Sonntag 28. März 2010, 21:46
Hej Federico, anima, emelie, nuggetsurfer und danilo,
Eure offenen Schilderungen und Worte finde ich höchst beeindruckend; ich finde mich und meine Erlebnisse in vielen Teilen wieder. Dir, Federico, gilt mein besonderer Dank, da Dir diese öffentliche Schilderung Deiner Kindheitserlebnisse "eine schwere Kiste" gewesen ist. Ich freue mich mit Euch, daß Ihr so stolz auf Eure Kinder sein könnt. Ihr lebt miteinander nun diejenige Art der Eltern-Kinder-Beziehung, die Ihr Euch mit Euren Eltern immer gewünscht habt.
Euer alle Schilderungen zeigen, auf wieviele Weise sich das Fehlen der elterlichen Fürsorgefunktion zeigen kann: durch sexuellen Mißbrauch, durch körperliche Züchtigung, durch Verstoßen, durch Nichtbeachtung, und wohl vieles mehr.
Wir könnten uns wohl alle gegenseitig diejenigen Worte schreiben, die emelie anfangs geschrieben hat: "Was Du erlitten hast, tut mir sehr leid." Diesen Satz finde ich - obwohl ganz anonym geschrieben - sehr wohltuend! Danke, emelie!
Ich bin - soweit ich mich erinnern kann - nicht sexuell mißbraucht worden. Wenn man körperliche Züchtigung in einer Skala von 0-10 einteilen könnte, würde ich mich in die Kategorie 3-4 einordnen: Ab und zu mal Ohrfeigen oder schmerzhafte Schläge auf den Hintern - so, wie es in den 60ern üblich war (schlimm genug - niemals würde ich meinen Kindern so etwas antun), aber niemals "Prügel". Ich möchte aber in meiner Geschichte noch etwas zurückgehen.
Meine Eltern (Vater *1911 +1999, Mutter *1923 +1984) waren Kriegsflüchtlinge. Meine beiden Brüder (*1947/*1949) haben mich (*1957) immer sehr liebevoll begleitet. Ich bin also ein "Nachkommer", ob gewünscht oder Zufallsprodukt, weiß ich nicht. Jedenfalls bin ich ein Sieben-Monats-Kind, also ein "Frühchen", wurde nach meiner Geburt von meiner Mutter getrennt und habe wohl die ersten Wochen meines Lebens in einem "Brutkasten" verbracht, 100 km entfernt von meiner Mutter in einer anderen Klinik.
Meine Erinnerung an meine Kindheit beginnt mit dem Besuch des Kindergartens, vor/in dem ich große Angst und in dem ich mich nie wohlgefühlt hatte. Wohlgemerkt: Mein Vater war allein berufstätig, meine Mutter nie. Warum ich nicht zuhause (bei ihr) hätte bleiben können, weiß ich nicht.
Beim Besuch der Grundschule hatte ich immer Angst vor den größeren Jungs, die gern Schläge gegen Schwächere austeilten, und hatte Sicherheit, indem mich die Hand meiner Lehrerin festhielt, nach der ich immer suchte.
Meine beiden Brüder hatten zu studieren begonnen und waren froh, das Elternhaus verlassen zu können. Beide waren völlig über Kreuz mit jeglichen politischen Ansichten meiner Eltern. So begannen meine Eltern, ihre Hoffnungen auf mich zu projizieren: Der Vater Englischlehrer, Historiker, Germanist und Oberstudienrat; Mutter studierte Pharmazeutin, aber Hausfrau und Mutter.
Die Eltern lebten sich auseinander. Es gab täglich lautstarken Streit wegen Nichtigkeiten. Der Vater orientierte sich in seinen Lehrer-Kreisen, begann ein außereheliches Verhältnis (oder war es die Mutter, die ein solches begann - ich weiß es nicht!); die Mutter wandte sich der Religion zu.
Wo blieb ich, das Kind?
Es ist nicht meine Art, Fortsetzungsgeschichten zu schreiben, aber aufgrund der Tatsache, daß ich morgen früh wieder meine Berufstätigkeit aufnehmen muß, schließe ich jetzt für heute Abend.
LG, Rüdiger
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ivoaelg am Sonntag 28. März 2010, 22:39, insgesamt 1-mal geändert.