Donnerstag 20. Februar 2014, 13:16
Ich finde es gut, wenn das Forum Offenheit gegenüber anderen Wegen zeigt, insbesondere solchen, die die Abkehr vom Abstinenz-Dogma unterstützen, den Paradigmen-Wandel in der Suchttherapie.
http://www.paradigmenwandel.org/Intro.html:
Ein Paradigmenwandel zeichnet sich in der Behandlung der Alkoholabhängigkeit ab: Das Ziel der Behandlung ist nicht mehr die Abstinenz, sondern eine Unterdrückung des sogenannten Craving (Suchtdruck). Damit eröffnen sich in der Alkoholismusbehandlung neue Möglichkeiten, mit Hilfe modifizierter psychotherapeutischer Unterstützung statt der Symptome, die Ursachen wirksam behandeln zu können.
Wenn blosse Skepsis und Kritik an den wirtschaftlichen Interessen der Pharma dazu führten, einen anderen Neuro-Wirkungsweg kategorisch zu verteufeln, wären wir schnell auf ähnlicher Stufe wie gewisse Baclofen-Gegner. Oder auch da, wo andere Alkoholiker-Foren sich festgehakt haben, die jedwede Nennung von Präparaten verbieten oder deren Mitglieder Baclofen kategorisch als Krücke ablehnen - der wahrhaft Nüchterne wird durch die "richtige" Einsicht und durch absolute Abstinenz alleine von allen Leiden geheilt und der Weg gelingt nur durch Verzicht auf alle psychoaktiven Substanzen. (Nikotin und Antidepressiva ausgenommen, vielleicht noch ein Anxiolytikum, wenn es denn unbedingt sein muss...)
Wenn nur die Trauben nicht so hoch hingen und der Weg nicht für die Mehrzahl zu beschwerlich wäre... Ziel muss doch sein, die Möglichkeit zu schaffen, wieder Lebensqualität zu erfahren, die verloren gegangen ist. Jeder Tag ohne Craving und ohne Alkohol, jeder Abend, an dem ein Totalabsturz gemindert werden kann, bringt die Erfahrung von Wirksamkeit für mich als Betroffene, bringt Entlastung und wirkt fort - unter der Bedingung, dass erneutes Trinken nicht als Versagen und Zurück auf Start gewertet wird.
Medikamente, die am Craving ansetzen, ohne selbst ein Suchtpotenzial zu haben, sind aus meiner Sicht zu begrüssen und zu prüfen, weil sie dafür beste Voraussetzungen schaffen. Mögen die Studien zu Selincro auch zu Skepsis Anlass geben - über längere Zeit geprüft, wird sich zeigen, wie es ausserhalb der Studiensituation wirkt. Denn ob ich es als Proband an einer Studie einnehme oder es mir von einem ausgewiesenen Fachmann nach der Zulassung verschrieben wird, verändert den Kontext und damit meine Erwartung ganz wesentlich. Das wird bei Baclofen nach Abschluss der laufenden Studien nicht anders sein.
lg
Lisa
NB Wer aufgrund der bereits eingetretenen körperlichen Abhängigkeit nicht zur Zielgruppe gehört, findet vielleicht einen Arzt, der es off-label verschreibt?