Mittwoch 24. August 2016, 08:16
Hallo Bine,
Bine hat geschrieben:So da hat mich dieses Scheiss Frust Trinken dann doch noch wieder erwischt ! ...
Aber das muss ich ändern.... ja was eigentlich, nichts war geplant.....
Ich bin neu hier im Forum und lese bislang eher still mit, aber dein Beitrag hat bei mir voll ins Schwarze getroffen, weil ich diese Überfallbesuche auch kenne und deinen Frust sehr gut nachvollziehen konnte.
Selbst trinke ich nicht (aber mein Partner) allerdings habe ich vor Jahren exzessiv Tabletten genommen, wenn die Welt mal wieder zu viel war, und die von dir geschilderte Situation kommt mir sehr vertraut vor.
Erst einmal Hut ab, dass du in dieser Sache so lange durchgehalten hast! Das zeigt doch schon mal eindrucksvoll, dass du solchen Situationen keineswegs mehr hilflos ausgeliefert bist sondern schon sehr weit beeinflussen kannst, wie sie sich entwickeln.
"Aber das muss ich ändern.... ja was eigentlich, nichts war geplant...."
Eben. Nichts war geplant. Schon gar nicht das unangekündigte Anrauschen von drei Übernachtungsgästen - egal ob Familie oder nicht.
Persönlich finde ich es eine Zumutung, was die sich erlaubt und dir zugemutet haben ohne - wie ich vermute - gefragt zu haben, ob es dir überhaupt passt. Schließlich sitzt du nicht den ganzen Tag zu Hause und wartest auf Besuch, weil dir sonst langweilig wäre. Normalerweise hat man ja selbst eine Vorstellung davon, wie die nächsten Tage laufen sollen, was so anliegt, was man tun will bzw. erledigen muss. Da ist es schon ziemlich anmaßend, einfach so hereinzuplatzen, sich einzunisten und davon auszugehen, dass das schon in Ordnung ist. Ganz abgesehen davon, dass man schließllich nicht immer unangekündigte Gäste haben will, die eine unbestimmte Zeit bleiben.
Aus deinem Zitat vom Frusttrinken schließe ich, dass du sehr selten sagst, was du möchtest, sondern schweigend und frustriert leidest, wenn eine Situation deinen Wünschen und Bedürfnissen zuwider läuft.
Aus meiner Sicht wäre das dein Ansatzpunkt, um solche Frustsituationen langfristig zu entschärfen: lernen, deinen eigenen Wünschen hörbar Ausdruck zu verleihen, damit sich deine Umwelt überhaupt mal mit deinen Bedürfnissen auseinandersetzen kann/muss.
Eh, ich weiß, leichter gesagt als getan. (Es gibt schließlich einen Grund, warum ich Tabletten wie Smarties eingeworfen haben.

) Aber glaub mir, die Arbeit lohnt sich echt.
Vor allem wenn man sich nach einem solchen Desaster, wie du es gerade hinter dir hast (und ich meine damit die Belastung durch den Besuch selbst, nicht deinen trinktechnischen Rückfall), in Ruhe überlegt, wie man genau so eine Situation im nächsten Fall angehen will. Und sich das in ein Heft aufschreibt!!! Und wenn die Situation sich dann erneut abzeichnet, im Heft nachliest, was man sich dazu für Gedanken gemacht hatte und dann nach diesem Plan A vorgeht.
Selbst wenn es dann schief geht, bleibt das Gefühl, wenigstens *etwas* unternommen zu haben und je öfter man das macht, desto besser wird das Gefühl und mit jedem Mal fällt es ein klein wenig leichter. Der Anfang ist am schwersten! Aber so kommt man langsam aber sicher aus der hilflos-gefrusteten Position heraus.
Genau die Situation, die du geschildert hast, war auch bei mir ein Problem. Angegangen hatte ich es dann wie folgt:
Den Überraschungsbesuch freundlich begrüßt "schön dass ihr da seit, etc. etc" aber dann auch direkt innerhalb der ersten Stunde, beim Begrüßungskaffee z.B. gefragt, wie lange sie denn bleiben wollen, damit ich entsprechen planen kann. So habe ich das auch formuliert, denn es ist völlig normal und legitim, danach zu fragen.
Und wenn mir das zu lange war, dann auch tatsächlich freundlich abgelehnt. "Bis Mittwoch? Das ist schade, das passt mir leider nicht wirklich. Aber ich würde mich freuen, wenn ihr bis morgen bleibt und noch mit uns zu Mittag essen würdet." Und in einem denkwürdigen Fall musste ich eine unangekündigte Übernachtungsgästin sogar auf "Ich freue mich auf deinen nächsten Besuch, aber für den Rest des Tages habe ich schon andere Pläne und es passt mir heute leider gar nicht, dass du hier übernachten willst."
He, kann natürlich sein, dass der Besuch pikiert reagiert - ist sogar ziemlich wahrscheinlich. Aber weißt du was? Na und! Der beruhigt sich auch wieder und für's nächste Mal probiert er die unangekündigte Belagerung in der Form nicht mehr aus! Du hast das Problem damit nachhaltig entschärft und alles was es dich gekostet hat war ein Kugelschreiber, ein Notizheft (um die Strategie zu notieren) und eine große Portion Mut, um den Mund aufzumachen.
Wie hat mein Therapeut zu solchen Konfliktsituationen so schön gesagt: "Entweder ist ihr Gegenüber glücklich und sie ärgern sich oder Sie sind glücklich und ihr Gegenüber ärgert sich. Was ist ihnen lieber?"
Und Recht hatte er! Das ist eine goldene Regel.
Freundlich im Ton, entschieden in der Sache die eigenen Wünsche und Bedürfnisse äußern kann viele solcher Frustsituationen im Keim ersticken, ehe sie überhaupt erst zu Frust ausarten. Und selbst wenn es mal nicht klappt - man kriegt nicht immer, was man will - dann bleibt doch das gute Gefühl, nicht den Mund gehalten zu haben.
Sich nicht auch noch *selbst* übergangen zu haben!
Es ist ein Prozess der andauert (das Notizheft habe ich heute noch und es ist mittlerweile ziemlich dick.

) aber es ist eine lohnenswerte Sache, die mit der Zeit immer leichter fällt.
Und es ist ein grandioses Gefühl, wenn man so eine drohende Frustsituation das erste Mal erfolgreich abgebogen hat und merkt, man ist den Umständen und Ansprüchen der Mitmenschen keineswegs hilflos ausgeliefert.
Viel, viel Glück auf deinem weiteren Weg.
Liebe Grüße
Pat