Dienstag 22. März 2016, 12:59
Ich bin so müde, hatte ich diesen Faden überschrieben.
6 Jahre Dauerpräsenz im Forum sind genug.@praxx hat mal gemeint, er würde nie Admin eines Forums werden wollen.
Dies war im Zusammenhang mit einer der vielen Querelen des Forums, die sich nie ganz
vermeiden lassen. Damals war ich schon mittendrin und es war nicht mehr aufzuhalten.
Von Anfang anEnde 2009 dachte ich mir, irgendjemand muss es machen, also gründete ich vollkommen
blauäugig zusammen mit @Invorio das alkohol-und-baclofen-forum.de. Anlass war der
zuvor von mir ins Leben gerufene baclofen-blog.de der sich als Diskussions-Medium als
ungeeignet erwiesen hat. Schon Anfang 2010 gründeten 2 mit dem Forum unzufriedene
Mitglieder das baclofen-forum.com, da sie die Bevormundung durch „Forenregeln“ die
allgemein üblich sind, als inakzeptabel empfunden haben. Relativ früh zeigte sich dann
@Invorio als zunehmend unzuverlässig, erste Unstimmigkeiten entstanden, die mich über
eine Trennung im Sinne des Forums nachdenken ließ. Ein Post, in dem er Olivier Ameisen
als „Scharlatan“ bezeichnete, war dann der endgültige Schlusspunkt für mich. Immerhin
kam vorher noch eine Forenumfrage mit Beteiligung des ZI-Mannheim und Prof. Falk Kiefer
zustande, veröffentlicht wurden die Ergebnisse der Umfrage letztlich Ende 2012 in der
Zeitschrift „Nervenheilkunde“.
Die Trennung wurde unter Mühen und juristischen Auseinandersetzungen im Anschluss
endgültig vollzogen. Eine große Hilfe war dabei unser Mitglied @Petrocelli, der ab diesem
Zeitpunkt das kostenlose Hosting des Forums bis heute übernommen hat. Ganz großer
Dank also an @Petrocelli an dieser Stelle. In Berlin habe ich anlässlich eines Suchtkongresses
dann @delle leibhaftig kennengelernt der das Forum als TechAdmin übernommen hat und
bis heute pflegt. Ohne seine Erfahrung und Bereitschaft zu Nachtarbeit wären wir heute
nicht da, wo wir jetzt sind. Großer Dank an @delle.
Hinzu kamen diverse juristische Probleme die durch Denunziation entstanden sind. Nur mit
Hilfe eines befreundeten Anwalts konnte die Schließung des Forums abgewendet werden.
Danke an @B.Fricke, Du hast mir sehr geholfen. Hassposts, Hassmails in ungeahntem
Ausmaß kamen erschwerend hinzu. Ich will das nicht weiter ausführen da mir schon beim
Gedanken daran die Hände zittern. Das Damoklesschwert „Staatsanwalt“ schwebte weit über
ein Jahr lang über mir.
Als vernunftbegabter Foren-Admin hätte ich spätestens 2011 das Handtuch werfen müssen.
Ich blieb unvernünftig, setzte mit dem Wechsel vom „Che-Avatar“ zum „Realbild-Avatar“
und dem Impressum noch einen Obendrauf, schließlich war ich seit 2009 mit einer relativ
geringen Baclofen-Dosis überwiegend abstinent. Das sollte sich später ändern, die ersten
Anzeichen von andauernder Überforderung wurden deutlicher spürbar. Durch @praxx,
@Jivaro, @Irving und später andere Ärzte, erhielt ich die Rückendeckung die bis heute hält.
Gemeinsam mit @Jivaro bin ich ab 2011 auf diverse Suchtkongresse gegangen. Anfangs
waren es „nur“ sogen. Poster, die zu unserem Erstaunen mehr Beachtung fanden, als wir
uns dachten. Unvergesslich der Publikumspreis für das allererste Poster anlässlich des
12. interdisziplinären Kongress für Suchtmedizin 2011 in München. In dieser Zeit entstand
unter vielen Mühen die „Blackbox“ in der ersten Version. Danach hatte ich die waghalsige
Idee ein Survey mit Hilfe des Forums zu starten. Auch das war erfolgreich und findet bis
heute in Form von Vorträgen und Postern für @Jivaro bis heute Verwendung.
Die nächste Idee, die auch in diese Zeit fällt, war der Aufbau einer Ärzteliste. Auf all das
darf ich stolz sein, versichert mir @Jivaro, obwohl ich mit diesem Begriff nicht wirklich etwas
anfangen kann – Stolz ist ein Gefühl das ich nicht kenne – ich muss das wohl noch mit
meiner Therapeutin bearbeiten ;–). Danach kam 2013 die „Blackbox 2.0“, mit wenigen aber
notwendigen Änderungen, die bis heute immerhin ca. 250.000 Viewer (Betrachter) erreicht
hat und die in der Printversion von Ärzten, Kliniken und Suchthilfe-Zentren immer gerne,
da kostenlos, genommen wird, wie mir @Jivaro immer wieder mitteilt.
Randnotiz: Dazwischen übersetzten Jivaro und ich das damals gerade erschienene
Buch von Stefane Hessel „Indignez vous“, „Empört Euch“. Es war einer der ganz seltenen
Fälle in denen ich eine kostenpflichtige Urheberrechtsverletzung riskiert habe.
Eine Abmahnung ist ausgeblieben, stattdessen wurde unsere nicht autorisierte Übersetzung
in das
Archiv Stiftung Werkvermächtnisse aufgenommen. Heute 2016, im Jahr der Wieder-
auferstehung braunen Gedankenguts, denke ich mit tief empfundener Liebe an diesen großen
deutsch-französischen Humanisten, der im Alter von 93 Jahren den Weckruf: „Empört Euch“
geschrieben hat. Und im Rückblick auf diese Arbeit empfinde ich ausnahmsweise einen
Anflug von Stolz auf die geleistete Arbeit, das „Archiv Stiftung Werkvermächtnisse“ nimmt nur
Arbeiten auf, die für Jahrzehnte von Bedeutung sind.
Baclofen betreffend war ich unzufrieden mit den Fortschritten, klar es ging mir nicht
schnell genug voran. Die Besuche der Suchtkongresse quer durch Deutschland nannte ich
schon damals „Ochsentour“, die mir so gar nicht gefiel – eine zeitlang habe ich sie dennoch
klaglos mitgemacht. Die Atmosphäre die man auf diesen Kongressen spürt, ist vereinfacht
ausgedrückt, eine ganz andere, als vergleichsweise die, die ich in Paris erlebt habe, auch
wenn es natürlich nicht vergleichbar ist. Ärzte und Patienten auf Augenhöhe in Deutschland?
Fehlanzeige. Von wenigen Ausnahmen mal abgesehen.
Was könnte als nächstes getan werden, wie kann es gelingen, Baclofen in den Sucht-
medizinischen Alltag zu implementieren? Alles war so zäh wie Lakritz, auch die Gründung
des Vereins Paradigmenwandel e.V. blieb darin stecken, bis heute steht dahinter das i.G.,
heißt in Gründung.
Ergo war der naheliegende nächste Schritt Öffentlichkeitsarbeit auf neudeutsch PR (Public
Relation). Ein erster Artikel wurde in der Huffington Post veröffentlicht, später noch einer.
Danach habe ich, blauäugig wie ich nun einmal mal bin, Kontakt zu fast allen Redaktionen
der bundesdeutschen Presse aufgenommen. Über ein Jahr lang „ohrenbetäubende Stille“
keine Antwort, nichts, nada. Ich habe auf die Berichterstattung in der französischen Presse
hingewiesen, auf 74.000 Todesfälle in Deutschland durch Alkohol und, dass Baclofen Leben
retten könnte. Ich habe auf die Popularität von Olivier Ameisen gebaut und ich gebe es zu,
auch darauf, dass ein gewisser Prozentsatz von Journalisten das Problem aus der eigenen
Erfahrung kennen könnte. Nichts ist passiert, es war frustrierend.
Bis Ende 2013 plötzlich das Telefon klingelte. Stundenlange Telefonate waren die Folge
und ich atmete auf, noch nicht ganz, schließlich gehört die Tageszeitung „DIE WELT“ zur
Springer-Presse. Hauptsache der Name Baclofen ist irgendwie in der Welt, kam für mich
nicht in Frage. Die Redakteurin ist auf mich zugekommen und nach vielen Telefonaten
konnte ich Vertrauen fassen. Mittlerweile sind aus diesen ersten seriösen Presseberichten
in „DIE WELT“ neue Kontakte entstanden. Sagen wir mal so, die nächste Zitterpartie. Es ist
schon etwas anderes, in Zusammenarbeit mit einem Redakteur einen brauchbaren Artikel
zu lancieren ... TV ist nochmal eine ganze Ecke anders ...
Der Inhalt musste angemessen sein, nicht im Sinne von „Pille statt Pulle“ oder wie im Focus:
„Pille soll Säufern helfen“ die dann im Artikel Nalmefen mit Baclofen verwechseln. Im Hinter-
kopf immer das unsägliche Interview mit Sylvie Imbert und RTL, in dem Sie nach ihrer Erfah-
rung mit Baclofen befragt wurde – die deutsche RTL brachte kurz darauf eine Übersetzung,
in der Baclofen kurzerhand durch Nalmefen ersetzt wurde. Journalismus ist in Teilen ein
schlampiges Geschäft geworden.
Darüber sind 6 Monate ins Land gezogen, Vorbesprechungen erst per Email dann telefonisch,
ein Konzept wurde erstellt, Kontakte nach Frankreich hergestellt, es zog sich. Schließlich
fuhr ich bangen Herzens nach Leipzig. Mit dem Zusammenschnitt aus gefühlten 24 Stunden
intensiver Arbeit konnte ich zufrieden sein, der danach entstandene Clip mit Vera Schnell
ist sehr gut geworden. Schließlich ist sie, man glaubt es kaum, noch ungeduldiger als ich es
bin. Mein besonderer Dank an dieser Stelle gilt @Anett, @Ulrike, @Stine und einem ganz
besonderen Kameramann, der so im Hintergrund blieb, dass ich mir nichtmal seinen Namen
merken konnte.
Streitereien zwischen den beiden etablierten Foren, mal mehr mal weniger, dürfen in diesem
Kontext nicht unerwähnt bleiben. Auch sie haben deutliche Abnutzungsspuren bei mir hinter-
lassen, zu meiner Ermüdung mit beigetragen. Derzeit weist unsere Ärzte-Datenbank zwar
erfreuliche Zuwächse auf, speziell im Osten Deutschlands sind neue Ärzte hinzugekommen,
die Grenze zu Frankreich wurde Dank Sylvie Imbert überschritten. Das Verhältnis der beiden
etablierten deutschen Foren hat sich inzwischen deutlich verbessert, die Zusammenarbeit
mit DonQ wird immer besser. Wir lieben uns zwar nicht unbedingt, aber wir begegnen uns
mit gegenseitigem Respekt und Achtung.
Immer mehr hilfesuchende Interessenten lassen sich inzwischen ermutigen, ihren HA oder
einen anderen HA mit der Frage nach Baclofen zu konfrontieren und, sie sind immer öfter
erfolgreich damit. Sie treten Türen ein, die längst geöffnet sind. Ganz allgemein ist es leichter
geworden, einen verschreibungsbereiten Arzt zu finden. Zum Vergleich: 2009 gab es nur
die spanische Versandapotheke, die für Wucherpreise Baclofen angeboten hat. Heute weiß
ich, nicht nur in Spanien sondern auch in Portugal und Italien ist Baclofen für jeden der es
haben will, in der Apotheke um die Ecke problemlos erhältlich. Ohne Rezept versteht sich.
Zukünftig wird es noch besser werden, die Vorzeichen sind deutlich: Die Ergebnisse der
beiden großen französischen Zulassungsstudien Bacloville und Alpadir werden gegen Ende
März, Anfang April erwartet. Vorläufig werden sie allerdings nur von Ethypharm der ANSM
zur Verfügung gestellt. Am 3. September 2016 um 16.15 Uhr stellen Andreas Heinz (Baclad),
Philippe Jaury (Bacloville), Michel Reynaud (Alpadir) und Esther Beraha (NL) die Ergebnisse
ihrer Studien im Rahmen des Programms des World Congress on Alcohol and Alcoholism vor.
Ich habe keine Zweifel, dass es nur noch eine Frage der Zeit sein wird, bis die Implementierung
von Baclofen in den Suchtmedizinischen Alltag endgültig Einzug halten wird. Immer noch
habe ich den Satz von Philippe Jaury im Ohr: „Es fehlte etwas, uns fehlte ein Hilfsmittel, wir
haben auf dieses Medikament gewartet, mit Baclofen hatten wir es schließlich gefunden.“
Selbst wenn es nach Ansicht von Prof. Andreas Heinz (Charité) nur zwei von 10 Patienten
helfen sollte, ist es immerhin das Doppelte dessen, was alle anderen zugelassenen Medikamente
versprechen, aber nicht halten.
Mein Freund Wecker hat mir ein Lied auf den Leib geschrieben, es endet mit den Zeilen:
„Wohin denn leiden - schließ mir, Herr, den Mund. Wirf mir die Augenbinden runter und den
Stirnverband: Es herrscht wieder Frieden im Land.“ Wer den Wecker besser kennt, weiß wie
er das gemeint haben könnte.
Hermann Hesses Stufengedicht darf an der Stelle nicht fehlen,
es hat mich Zeit meines Lebens begleitet:
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf´ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen;
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden,
Wohlan denn Herz, nimm Abschied und gesunde!Wer das nicht versteht oder wem das zu lyrisch ist:
@praxx hat mal gemeint, er würde nie Admin eines Forums werden wollen.
Aus heutiger Sicht würde ich die Erfahrungen zwar nicht missen wollen – es gibt immer ein
lachendes und ein weinendes Auge.
Aber ich werde nie wieder Admin eines Forums werden. Damit schließe ich dieses Kapitel – nicht ganz – jedoch werde ich mich aus der vordersten
Linie zurückziehen. Ich stehe ab sofort nicht mehr als Zielscheibe zur Verfügung. Ab und an
werde ich noch wichtige News veröffentlichen, bekannten und neuen Forenmitgliedern
antworten, wenn sie Fragen per PN an mich stellen. Ganz sicher werde ich mich nicht weiter
an Diskussionen beteiligen, die von vornherein an der berühmten Betonwand im Kopf, zum
Scheitern verurteilt sind.
Projekte die Baclofen zum Inhalt haben und andere Projekte die nichts damit zu tun haben,
warten schon viel zu lange auf Erledigung. Sie wurden zu Gunsten des Forums immer weiter
geschoben. Jetzt werden sie endlich neu angeschoben, weiter verfolgt und, so Gott oder ein
anderer will, zum Abschluss gebracht werden.
Ich hoffe, Ihr habt Verständnis dafür. Ihr wart mir immer wichtig, jedes einzelne
Forenmitglied war mir wichtig. Als ich das Forum gegründet habe, stand für mich
fest: „Wenn ich nur einem einzigen vom Alkohol abhängigen Menschen helfen kann,
hat sich die Mühe gelohnt“. Es sind dann über die Jahre doch ein paar mehr geworden.
Ich bin nicht die „Mutter Theresa“ der Alkoholiker, wollte ich auch nie sein, bin nur ein
Mensch mit Ecken und Kanten wie ihr es auch seid. In Sachen Alkohol und Baclofen
verstehe ich mich lediglich als „Gleicher unter Gleichen“ innerhalb einer
Peer-to-Peer
Group wie eine Selbsthilfegruppe im englischen Sprachraum auch genannt wird.
LG Federico
PS Nachfragen, Anfragen per PN werden zeitnah von mir beantwortet.
Zeitnah bedeutet, es kann schon mal ein paar Tage dauern ...