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Arbaclofen statt Baclofen bei Multipler Sklerose ?

Mittwoch 27. April 2016, 10:36

MS-Patienten scheinen die Retard-Tabletten gegen Spastik besser zu vertragen
als das bereits zugelassene Baclofen, so eine auf der AAN vorgestellte Studie.


amsel Multiple Sklerose Portal: Arbaclofen statt Baclofen bei Multipler Sklerose?

Weniger Müdigkeit, mehr Therapietreue
Arbaclofen sind Retardtabletten, die den Wirkstoff langsa über einen längeren
Zeitraum an den Körper abgeben Sie haben einer auf der diesjährigen AAN in
Vancouver vorgestellten Studie zufolge zu weniger Müdigkeit im Vergleich mit
herkömmlichem Baclofen geführt - bei vergleichbarer Wirkung.

Re: Arbaclofen statt Baclofen bei Multipler Sklerose ?

Mittwoch 27. April 2016, 12:12

Bezüglich Arbaclofen ist mein (bescheidener) Kenntnisstand ein anderer :

Baclofen enthält ein "chirales Zentrum". D.H. das Molekül kommt in zwei Formen vor, die sich zueinander verhalten wie Bild und Spiegelbild. Bei der Synthese wird ein 1:1-Gemisch beider Formen, R-Baclofen und S-Baclofen, erhalten. Physiologisch wirksam ist nur die R-Form, da sie geometrisch an die entsprechenden Rezeptoren andocken kann. Diese wird als Arbaclofen ("Ar" ist englisch gesprochenes "R" ...) bezeichnet.
"Baclofen" ist das 1:1-Gemisch (R,S-Baclofen), ist also nur zu 50% wirksam.

Verwendet man Arbaclofen hat dies zwei Vorteile :

a) Man kommt theoretisch mit der halben Dosis aus
b) Man vermeidet (eventuelle) Nebenwirkungen durch das nicht im gewünschten Sinne wirksame S-Baclofen.

Mit "Retard" hat also Arbaclofen nichts zu tun ! Die Retard-Wirkung lässt sich über eine entsprechende Galenik ("Pillenummantelung") erzielen.

Wegen eines zusätzlichen Prozess-Schrittes ("Racematspaltung") ist Arbaclofen wesentlich teurer als R,S-Baclofen, das vereinfacht als Baclofen bezeichnet wird.

Vegleiche auch einen Beitrag aus 2013 : viewtopic.php?p=22806

LG, Werner

P.S. : Der oben klickbare Wikipedia-Artikel ist erfreulich aktuell und enthält interessante Literaturstellen.

Re: Arbaclofen statt Baclofen bei Multipler Sklerose ?

Mittwoch 27. April 2016, 12:50

Hallo Werner,

sei nicht so bescheiden. Vielleicht interessiert Dich das hier, clinical trials.
Eine Studie mit Arbaclofen bezogen auf Alkohol. Natürlich Doppelblind gegen Placebo.

LG Federicco

Re: Arbaclofen statt Baclofen bei Multipler Sklerose ?

Mittwoch 27. April 2016, 12:59

Danke Federico !

Die Studie soll demnächst (im Mai 2016) abgeschlossen sein.
Bin mal gespannt....
Vom "normalen" Baclofen sollte man das Doppelte (v)ertragen können (vorausgesetzt, das nicht wirksame S-Baclofen hat keine unerwünschten Nebenwirkungen).

LG, Werner

Re: Arbaclofen statt Baclofen bei Multipler Sklerose ?

Mittwoch 27. April 2016, 13:36

mhm,
This study is ongoing, but not recruiting participants.

Aber der Sponsor ist ja immerhin Indivior.

LG Federico

Re: Arbaclofen statt Baclofen bei Multipler Sklerose ?

Mittwoch 27. April 2016, 14:43

Ich denke, dass keine Teilnehmer mehr rekrutiert werden und dass die Studie läuft...

Lg, Werner

Re: Arbaclofen statt Baclofen bei Multipler Sklerose ?

Mittwoch 27. April 2016, 22:18

Indivior erprobt R-Baclofen-PLACARBIL.
Der Entwickler Xenoport arbeitet für verschiedene Muttersubstanzen ("parent drugs") an Methoden, eine künstlichen Vorstufe zu erzeugen, durch die eine veränderte Kinetik (Wirkdauer, Wirkstärke, Passage der Blut-Hirn-Schranke) erreicht wird. Bereits in der Erprobung ist Gabapentin-Enacarbil, andere Substanzen wie Levodopa+X sind in Entwicklung.
Durch den "Umbau" wird also versucht, eine bessere Verträglichkeit und Wirkung zu erzielen.
Einfaches R-Baclofen würde sich ja (außer im Preis!) von R-S-Baclofen kaum unterscheiden - siehe Omeprazol, Citalopram, Methadon, Loratadin, Cetirizin

LG

Praxx

Re: Arbaclofen statt Baclofen bei Multipler Sklerose ?

Freitag 27. Mai 2016, 09:59

Naja, einen wichtigen Unterschied gibt es schon: man würde nur die Hälfte brauchen und damit weniger UAW haben. Zumindest auf Escitalopram und Levomethadon trifft dies meines - bescheidenen - Wissens nach zu. Auf Esomeprazol wohl weniger.

LG

Fallada

Re: Arbaclofen statt Baclofen bei Multipler Sklerose ?

Freitag 27. Mai 2016, 12:27

Hallo Fallada,
bei R-Methadon als Auslöser bestimmter NW stimme ich dir zu. Die anderen Beispiele sehe ich eher als zweifelhaft an.
Das liegt an folgendem, auffälligen und sich immer wieder wiederholenden Ablauf:
Bis kurz vor Ablauf des Patentschutzes sind die Racemate von Omeprazol, Citalopram, Cetirizin, Loratadin usw. ganz supertolle Arzneimittel (wenn man der Werbung glauben will). Rückt der Patentablauf näher, taucht plötzlich das enantiomerreine Produkt auf, und die gleichen Firmen erklären: Wir haben euch 10 Jahre lang Schrott angedreht, das Racemat ist absoluter Mist, nur unser reines Enantiomer darf Patienten überhaupt zugemutet werden - zufällig haben wir da noch 10 Jahre Patentschutz drauf...
Vielleicht könnte R-Baclofen tatsächlich weniger unerwünschte Wirkungen haben - Placarbil oder nicht - aber es müsste dann mit Millionenaufwand völlig neu zugelassen werden!
Denn arzneimittelrechtlich gilt enantiomerreines R-Baclofen als völlig neue Substanz - eine absurde Situation!

LG

Praxx
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