Wie wird man eigentlich Sucht-Experte?
Die Frage stellt sich aktuell aufgrund der Presseberichte anlässlich der erfolgreich
abgeschlossenen BACLAD Studie der Charité Berlin. Die Tageszeitung DIE WELT titelt:
So gut wirkt das Mittel der Zukunft für AlkoholikerAus Gründen der Ausgewogenheit werden Experten mit gegensätzlichen Meinungen
zu einem Thema, um Stellungnahme gebeten. Geht es um Baclofen oder Nalmefen, bittet
man Prof. Dr. Tom Bschor von der Schlosspark-Klinik um seine bekannt konträre Meinung,
die eigentlich immer gleichlautend und gegen jede Medikation in der Prävention von
alkoholabhängigen Patienten ist.
Das war allerdings nicht immer so. 2012 wurden die Ergebnisse einer Studie veröffentlicht,
bei der Tom Bschor mitgewirkt hatte. Das besondere daran, das getestete Medikament
war ausgerechnet Levetiracetam, ein Antiepilektikum. Im Abstract wird als Hintergrund
genannt: Antiepileptika haben gezeigt, dass Alkoholkonsum reduziert oder Rückfälle bei
Patienten mit Alkoholismus verhindert werden können.
Anders als bei Baclofen, ebenfalls ursprünglich als Antiepilektikum entwickelt, zeigte
Levetiracetam nicht die vermutete Wirkung. Zweihundert Patienten wurden in die
prospektive, randomisierte, doppelblinde, multizentrische, placebokontrollierte Studie
eingeschlossen, das Ergebnis:
Rückfallrate und Zeitdauer bis zu einem Rückfall unterschieden sich nicht signifikant
zwischen den beiden Gruppen in den ersten 16 Wochen der Abstinenz.
Es stellt sich natürlich die Frage, wie Bschor's Expertenmeinung heute wäre, wenn die
Studie eine signifikante Überlegenheit von Levetiracetam gegenüber Placebo gezeigt hätte.
Auf den Seiten der Schlosspark-Klinik befindet sich eine Auflistung aller wissenschaftlicher
Veröffentlichungen von Prof. Tom Bschor, die ihn als Experten für Depressionen, nicht aber
für Suchterkrankungen ausweisen. Unter den gut 20 Seiten der aufgeführten Referenzen
finde ich gerade mal 5 Themen die Alkoholismus betreffen. Darunter auch die vorgenannte
Studie. Quelle:
PublikationslisteIch bin mir sicher, dass es möglich sein sollte andere „Koryphäen“ zum Themenkreis
mediakamentöse Behandlung zur Rückfall-Prävention von akoholabhängigen Patienten
zu befragen. Unter den Gegnern von Baclofen befinden sich genügend Suchtexperten, die
anders als Tom Bschor, den entsprechenden wissenschaftlichen Hintergrund mitbringen.
Und wenn man sich zu medikamentösen Behandlungsmethoden grundsätzlich ablehnend
äussert, sollte man selbst nicht an einer medikamentengestützten Studie mitwirken. Das
wäre dann wenigstens konsequent.
Meine Meinung
Federico