Donnerstag 28. November 2013, 01:13
Hallo Ihr alle,
nun will ich doch noch mein Stimmungsbild hier abgeben. Zur Zeit fehlt mir die Zeit, um ausführlich zu schreiben, ich habe in der Vergangenheit meine Entwicklung ausführlich in meinen threads dokumentiert, wer also Zeit oder Lust hat nachzulesen, kann es dort tun.
Wo stehe ich heute?
Ich stehe dank Baclofen an einem Neuanfang meines Lebens.
Vor 1 1/2 Jahren war ich nach 20 Jahren Abhängigkeit in einem äußerst desolaten Zustand, körperlich, geistig, emotional sowie sozial und finanziell am Ende, ich ging in allen Lebensbereichen auf dem rohen Fleisch sozusagen und war suizidal.
Ich habe verzweifelt im Netz nach Lösungen gesucht - es war mein letzter Überlebenswille, der mir gesagt hat irgendwo in der Tiefes des Internets gibt es eine Lösung - und Baclofen, das Buch von Dr. Ameisen und das Forum gefunden. Das war meine Lebensrettung. Den klassischen Weg, Klinik, Entgiftung, Suchttherapeuten, AA etc. wäre ich nicht gegangen, denn ich kann Abwertung und Häme nicht ertragen. Ich hätte mich eher umgebracht.
Ich habe alle meine Hoffnung auf Baclofen gesetzt, habe mit letzter Kraft zuhause entgiftet (zu der Zeit trank ich 1 1/2 - 2l Wein täglich) und nach 5 Tagen Abstinenz nach dem Königsweg angefangen. Diese 5 Tage waren enorm schwierig, ich habe das Haus kaum verlassen können, aber ich kann nur jedem empfehlen, die Baclofentherapie aus der Abstinenz heraus zu beginnen. Ich habe in diesen Tagen noch einmal alle Tiefen durchlebt, habe intensiv Tagebuch geschrieben, es war so hart, dass klar war, diesen Vorgang wiederhole ich nicht alle paar Wochen, es war total klar, jetzt oder nie, jetzt gilt es. Ich wusste tief drin, falls diese Baclofengeschichte funktioniert, dann wird sie bei mir auch funktionieren, ich habe täglich im Buch von Dr. Ameisen gelesen, habe mir täglich hier im Forum Unterstützung geholt, ich habe mich regelrecht konditioniert, dass diese Sache klappen wird.
Ich habe mir das bildlich immer so vorgestelllt, ich stehe an einem Abgrund, über den ein Seil gespannt ist. Es ist die letzte Chance von dort wegzukommen. Die von der anderen Seite können einen Sessellift, bzw. so eine Stange zum zwischen die Beine klemmen rüber schicken, aber nur ein Mal, das heisst, ich habe genau einen Versuch, und der muss klappen. Inzwischen kann ich das zum Glück lockerer sehen, weil ich so viel Vertrauen in Baclofen habe, dass ich weiss, nach einem Rückfall fange ich einfach wieder mit Baclofen an.
Aus meiner Erfahrung kann ich nur jedem Mut machen, aus der 3-5 tägigen Abstinenz heraus zu beginnen. Es scheint tatsächlich so zu sein, dass Baclofen dann anders an der Rezeptoren im Gehirn andocken kann. (Ich weiss, es ist nicht einfach, ich war davor jahrelang keinen einzigen Tag abstinent!!). Ich habe vorsichtig und doch zügig hochdosiert bis 75 mg/Tag, dann war bei mir Schluss (Müdigkeit und Benommenheit), bin einige Tage dort geblieben, war allerdings zu dieser Zeit nicht arbeitsfähig, habe dann wieder runterdosiert. Meine Erhaltungsdosis seit mehr als einem Jahr ist 25mg/Tag, die nehme ich um ca. um 19.00 Uhr. In stressigen Zeiten erhöhe ich um 12,5 oder 2x 12,5mg, dann ca. 10.00, 14.00 und 19.00 Uhr.
Ich trinke gar keinen Alkohol mehr und kann wirklich sagen, ich habe Alkohol vergessen oder der Alkohol hat mich vergessen. Ich trauere dem Alkohol nicht nach, und bin jeden Tag glücklich, dass ich nicht trinken muss. Es gibt ganz selten mal Lust auf ein Glas Wein, an einem schönen Sommerabend auf der Terrasse, ein Teller mit Antipasti und ein Glas kühler Rosé, das wäre schön, ist aber ganz schnell vorbei.
Es fällt mir leicht, nichts zu trinken. Ich habe mein Leben in vielen Bereichen umgestellt, ich esse jetzt vegetarisch, da fallen auch schon viele Trigger weg, ich mache viel Yoga, ich habe wieder angefangen als Yogalehrerin zu arbeiten und gebe jetzt mehrmals die Woche abends Kurse. Die Abende mit der Flasche Wein allein zu Hause versunken in Selbstmitleid sind Vergangenheit. Ich bin hauptsächlich mit Leuten zusammen, die nicht trinken, ich muss mich nirgends erklären oder rechtfertigen. Im Gegenteil, die Leute fragen, warum ich so gesund und gut aussehe und wollen wissen, warum. Leuten, die mir nicht guttun, gehe ich aus dem Weg, so gut ich kann, so habe ich auch den Kontakt zu meiner Familie weitgehend abgebrochen. Sie waren mir in den Jahren meine Abhängigkeit keine Stütze, hatten nur Häme und Abwertung für mich, ich war die arbeitslose Versagerin, der letzte Dreck "und saufen tuts aa" hieß es da nur. Solche Leute können auch gar nicht ermessen, was für eine Leistung es ist, aus diesem 'Dreck' aufzustehen und neu anzufangen.
Ha, jetzt habe ich doch ganz viel geschrieben

Was ich eigentlich sagen wollte, ist, es geht mir gut. Ich gehe zur Zeit nach und nach die noch offenen Baustellen in meinem Leben an, gesundheitliche, finanzielle, berufliche, ich mache Therapie und komme wichtige Schritte vorwärts. Das wichtigste ist, ich habe meine Würde wieder gefunden, meine Hoffnung für die Zukunft, meine Freude am Leben.
Alles Liebe und alles Gute für euch
Betty