Antwort erstellen

Re: ARTE Doku - Alkoholsucht: Wundermittel Baclofen?

Freitag 31. Oktober 2014, 12:39

Es sollte allerdings erst noch kritisch geprüft werden, für welche Indikation sie [die Substanz Baclofen] sich bei der Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen überhaupt eignet.


Aha. Wir prüfen weiter.

Wir wollen ja verhindern, dass es, wie bei den bewährten zugelassenen Mitteln Zyban, Naltrexon und Campral, zu einer Breitband-Indikation "Abhängigkeitserkrankung" kommt und bleibt.

Da sei Gott vor.

8-| Lisa

Re: ARTE Doku - Alkoholsucht: Wundermittel Baclofen?

Freitag 31. Oktober 2014, 21:25

Mit einer gewissen Verwunderung stelle ich fest, dass sich viele Menschen in meiner Umgebung, denen ich das nie zugetraut hätte, für den Filmbeitrag interessieren. WOW!

Auch einige meiner Patienten haben mich angerufen, damit ich die Sendung nur nicht verpasse! Oft diejeneigen, die über ihre Heilung nach so vielen frustranen Versuchen selbst ganz erstaunt waren...und die "konservative Suchttherapie" in ihrer bisherigen Haltung nicht verstehen.

Ich bin sehr, sehr gespannt!

LG jivaro

Re: ARTE Doku - Alkoholsucht: Wundermittel Baclofen?

Freitag 31. Oktober 2014, 21:39

Auf arte X:enius gab es heute morgen einen Beitrag zum Thema Alkohol- und Tablettensucht, wobei Joachim Körkel zur KISS-Theraphie ausführlich Stellung nehmen konnte.

Re: ARTE Doku - Alkoholsucht: Wundermittel Baclofen?

Samstag 1. November 2014, 08:05

Die arte-Dok hinterlässt bei mir einen zwiespältigen Eindruck!

- Die Auswahl von 3 "Extremfällen"; einer Bilderbuchstory, eines krassen Placebofalles (insbesondere die dabei aufgetretenen Begleiterscheinungen) sowie die Wirkungslosigkeit von 300mg Bac verbunden mit hohem (!) Alkoholkonsum ohne Nebenwirkungen!

Nebst einer "gewissen" Ausgewogenheit fiel im Besonderen auf:

- Die Betonung des Schlagwortes "von einer Sucht zu anderen".

- Der fast suggestive Auftritt von Bschor, welcher von keinem mitmenschlichem Verständnis des Suchtgeschehens zeugt und einzig und allein die Willenskeule schlägt.

- Das Schlusswort, welches die Wirksamkeit von Bac einem Placebo gleichstellt.

Ich werde den Verdacht nicht los, dass diese Sendung eher kontrapunktiv in ihrer Wirkung daherkommt. Leider...

LG
moonriver

Re: ARTE Doku - Alkoholsucht: Wundermittel Baclofen?

Samstag 1. November 2014, 10:22

Lieber moon,

gleichwohl kommt Baclofen so mehr an die Öffentlichkeit. GGG sag ich mir.

Die Gesamtwirkung bleibt leider hinter unseren Erwartungen zurück, insbesondere beim "nichtaufmerksamen" Betrachter. Genau besehen wurden ja schon recht sorfältig die einzelnen Bausteine "für" Baclofen gezeigt.

Ich zitiere ja gelegentlich (nur inoffiziell) dass die Ratten schliesslich ihren Alkoholkonsum reduzierten ohne ihre Vergangenheit aufzuarbeiten, ihre Partnerschaft zu konsolidieren und auch ohne psychosoziale Begleitung. Soll heissen: der Wirkstoff muss etwas "tun". Auch der Patient in Anna-Rose Childress Doku erzählte etwas von "mühelosem" reduzieren seines Cocainkonsums.

Bevor ich nun hier "niedergemacht" werde: natürlich sind Menschen keine Laborratten und natürlich ist eine sinnvolle therapeutische Begleitung immer wünschenswert. Aber wievielen Menschen ist eine Reduktion des Konsums respektive Abstinenz erst unter Baclofen möglich geworden, Placebo?

Und nicht zu vergessen: Baclofen spielt also offiziell in der gleichen Liga wie Nalmefen.

Herzlicher Gruss
jivaro

Re: ARTE Doku - Alkoholsucht: Wundermittel Baclofen?

Samstag 1. November 2014, 11:54

Lieber Moonriver

Das Schlusswort, welches die Wirksamkeit von Bac einem Placebo gleichstellt.
Mein Mann hat denselben Eindruck mitgenommen - obwohl bereits sensibilisiert.

Ich ging bisher davon aus, dass nur diese drei Personen mit ihrem Einverständnis vom Kamerateam begleitet wurden und bis zur Entblindung auch der Filmemacherin nicht bekannt gewesen war, ob Baclofen oder Placebo im Spiel war. Denkst du, es waren mehrere, unter denen nachträglich ausgewählt wurde? Wie auch immer, 3 Fälle sind nicht repräsentativ.

Ich sehe mehr Kategorien als Placebo ja-nein und Erfolg/Misserfolg dargestellt:

Die Frau stellt den Verlauf dar, der gemeinhin von einem Wundermittel erwartet wird. Sie berichtet von der erhöhten Gelassenheit und Freiheit und wählt die Abstinenz, die sie aufrecht erhalten will.

Der ältere Herr ist nicht nur ein Placebo-Fall, sondern steht auch dafür, was Hoffnung und ärztliche Unterstützung hinsichtlich Selbstwirksamkeit auszurichten vermag. Wie die Interaktion Arzt-Patient sich entwickelt, finde ich bemerkenswert. Und er steht für eine markante selbstbestimmte Konsumreduktion, die vom Arzt mitgetragen wird.

Der Dritte schliesslich zeigt auf, dass erst die Entscheidung für einen klassischen Entzug von zwei Wochen einen ersten Durchbruch bringt. Wie es weitergeht, bleibt hier sehr offen. Für mich stellt sich in diesem Fall die Frage, die Olivier Ameisen mit einem heftigen Nein beantwortet hatte: Ist es ethisch überhaupt zulässig, Alkoholabhängige der Ungewissheit der Placebo-Testung auszusetzen? Wie wirkt sich z.B. eine rasch entstandene Vermutung (meine Interpretation), dass es sich um das Placebo handeln muss, auf den jungen Mann aus, der keine Wirkung verspürt? Kann er noch offen sein, Wirkung überhaupt wahrzunehmen?

In diesem Sinne bleibt vieles offen und ich finde das gut, denn dass Baclofen eine simple Antwort auf ein komplexes Problem ist, wäre eine tendenziöse Aussage. Was ich persönlich problematisch finde: Wir kriegen Interview-Antworten von Fachleuten - aber nicht die Fragen, auf die sie antworten.

Mir gefällt im übrigen die Gegenüberstellung von gelassener Überzeugung des Duos Beaurepaire/Jaury mit den erhobenen Fingern von Bschor/Nalpas ausgesprochen gut. Aber da bin ich mit Sicherheit nicht objektiv...

lg
Lisa

Re: ARTE Doku - Alkoholsucht: Wundermittel Baclofen?

Samstag 1. November 2014, 13:27

Also - dass ein Mensch wie Bschor überhaupt als Psychiater auf kranke Menschen losgelassen wird, ist für mich nicht nachvollziehbar. Seine Ahnungslosigkeit in Bezug auf Suchtkrankheiten mag damit entschuldigt werden, dass er dazu keinen Bezug hat - er ist halt Chefarzt einer Klinik, in der es auch eine Suchtabteilung gibt. Aber dann sollte man auch keine Statements dazu abgeben und seinen fachkundigen Oberarzt schicken!
Garbutt war widersprüchlich - erst räumt er ein, dass die Baclofenwirkung dosisabhängig ist, dann erklärt er wieder, dass er keinen Unterschied zwischen Baclofen und Placebo gefunden hat, verschweigt aber, dass seine Untersuchung völlig unterdosiert war (30mg p.d.)
Nicht nachvollziehbar scheint mir, dass Bschor und Nalpas erneut gegen besseres Wissen unterstellten, dass da ja "nur eine Abhängigkeit gegen eine andere ausgetauscht wird". Dann wären ja auch alle Diabetiker, Blutdruckkranken und Schizophrenen von ihren Arzneimitteln abhängig.
Eindrucksvoll hingegen die Gelassenheit von Jaury und Beaurepaire.

Insgesamt war die Sendung leider für die Betroffenen wenig informativ, für mich als Behandler hingegen eine wichtige Bestätigung der "deutschen Linie" der Baclofenbehandlung, wie sie in der "BlackBox" zu finden ist: Abstinenz bei Behandlungsbeginn verbessert die Behandlungsergebnisse!

LG

Praxx

Re: ARTE Doku - Alkoholsucht: Wundermittel Baclofen?

Samstag 1. November 2014, 17:46

Seid gegrüßt

Mein Vorschlag: Schreibt bei ARTE entsprechende Zuschauerkommentare. Ich habe meinen eigenen soeben abgeschickt:

DonQs Zuschauerkommentar hat geschrieben:Danke für diese sehr informative Sendung. Gegen Ende ist Ihnen jedoch ein grober Fehler unterlaufen. Ab Minute 49:00 sagt James Garbutt, Pharmakologe an der Universität North Carolina:

„Wenn wir uns die Resultate dieser Studie anschauen, stellen wir fest, dass sich der Zustand der Meisten verbessert hat. […] Als wir die Verblindung am Ende auflösten und die Resultate von Baclofen und Placebo verglichen, waren die Ergebnisse der beiden Gruppen exakt gleich. Allen Teilnehmern ging es besser. Also hat nichts bewiesen, dass Baclofen zur Behandlung der Alkoholsucht besser geeignet ist, als das Placebo.“

Damit verbindet der Zuschauer automatisch die Studie BACLOVILLE, von der in der Reportage bisher die Rede war. Gemeint hat James Garbutt allerdings seine eigene Studie aus dem Jahr 2010. Die Schwäche dieser Studie bestand darin, dass dort lediglich 30 mg Baclofen pro Tag verabreicht wurden. Das ist völlig unzureichend und es deshalb kein Wunder, dass keine Wirkung nachgewiesen werden konnte.

Die Wirkung von Baclofen bei der Behandlung der Alkoholabhängigkeit ist Dosisabhängig. So kamen placebokontrollierte klinische Studien mit 60 mg / Tag zu eindeutig positiven Ergebnissen. Aber auch diese Dosis ist noch zu gering. Die Studie BACLOVILLE, um die es in Ihrer Reportage geht, verabreicht bis zu 300 mg / Tag. Andere, langfristig angelegte beobachtende Studien (Rigal et al., Beaurepaire) arbeiteten ebenfalls mit sehr hohen Dosierungen, sogar jenseits der Grenze von 300 mg / Tag, und konnten Erfolge bei weit über 50 % der Patienten nachweisen.

Es ist schade, dass der ansonsten ausgezeichnet recherchierte Beitrag am Ende durch die irreführende Aussage von James Garbutt getrübt wird, der Zuschauer sozusagen den Eindruck erhält, die Studie (BACLOVILLE) sei gescheitert und das Medikament Baclofen wirke nicht besser als Placebo.
DonQ

Oh, fast vergessen: Der Link zum Schreiben von Kommentaren ist der hier: http://www.arte.tv/guide/de/047927-000/ ... autoplay=1

Re: ARTE Doku - Alkoholsucht: Wundermittel Baclofen?

Samstag 1. November 2014, 21:31

@DonQ: Unter dem angegebenen Link gibt es 0 Kommentare.

Zum Beitrag: Habe die Sendung aufgenommen und einen Ausschnitt zur Wirkung von Baclofen im Gehirn auf unserer Youtube-Seite veröffentlicht:

Re: ARTE Doku - Alkoholsucht: Wundermittel Baclofen?

Sonntag 2. November 2014, 13:32

Hallo Delle, inzwischen sind die Kommentare freigeschaltet!

LG

Praxx
Antwort erstellen