Dienstag 9. Juni 2015, 21:24
Mein Alk.-Konsum began während meiner Lehre (1972), als ich ein Jahr vor meinen Eltern aus den USA nach Deutschland zurückkehrte und bei meiner Großmutter wohnte. Da ich die Fotos von Raucherlungen aus der Schule kannte, war ich damals strikt gegen Rauchen. Der Bierkosum began damals bei 1-2 Flaschen am Abend und steigerte sich sehr langsam im Laufe von 10 Jahren auf das doppelte, obwohl es bei Feiern schon mal zu Exsessen kam, was eher die Ausnahme war.
Während der Lehre bot mir ein Kollege eine selbst gedrehte Zigarette aus Pfeifentabak an, und meinte ich solle mal probieren. Da die Wirkung etwas berauschendes an sich hatte, trafen wir uns jeden Tag währende der Frühstückspause auf der Toilette und rauchten eine.
Der Konsum von Zigaretten stieg schneller an, als der von Bier. Als meine Eltern in Deutschland ankamen und merkten, daß ich rauche, meinte mein Vater: "Wenn Du nicht mit dem Rauchen angefangen hättest, hätte ich Dir ein Auto geschenkt". Welch eine Logik!
Da ich die Spielsucht, die mich seit 1972 geplagt hatte, sie aber seit über 30 Jahren überwunden habe, lasse ich sie an dieser Stelle weg, da es zu weit führen würde.
Aus den damals 4-5 Flaschen Bier während der Bundeswehrzeit als Zeitsoldat (4 Jahre), währenddessen ich meine Ex-Frau kennenlernte, wurde ziemlich schnell eine Flasche Wein am Abend.
Die Spielsucht muß nochmal erwähnt werden, da ich beim Arbeitgeber eine Position hatte, bei der ich unbegrenzten Zugriff auf hochwertige elektronische Ersatzteile hatte, welche ich an Studenten weiter veräußerte. Es hat zwar einige Jahre gedauert, in der ich mich in Sicherheit wiegte, bis mein unverhältnismäßiger Verbrauch an Ersatzteilen auffiel. Als ich diesen nicht erklären konnte, wurde ich fristlos gekündigt.
Das war 1989, als die Mauer fiel und der westdeutsche Arbeitsmarkt mit Fachkräften aus den "neuen Bundesländern" überschwemmt wurde. Daher bin ich Fahrradkurier geworden, bzw. in den folgenden 18 Jahren im Kurierwesen und privaten Postdienstleister-Bereich tätig gewesen.
Mein Alk.-Kosum blieb zuerst bei 1L Rotwein am abend. 1996 lernte ich allerdings am Wochenende und an freien Tagen tagsüber zu trinken. Wir (Fahrradkuriere aus Hannover) waren auf einer Veranstaltung in Hamburg (Europameisterschaft der Fahrradkuriere). Wir waren Freitag abend dort angekommen und ich freute mich am Samstag Morgen auf meinen Kaffee, stellte aber fest, daß meine "Kollegen" bereits Bier zum Frühstück tranken. Den Kaffee habe ich trotzdem getrunken.
Da die Veranstaltung von Red Bull gesponsort wurde, und jeder Teilnehmer bzw. Gast mit Ausweis, unbegrenzt kostenlos das Getränk mit Wodka oder Sekt konsumieren durfte, kann man sich alles weitere vorstellen...
Seitdem habe ich auch zuhause an freien Tagen tagsüber getrunken.
Zuerst kam eine 12-wöchige Therapie, die letztendlich nichts gebracht hatte. Später habe ich an den freien Tagen bis zu 6 Liter Rotwein aus Tetrapacks, machmal zusätzlich etwas Schnaps getrunken.
In der Zwischenzeit habe ich auch viel Geld in Kneipen für Bier und Schnaps ausgegeben.
Halbwegs nüchtern war ich nur, wenn ich gearbeitet habe. Zum Glück war ich meistens Disponent und hatte kaum Kundenkontakt. Das ich als Fahrer morgens noch eine Fahne hatte, ist nur einmal aufgefallen, bzw. gemeldet worden.
Soweit die "Kurzfassung" und
meine längst überfällige Vorstellung
Der Vollständigkeit halber: In den letzten Jahren vor Baclofen, war etwa 1 mal pro Jahr eine stationäre Entgiftung fällig. Ich habe meist Krankenhäuser ohne "Psychoterror" bevorzugt, wo man einfach nur die 5 Tage entgiftet.
2009 hat mein Vater den Blog entdeckt und rumtelefoniert, um zu erfahren ob es jemand gibt, wo ich mit Baclofen behandelt werden kann. Die MHH hat zugesagt. Inzwischen hatte ich im Forum gelesen und mir beim Hausarzt ein Privatrezept besorgt.
Die ersten Erfolge waren überwältigend. Langfristig gab es Höhen und Tiefen, wobei ich tagsüber äußerst selten trinke und auch abstinente Phasen habe. Wie ich bei meinem
Hochdosierungsprojekt beim ersten Anlauf feststellte, scheint meine optimale Dosis bei etwa 112,5 mg zu liegen, bei der ich ca. 1 1/2 Monate Alk.-frei war. Diese Dosis ist auch mein Ziel beim 2. Anlauf.
In den letzten 6 Jahren gab es keine stationäre Entgiftung. Falls nötig, mache ich es selbst, da ich inzwischen über das Know-How und die notfalls erforderlichen Medikamente verfüge (das ist selbstverständlich keine allgemeingültige Empfehlung).
Mein Fazit: Baclofen hat mein Leben trotz Rückfälle/Relapse grundlegend zum positiven verändert. Für das Forum und dem Blog, sowie den unermüdlichen Einsatz für die Sache durch Federico und den beteiligten Ärzte bzw. Ärztin bin ich sehr dankbar.
P.S. Sorry, daß ich etwas ausholen mußte.