Samstag 9. März 2013, 19:48
Meine Selbstentgiftungs-Methode ohne Benzos, ich nenne sie deshalb „Naturheilmethode“.
„Das Gift hat sich langsam eingeschlichen – das Gift kann langsam ausgeschlichen werden“ erklärte mir ein langjähriger Freund und Arzt vor vielen Jahren.
Nach 13 qualifizierten Entgiftungen wollte ich nicht ein weiteres mal die Drehtüren betätigen und habe mich zur Selbstentgiftung entschlossen. Der Vorteil ist, wenn ich mich ohne Hilfe selbst entgifte, hole ich mir ein Stück Selbstachtung zurück und kann stolz auf meine Leistung sein.
Diese Methode soll selbstverständlich keine Anleitung sein und ist deshalb nicht zur Nachahmung empfohlen, stelle ich voran. Der Zeitbedarf ist ähnlich einer qualifizierten Entgiftung in der Klinik, also ca. 14 Tage.
Da ich die Wirkung von Benzos kenne und sie als sehr unangenehm empfinde, kann ich leicht darauf verzichten. Entzugssymptome sind bei dieser langsamen Methode leicht auszuhalten, vor Krampfanfällen hatte ich Angst, selbst musste ich noch keinen erleiden.
Da ich grundsätzlich nach längeren Trinkexzessen bei Vodka landete, habe ich mich für den umgekehrten Weg, ebenfalls für Vodka entschieden. Das Getränk lässt sich gut in kleinen Gläsern dosieren, die ich im Entzug nie wie üblich gekippt habe, sondern in winzigen Schlückchen langsam konsumierte.
Die Methode erfordert ein hohes Maß an Selbstdisziplin und falls vorhanden, einen verständnisvollen Partner, dessen verständnislose Blicke man allerdings aushalten muss.
Spätestens nach Tag 4 bis 5 verspürte ich Entspannung und fühlte mich deutlich besser.
Ab Tag 6 ist der Schlaf wieder normal, durchschlafen konnte ich schon vorher, die Dauer war zuvor noch deutlich verkürzt. Unruhe und Angstgefühle wurden weniger.
Ab Tag 8 normalisierte sich das Schlafverhalten weiter und die Unruhe wurde immer geringer, eigentlich hätte ich ab diesem Zeitpunkt die Prozedur beenden können. Ich habe es versucht, musste aber einsehen, dass sich das Craving sofort zurückmeldete. Auf das bisschen Vodka dachte ich, kann ich verzichten. Irgendetwas in meinen Schalt- und Regelkreisen (Hirn) war anderer Meinung.
Ab Tag 10 bis 12 wurde die Menge derart gering und das Craving verschwand fast komplett. Ich musste mich zur Einnahme der restlichen Vodka-Dosis fast zwingen, allmählich begann ich mich fast schon zu ekeln. Tag 13 und 14 nenne ich die Sicherheitstage, in erster Linie ist es die Angst vor Krampfanfällen und vor Schlaflosigkeit, die mich zu den den letzten Schlucken veranlasste.
Bei dieser nüchternen Beschreibung könnte man fast denken, das klingt ja so einfach. Ist es aber nicht. Die ersten Tage werden von Heiß- und Kaltmissempfindungen begleitet, der Schlaf ist mehrfach unterbrochen auch von Gedanken an den nächsten Schluck. Ich musste mich in den ersten Tagen wirklich von Glas zu Glas hangeln, so wie es im Entzug eben ist. Mit jedem Tag wurde es besser und die Zuversicht es schaffen zu können, ist mit jedem Tag gewachsen. Ängste und Selbstzweifel wechseln sich ab mit Phasen der wachsenden Zuversicht. Einfacher als eine qualifizierte Entgiftung ist meine Methode sicher nicht, dafür steht am Ende das gute Gefühl, es ohne Hilfe und aus eigener Kraft geschafft zu haben. Es führt zu Selbst-Bewusst-Sein.
Noch ein Unterschied zur qualifizierten Entgiftung ist für mich ausschlaggebend gewesen. Die Entgiftung in der Klinik ging mir zu schnell, der Break auf Null war zu hart, danach hing ich mit den Benzos in den Seilen und kaum waren die ausgeschlichen, kam mir die Idee nach dem nächsten Schluck in den Sinn und nicht nur in diesen. „Auf wieder sehen!“ an der Stationstüre hatte ich immer viel zu wörtlich genommen. Kommentare wie „einmal Alkoholiker, immer Alkoholiker“ sind in der Klinik normal, man hört die hoffnungslose Botschaft überall und man sieht, wenn man hinsieht, leider viele hoffnungslose Fälle die das zu bestätigen scheinen. Resignierende Menschen die sich gegenseitig haarsträubende Geschichten ihres beschissenen Lebens erzählen. Die Atmosphäre ist für mich immer bedrückend gewesen und schon am zweiten Tag wollte ich nur noch so schnell wie möglich raus. Nur noch raus.
Ganz anders ist die vergleichsweise ruhige und sanfte Methode in der vertrauten Umgebung zuhause. Keine Kommandos, keine unerwünschten Gespräche und vor allem niemand der stört. Die abschreckende Wirkung von Menschen mit Krampfanfällen hat nie funktioniert, die Angst selbst einen erleiden zu müssen, hat mich in der Klinik tagelang verfolgt. Zuhause konnte ich mich mit sinnvollen Beschäftigungen ablenken, spazieren gehen wann immer ich es wollte. Ein Stück Normalität während des Entzugs ist viel wert.
Ich denke dieses Stück Normalität wollte ich mir nach dem letzten Entzug erhalten. Es hat sich gelohnt dafür zu kämpfen und es hat funktioniert (2007). Nicht ganz. In den vergangenen 3 Jahren hatte ich einen Rückfall, den ich wie dokumentiert bewältigt habe. Der Auslöser war Überforderung, die berühmten 99 Ereignisse plus das Eine, das dann endgültig zu viel war. Hinzu kam erschwerend eine gehörige Depression, dieser Winter war insgesamt zu dunkel für meine Hypophyse. Zuvor auch noch Baclofen abdosiert als hätte es auch so noch nicht gereicht, dann hektisch aufdosiert. Also all die Fehler gemacht, auf die ich immer gerne bei anderen hinweise. Shit happen‘s ...
Jetzt, seit 3 Monaten wieder da angekommen wo ich hingehöre, bei 2 x 12,5mg/d Baclofen, stabil und um eine unnötige Erfahrung reicher. Unnötig? Jede Erfahrung die gemacht werden musste, musste gemacht werden. So denke ich, kommt man in all den Jahren zu einem so genannten „Erfahrungsreichtum“. Ein Rückfall ist für mich jedenfalls kein Grund rückfällig zu werden in alte Verhaltensmuster. Ganz im Gegenteil, es ist eine Chance zu lernen und Lehren daraus zu ziehen. Mit Baclofen bin ich dazu in der Lage – wie es ohne gehen könnte? – keine Ahnung.
Im Anhang befindet sich das PDF mit der Abdosierungstabelle. Nach der CIWA-Dokumentation die ich damals nicht kannte, würde ich mir aus der Erinnerung 15 Punkte plus „X“ geben.
LG Federico
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