Suchttherapie 2017; 18(01): 5-6 DOI: 10.1055/s-0042-122823
S3-Leitlinie „Alkohol” – aus der ambulanten Praxis betrachtetDr. med. Albrecht Ulmer, Stuttgart
Die wichtige Frage einer medikamentösen Dauereinstellung, wie bei anderen chronischen
Krankheiten, wird nicht gestellt, nur die Postakutphase gesehen. Hier „…fehlen …
ausreichend wirksame pharmakologische und psychosoziale Strategien, um Rückfälle …
durch hohen Suchtdruck nach Ausschleichen der Pharmakotherapie zur Entzugsbehandlung
zu verhindern“ (S.104). Während die zugelassenen Medikamente Acamprosat, Naltrexon und
Nalmefen besprochen werden, findet z. B. das in Frankreich zugelassene Baclofen keine
Erwähnung. Man mag einwenden, die Studien seien noch nicht überzeugend.
Aber überhaupt keine Erwähnung? Immerhin überstieg die Zahl der in Frankreich darauf
eingestellten Patienten (>200.000) schon nach einem Jahr deutlich die Zahl der in
Deutschland auf die hier zugelassenen Medikamente eingestellten Patienten.
In der Praxis erweist sich Baclofen als beeindruckend hilfreich. Die Arbeit, die erstaunlich
gute, eher noch bessere Erfahrungen mit Dihydrocodein publiziert hat [3], wird genauso
ignoriert wie italienische Studien mit GHB [4] [5] [6] [7]. Selbst wenn man möglicherweise
nur Arbeiten mit einem bestimmten wissenschaftlichen Niveau berücksichtigen wollte,
erscheint dies angesichts der drückenden Ineffizienz zugelassener Medikamente nicht
nachvollziehbar. Die Möglichkeit, die Effektivität von Alkoholabhängigkeitsbehandlungen
durch Medikamente zu verbessern, muss eingehender analysiert werden, insbesondere
unter Einbezug agonistischer Ansätze.