Sonntag 26. April 2015, 12:12
		
			
			Wie wird man eigentlich Sucht-Experte?
Die Frage stellt sich aktuell aufgrund der Presseberichte anlässlich der erfolgreich 
abgeschlossenen BACLAD Studie der Charité Berlin. Die Tageszeitung DIE WELT titelt:
So gut wirkt das Mittel der Zukunft für AlkoholikerAus Gründen der Ausgewogenheit werden Experten mit gegensätzlichen Meinungen
zu einem Thema, um Stellungnahme gebeten. Geht es um Baclofen oder Nalmefen, bittet
man Prof. Dr. Tom Bschor von der Schlosspark-Klinik um seine bekannt konträre Meinung,
die eigentlich immer gleichlautend und gegen jede Medikation in der Prävention von 
alkoholabhängigen Patienten ist. 
Das war allerdings nicht immer so. 2012 wurden die Ergebnisse einer Studie veröffentlicht,
bei der Tom Bschor mitgewirkt hatte. Das besondere daran, das getestete Medikament
war ausgerechnet Levetiracetam, ein Antiepilektikum. Im Abstract wird als Hintergrund 
genannt: Antiepileptika haben gezeigt, dass Alkoholkonsum reduziert oder Rückfälle bei 
Patienten mit Alkoholismus verhindert werden können. 
Anders als bei Baclofen, ebenfalls ursprünglich als Antiepilektikum entwickelt, zeigte 
Levetiracetam nicht die vermutete Wirkung. Zweihundert Patienten wurden in die 
prospektive, randomisierte, doppelblinde, multizentrische, placebokontrollierte Studie
eingeschlossen, das Ergebnis:
Rückfallrate und Zeitdauer bis zu einem Rückfall unterschieden sich nicht signifikant 
zwischen den beiden Gruppen in den ersten 16 Wochen der Abstinenz.
Es stellt sich natürlich die Frage, wie Bschor's Expertenmeinung heute wäre, wenn die 
Studie eine signifikante Überlegenheit von Levetiracetam gegenüber Placebo gezeigt hätte.
Auf den Seiten der Schlosspark-Klinik befindet sich eine Auflistung aller wissenschaftlicher
Veröffentlichungen von Prof. Tom Bschor, die ihn als Experten für Depressionen, nicht aber
für Suchterkrankungen ausweisen. Unter den gut 20 Seiten der aufgeführten Referenzen
finde ich gerade mal 5 Themen die Alkoholismus betreffen. Darunter auch die vorgenannte 
Studie. Quelle: 
PublikationslisteIch bin mir sicher, dass es möglich sein sollte andere „Koryphäen“ zum Themenkreis
mediakamentöse Behandlung zur Rückfall-Prävention von akoholabhängigen Patienten 
zu befragen. Unter den Gegnern von Baclofen befinden sich genügend Suchtexperten, die
anders als Tom Bschor, den entsprechenden wissenschaftlichen Hintergrund mitbringen.
Und wenn man sich zu medikamentösen Behandlungsmethoden grundsätzlich ablehnend 
äussert, sollte man selbst nicht an einer medikamentengestützten Studie mitwirken. Das 
wäre dann wenigstens konsequent. 
Meine Meinung
Federico