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2013 Aktueller Stand der pharmakologischen Rückfallprophylax

Donnerstag 14. November 2013, 09:59

Suchttherapie 2013; 14(04): 170-177

Aktueller Stand der pharmakologischen Rückfallprophylaxe der Alkoholabhängigkeit

E. Pape, M. Herdener, S. Rösner, M. Grosshans, J. Mutschler

Acamprosat, Naltrexon und ganz neu Nalmefene sind derzeit in Deutschland für die rückfallprophylaktische Behandlung der Alkoholabhängigkeit zugelassen. Disulfiram, die wirksamste der Substanzen, hat im April 2011 in Deutschland die Zulassung verloren, da die Herstellerfirma das Medikament aufgrund „technologischer
Schwierigkeiten“ nicht mehr produziert.

Meine Meinung:
Ob die Formulierung unglücklich geraten ist, oder ob die Verfasser Disulfiram tatsächlich
für die wirksamste der Substanzen halten, ist aus der Zusammenfassung nicht ersichtlich.
Disulfiram, besser bekannt als „Antabuse“, ist m.E. im therapeutischen Kontext „das Letzte“,
auch in der Wahl der Mittel. Die etwas verschämt in Anführung gesetzten „technologischen
Schwierigkeiten“ sind in Wahrheit zu hohe Versicherungsprämien.

Was ist eigentlich aus ALITA geworden?

Re: 2013 Aktueller Stand der pharmakologischen Rückfallproph

Mittwoch 20. November 2013, 03:25

Lieber Federico,

Du hast wohl nur den Abstract lesen können....da wäre uns aber etwas sehr Dummes passiert. Der Artikel ist wunderbar, obwohl Disulfiram und Acamprosat und die Opiatantagonisten empfohlen werden.... Ich habe den kompletten Artikel gerade in der aktuellen Suchttherapie entdeckt (heute im Briefkasten), die Beurteilung ist insgesamt noch zurückhaltend aber Baclofen erhält immerhin wesentlich mehr Wertschätzung als wir noch vor kurzer Zeit hätten erwarten dürfen!

Als Zusammenfassung zu Baclofen:
Das an GABA-B-Rezeptoren agonistisch wirkende Antispastikum/Muskelrelaxans Baclofen kann als off-label-Medikation in einer Dosierung von 30-80mg/die (im Einzelfall auch höher) als Anti-Craving-Substanz gegeben werden. Die Studienlage ist für eine abschließende Beurteilung der Evidenz noch ungenügend. Positiv sind die geringe Toxizität und die Einsatzmöglichkeit trotz komorbider schwerer Lebererkrankung.
Und aus der Zusammenfasung des vollständigen Artikels:
Als Off-label-Medikation bei ungenügender/fehlender Wirksamkeit der anderen Substanzen oder bei Vorliegen einer hochgradigen Leberinsuffizienz erscheint uns der Einsatz des Antispastikums Baclofen indiziert, auch wenn bislang keine befriedigende Datenlage zur Evidenz besteht, was von kritischen Stimmen mit dem abgelaufenen Patentschutz des Wirkstoffs in Verbindung gebracht wird.

Den Segen der Nacht
jivaro

...und sie bewegt sich doch!

Re: 2013 Aktueller Stand der pharmakologischen Rückfallproph

Mittwoch 20. November 2013, 08:20

"der Einsatz des Antispastikums Baclofen indiziert, auch wenn bislang keine befriedigende Datenlage zur Evidenz besteht...."

Wenn das keine gute Nachricht ist....
Danke, liebe jivaro ! :daumen:

GLG, Werner

Galileo Galilei wurde auch sehr spät rehabilitiert.
Im Falle von Baclofen geht der Paradigmenwandel hoffentlich schneller....

Re: 2013 Aktueller Stand der pharmakologischen Rückfallproph

Dienstag 10. Dezember 2013, 18:15

@Alle,

in Ergänzung zum Beitrag (mir stand tatsächlich nur das Abstract zur Verfügung),
hat @Irving eine Kopie zur Verfügung gestellt. Ich denke, es ist so wie es Irving sagt:
Zeigen Sie diesen Artikel Ihrem Arzt und die Wahrscheinlichkeit der Verschreibung
von Baclofen steigt bestimmt.


Danke @Irving.

LG Federico

Re: 2013 Aktueller Stand der pharmakologischen Rückfallproph

Dienstag 10. Dezember 2013, 18:51

@all,

Nimmt man die Aussagen zu Acamprosat (Campral), „Aufgrund neuerer Studien wird
jedoch die Effektstärke des Wirkstoffs zunehmend kontrovers beurteilt.“
und zu Naltrexon
(Adepend) „in Metastudien zeigt sich eine mäßige Effektstärke bei hoher Anwendungssicherheit.“
sowie zu Nalmefene (Selincro) „Im Gegensatz zu Naltrexon ist es weniger hepatoxisch und besitzt
eine längere Halbwertszeit.“
erscheinen die Aussagen zu Baclofen in einem anderen Licht.

Der Artikel beinhaltet bezüglich der 3 in Deutschland zugelassenen Medikamente wenig
ermutigende Aussagen (auch nicht in Kombination), weist jedoch trotz ungenügender Studienlage
auf eine gute Wirkung von Baclofen (30-80mg) hin.

Die Diskussion wird anhaltend positiver.
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