Montag 22. Mai 2017, 11:16
Liebe Forumsfreunde,
dieses Thema entsteht aus eine Meinungsverschiedenheit zwischen Dieter und mir, ich zitiere mal die entsprechenden Sätze aus Sunni's Faden:
Fallada hat geschrieben:Genau hinzugucken ist immer eine gute Idee, sind wir doch, wenn wir besoffen sind, auch wir selbst, nur enthemmter. Wichtig zu wissen ist, daß das nur ein Teil von uns ist.
Dieter antwortete:
Familyman hat geschrieben:Ja, aber ein durch Alkohol schwer verzerrter Teil. Insofern würde ich bestreiten, dass unser Verhalten im Suff authentisch unsrem wahren Selbst entspricht. Natürlich steckt das verletzte, unverstandene Kind in uns. Aber wir gehen anders mit ihm um, wenn wir sie - salopp gesagt - alle beisammen haben. Insofern entfremdet uns Alkohol von uns selbst und zeigt ein Bild, dem wir in unserem Wesen nicht entsprechen.
Daher Widerspruch, liebe Fallada - je deutlicher, desto länger ich drüber nachdenke: Nein, wir sind, wenn wir besoffen sind, nicht wir selbst. Das vom Alkohol manipulierte Ausleben von Emotionen ist nicht etwa "ein Teil von uns", und schon gar nicht "nur": es ist, um noch einen Schritt weiter als eingangs zu gehen, noch nicht mal ein schwer verzerrter Teil - es ist gar kein Teil unseres Selbst, unseres Wesens, unserer Persönlichkeit; wenn ihr wollt: unserer Seele.
Ich bin der Meinung, daß wie wir uns betrunken darstellen, benehmen, schon einen Teil von uns repräsentiert. Allerdings glaube ich, daß andere, ausgleichende, erwachsene Anteile betäubt werden und innere Anteile zum Vorschein kommen, die unreifer sind, z.B. innere Kinder, die vor lauter Angst zum Angriff übergehen, oder verinnerlichte Persönlichkeitsanteile primärer Bezugspersonen wie z.B. der Mutter. Wobei möglicherweise schon vor dem ersten Schluck diese inneren Anteile die Regie übernehmen. Das macht es dann aber sehr wichtig, diese besser kennen zu lernen.
Vielleicht nenne ich mal zwei Beispiele von mir: Ich werde betrunken sehr oft kleinkindhaft niedlich hilflos, was ich ätzend finde, wenn ich nüchtern bin. Das ist sicher auch nüchtern ein Teil von mir, ein inneres Kind, das sich in meiner Gesamtpersönlichkeit dann aber gut aufgehoben fühlen kann. Und vielleicht dafür verantwortlich ist, das ich gerne schmuse und kuschele, körperliche Nähe zulassen kann u.Ä. Aber genau dieses Kind bekommt manchmal furchtbar Angst und sorgt dann dafür, das ich zur Flasche greife. Wenn ich es gut kenne, kann ich es vielleicht rechtzeitig beruhigen.
Glücklicherweise seltener werden ich betrunken extrem streithaft rechthaberisch, lasse keine andere Meinung mehr gelten und diskutiere andere in Grund und Boden. Das finde ich wenn ich nüchtern bin noch ätzender. Aber es ist dennoch ein Teil von mir. Ich habe hier Aspekte meiner Mutter verinnerlicht, die im nüchternen Zustand rechthaberisch und streithaft ist (in ihren sehr seltenen betrunkenen Zuständen ist sie allerdings lammfromm). Bin ich nüchtern, hilft mir dieser Teil, in Diskussionen lebhaft mitreden zu können und meine erwachsenen Anteile sorgen dann dafür, daß ich gut zuhöre, bereit bin, mich überzeugen zu lassen. Aber genau dieser Teil fühlt sich manchmal nutzlos, nicht geliebt, wertlos und unbedeutend. Und sorgt dann dafür, daß ich zur Flasche greife, um diese schrecklichen Gefühle zu betäuben. Wenn ich ihn besser kenne, kann ich vielleicht dafür sorgen, daß dieser Teil rechtzeitig die Bestätigung bekommt, die er braucht.
Da genau hinzuschauen finde ich schon sehr wichtig, denn ich glaube, das wir dann sehr viel über uns lernen können.
Wie ist das bei Euch? Ich hoffe, daß auch andere dieses Thema interessant finden.
LG Fallada