. Nach kurzer Zeit Einsetzen von mir bekannten Nebenwirkungen aus der Anfangszeit beim Hochdosieren, welche ich in der Zwischenzeit nicht mehr in dieser Form wahrgenommen habe. Also der Beweis, dass kein Abhängigkeitspotential vorhanden ist. Offenbar entwickeln die Rezeptoren keine Toleranz. Dies war eine der wichtigsten Erkenntnisse aus diesem Versuch.
2. Langer Tiefschlaf in dieser Nacht, jedoch wieder mit "anderer" Traumqualität.
3. Am Morgen einerseits eine ziemliche Scheibe (fast eine Kater...), etwas Ohrensausen, andererseits verstärkter Geruch- und Geschmacksinn (ja, eine seltsame aber mir bekannte Nebenwirkung) und allgemein gesteigerte Wahrnehmung.
4. Eine über Tage anhaltende "Erinnerung" an diese +25mg. Nicht als das bekannte halluzinogen induzierte "Flash-Back", welches einem überfällt. Nein, eher wie die sanfte Erinnerung an ein gutes Erlebnis.
5. Keinerlei Bedürfnis, dieses Experiment gerade zu wiederholen. Allein der Gedanke, dass es so funktioniert, verleiht dem Ganzen eine Art von beruhigender Ausstrahlung.
Erst später fiel mir wieder ein, dass in der Rückblende das Alkohol-Problem in den Aufzeichnungen dieses Versuches garnicht vorkam... einerseits ein beruhigender Gedanke. Schlussendlich schlucke ich ja Baclofen aus diesem Grunde. Andererseits birgt gerade diese Tatsache eine gewisse Gefahr. Die Gefahr, es einfach weglassen zu wollen unter dem Motto: "Warum soll ich noch Baclofen nehmen, das Craving ist ja weg". Dass es meistens wieder kommt, zeigen Erfahrungen anderer. So werde ich momentan an meiner stabilen Einnahme nichts rumschrauben und einfach das Thema für mich mal offen lassen. Auch hier kommt vielleicht eines Tages der Experimentierfaktor zur Geltung, wer weiss. Aktuell sieht es jedoch anders aus. So habe ich vor ein paar Wochen die Dosis um 6.25mg auf 37.5mg erhöht und fahre gut damit. Nicht, dass ich keine störenden Nebenwirkungen wahrnehme, aber diesen Preis zu bezahlen lohnt sich für mich. Immer noch besser als Alk.
Das Ganze immer unter der neu gewonnenen Freiheit, mehr das zu sein was ich wirklich bin und nicht das, was die Gesellschaft scheinbar von mir verlangt. Somit zeigt Bac bei mir eindeutige Auswirkungen im Denken und Handeln im Sinne einer mentalen Wiederfindung und Weiterentwicklung.
Sogenannte "Trends und Kults" verlieren an Kraft. Ich stelle sie noch mehr als vorher in Frage. Hat einerseits positiven Charakter, birgt jedoch in sich die Gefahr eines sozialen Rückzuges. Da arbeite ich zur Zeit daran. Die Waage zu finden dieses Bewusstsein neu in den Alltag zu integrieren. Ich war nie der ausgeprägte Gesellschaftstyp. Auch der Alk-Konsum spielte sich meistens innerhalb den eigenen vier Wänden ab. Pegel antrinken und dann raus in das Geschehen. Zunehmend konnte ich es nur noch so ertragen... Sozialphobie?
Für die weitere Zukunft sehe ich eine konstante Erhaltungsdosis. Vielleicht mal etwas weniger, jedoch wird die Abdosierung, wenn überhaupt, mit grosser Vorsicht in kleinen Schritten vollzogen.
Ich gehe diesen Weg ohne eine speziell auf Alkoholproblematik ausgerichtete begleitende Therapie. Mit Bac steht man sowieso noch etwas einsam in der Landschaft...
Was mir jedoch immer wieder Motivation verleiht ist dieses Forum. Ich glaube es nimmt hier einen wesentlichen Platz ein! Ein herzlicher Dank geht an alle, welche zum Bestehen beitragen.
Da ich auch Raucher bin: Leichter Zurückgang in der Menge, jedoch zu wenig signifikant, als dass dazu eine eindeutige Aussage gemacht werden kann.
Zum Schluss vielleicht noch ein Gedanke, welcher mir spontan gestern Abend durch den Kopf ging. Hat irgendwie auch mit der Bac-Therapie Zusammenhang. (Kreativität durch Bac?)
"Unsere Gedanken geben der Wahrnehmung ihre Erscheinungsform"
LG
moonriver
Baclofen: 6.25/6.25/12.5/12.5
C2H5OH: 0/0/0/0
