So beginnen viele Vorträge, so wird es den zittrigen Zuhörern auch heute
noch in sogenannten Unterweisungen auf Entgiftungsstationen beigebracht.
Alle alkoholkranken Patienten sollen schließlich wissen, dass sie krank sind.
Sucht kommt von suchen?Mit dieser mittelalterlichen Sichtweise im Kopf, entlässt man nach ein bis
3 Wochen die Leute als entgiftet, aber trotzdem noch sehr, sehr krank.
Denn auch das wird in den belehrenden Unterweisungen mit Nachdruck
gesagt: Es gibt keine Heilung, es gibt nur Stillstand wenn du absolut abstinent
bleibst. Ein einziger Tropfen lässt die Sucht zu neuem Leben erwachen, ein
Mon Cherie kann die Krankheit zum erneuten Ausbruch bringen.
Ändert sich etwas im Kopf, im Verhalten, wenn ich weiß, dass Sucht von
Suchen kommt? Das muss jeder für sich entdecken, bei mir hat sich durch
die neue Sichtweise so ziemlich alles geändert. Seit ich weiß, dass unser Wort
für Alkoholssucht auf holländisch „Versklavung“ heißt, bin ich guter Dinge,
die Ketten sprengen zu können, die mich für immer festhalten wollen.
Alice Wunder hat geschrieben:
Übrigens können nur wir Deutschen krankhaft süchtig nach etwas werden.
Unsere germanischen Sprachnachbarn begegnen Alkohol und Drogen aus
eigenem Blickwinkel. Der höfliche Engländer drückt mit ‘addiction’ eigentlich
seine ‘Ergebenheit’ aus. Für den Schweden blieb das alte Wort ’suht’ als moderne
’sjukdom’ stets die Krankheit, die Sucht ist ihm dagegen heute ein ‘begär’.
Der Niederländer nennt eine Sucht nüchtern treffend ‘verslaafdheid’, Versklavung.
LG Federico