Baclofen Forum vs Alkoholismus

...nachdem ich viele Wochen Euer Forum mitgeloggt habe, entschloss ich mich, beizutreten. Mir haben die vielen Berichte und Schicksale sehr geholfen, mich nicht völlig im Abseits zu fühlen. Ich bin 40 Jahre alt, trinke regelmässig seit ich 16 war, bis vor 2 Jahren "relativ" kontrolliert, also Abends 2-5 Bier oder eine Flasche Wein zum "runterkommen" - am WE auch mal einen Komplettabschuss. So weit, so gut, sicherlich keine gesunde Dosis, aber konnte gut damit leben, Job/Familie/Freunde haben prima funktioniert. Vor 2 Jahren Trennung von Frau und Kind nach 10 Jahren Beziehung, wohne seitdem wieder allein. Und war sofort im Dauernebel, zum Frühstück eine Flasche Rotwein oder mehrere Bier und dann schön über den Tag verteilt, nur nicht nüchtern werden. Gelegentliche Komplettabstürze mit 100%igen Filmrissen inklusive. 2 böse Treppenstürze (Danke an meinen Schutzengel, der die Schnauze noch nicht ganz voll zu haben scheint)
Unverantwortliche Autofahrten im Vollsuff (nichts passiert) und massenweise peinliche Auftritte....dann beruhigte sich die mentale Lage etwas, schwupps, nächstes Drama, eine andere Frau, ging vor den Baum...weitertrinken!!! Job abgerutscht, Termine verkackt, Handy ausgemacht und völlig abgeschottet in Selbstmitleid aufgegangen, Sohn regelmässig angefahren usw. Habe dann letztes Jahr im Sommer eine wundervolle Frau kennengelernt, wir sind noch heute zusammen, Sie kennt mein Problem und drängelt nicht, konnte mir natürlich auch nicht helfen.
Es hatten sich vor ca.5 Wochen 2 neue berufliche Perspektiven und eine wunderbare Wohnung für uns ergeben. Ich lag jedoch das ganze WE im Vollnebel und hatte null Kraft und keinen Plan, wie ich das stemmen sollte. Ich wollte dann zu meinem Doc und mir das BAC besorgen, sozusagen meine letzte Hoffnung, nicht komplett alles zu verkacken. Habe dennoch einen letzten Selbstversuch gestartet. Nach besagtem WE ein paar Tage Abstinenz unter den üblichen Qualen, dann ging es leicht bergauf, insgesamt eine Woche ohne, das ist mehr als 10 Jahre her, dass ich das geschafft hatte. Dann habe ich mir eine Regel aufgestellt, So-Do Abstinenz, Fr/Sa ist erlaubt mit absolutem Oberlimit = 6 Bier oder 2 Flaschen Weisswein über den Abend verteilt (kein Muss!) Hat jetzt 4 Wochen prächtig funktioniert, Limit nicht immer erreicht. Craving hält sich absolut in Grenzen, Laune steigt, Körper wird fitter, Stuhlgang, Magen/Speiseröhre haben sich normalisiert. Sex ist jetzt jederzeit möglich, nicht nur in den "lichten Momenten" ...Hunger ist wieder da, Kaffee, Tomatensaft, Fruchtsäfte sind auch lecker, gehe wieder entspannt mit meinem Sohn um, habe Kraft für die Jobs und freue mich auf die nächste Zeit. ICH MÖCHTE UM KEINEN PREIS IN DAS ALTE SCHEMA ZURÜCK!!!! Und ich hoffe, ich halte das so durch. Aber es macht so mehr Spass, definitiv! By the Way - habe vor 15 Jahren mit dem Fluppen aufgehört (2-3 Schachteln täglich) - bis heute ohne Rückfall.
Was meint Ihr dazu? Noch eine kleine Story, ich möchte meinem besten Freund helfen, seit 4 Jahren auf Fusel, 2 Therapien umsonst. Geht früh zum LIDL kauft 2 Brötchen und klaut 2 Flaschen Hochprozentiges um über den Tag zu kommen. Ich will nicht sehen, wie er eines Tages verreckt. Möchte ihn gerne zum Doc schleifen und auf BAC setzen, der findet es aber lächerlich, was tun? Danke und herzliche Grüsse an Alle!

Hi,
schön, dass es “a new hope“ gibt. Klasse!!!

Bei den Suchttherapietagen in Hamburg (14.- 17.06.2011) ging es in diesem Jahr um die Selbstheilung, man schätzt, dass es in Deutschland über 3 Millionen Menschen gibt, die ohne Therapie wieder vom Alkohol „weggekommen“ sind, viele reden nicht mehr darüber, sind einfach froh ihre „Freiheit“ wiedergefunden zu haben. Ich denke, dass eine gute Partnerschaft, zusammen mit neuer Umgebung und beruflicher Perspektive natürlich ideale Startbedingungen sind; trotzdem sind die Faktoren, die diese positive Entwicklung ermöglichen noch nicht exakt zu benennen …wie so oft. Vielen Abhängigen ist es nicht möglich ihre Situation trotz guter Rahmenbedingungen zu ändern, oft aber mit Baclofen.

Die Regeln, wann trinken erlaubt ist, sind absolut wichtig, diese Erfahrung machen wir hier alle beim Versuch des MT (unter Baclofen). Wir sagen: nie in den Situationen trinken, in denen es „früher“ üblich war, insbesondere negativ besetzte Situationen, Frust, Betäubung, Depris…..

Es ist ein Geschenk, wenn Du es so schaffen kannst, Baclofen bleibt ja immer noch. Schreib doch wie es für Dich weitergeht. Und viele Grüsse an die wirklich „wundervolle Frau an Deiner Seite“!!!

Für deinen Freund wäre Bac von meiner Seite aus gut und richtig. Du kannst aber nichts, absolut nichts machen, wenn das Wichtigste fehlt: Motivation. Versuch ihm (dosiert) weiter ein guter Freund zu sein, ohne Deinen eigenen Erfolg zu gefährden. Ist nicht arrogant gemeint, aber Du bist noch nicht im stabilen Gleichgewicht (falls das als Mensch überhaupt zu erreichen ist).

LG und best wishes for a new hope
jivaro

@a new hope,

versuch dieses Limit zu halbieren. Das Risiko ist bei sich ändernden Wetterbedingungen zu groß. Über Deine Dosierung konnte ich nichts lesen, nimmst Du es überhaupt schon? Mehr als 2 Standard-Drinks (1 SD = 1 Glas Wein) können die Wirkung von Baclofen aufheben bei 75mg Dosierung. Mit 2 Flaschen Wein kommst Du trotz Baclofen in den alten Wirkungsbereich, den Du eigentlich nicht mehr erreichen wolltest. Genieße bitte die neugewonnene Freiheit und laß Dir bitte viel Zeit dabei. Zu Deinem bedauernswerten Freund hat Jivaro alles gesagt.

Liebe Grüße
Federico

@a new hope,

auch von mir die allerbesten Wünsche. Zu den Meiningen haben meine Vorredner alles gesagt.
Liebe grüße, tenzing

Vielen, vielen Dank für Eure Antworten! Ich nehme BAC noch nicht, das bleibt immer noch als "letzte Instanz" möchte es sehr gern erst mal so weiter versuchen und starte jetzt in Woche 5! Mit dem auferlegten Limit (was ja nicht ausgeschöpft werden muss!!) fühle ich mich ganz gut. @federico - bei gleichzeitiger Medikation würde ich Deinen Rat natürlich sofort umsetzen, Danke! Gestern 5 Stunden Gartenarbeit runtergerissen & ohne Schlaftrunk ins Bett gefallen, hätte nicht gedacht, dass das noch so funktionieren kann.
Ich werde weiter berichten. Zu meinem Extremfreund, er hat jetzt eine Woche clean runtergerissen und möchte heute zur Arge, alles in Ordnung bringen. Ich hoffe, der Weg endet nicht am LIDL, aber am Ende habt Ihr Recht, er muss es wollen und ich kann ihn nur bis zu einem gewissen Punkt begleiten. Danke nochmals, viele Grüsse und eine schöne Woche an Alle!!

Hallo und willkommen auch von mir!

Bin hier eher ein ruhiger Leser und auch noch nicht so lange dabei – doch deine Geschichte erinnert mich sehr an das, was ich selbst erfahren haben, so dass ich spontan antworte und deiner Bitte um Meinung nachkomme.

Neue, hoffnungsvolle Situationen geben Auftrieb und Kraft. Wenn dann ein vorher unerreichbar scheinender Kraftakt wie das kontrollierte Trinken möglich wird, verstärkt das die gute Verfassung und die Aufwärtsspirale Motivation – Engagement – Erfolg – Motivation -… wird in Gang gesetzt.

Solange das anhält, ist es gut. Wenn es zum Stillstand oder gar zum rückläufigen Bewegung kommt, fehlt es oft an der Energie, die selbst auferlegten Regeln einzuhalten. Man will zwar, weil der Verstand einem sagt, dass es besser und alles andere Wahnsinn wäre, aber man kann nicht, weil der Glaube an einem selbst wieder fehlt.
Handeln wir doch meistens nicht nach dem rationalen Verstand sondern sind „Geisel“ unseres Unterbewusstseins und aller darin abgespeicherten Erfahrungen.
Und diese Erfahrungen sind eben „Alkohol fürs Runterkommen“, „Alkohol um zu Verdrängen“, Alkohol damit es nicht mehr weh tut“.

Ich möchte Dich nicht entmutigen, aber zur Vorsicht mahnen.

Mir selbst ist es in Zeiten, in denen es „gut lief“ mehrfach gelungen, Abstinenz zu leben oder kontrolliert (nur am Wochenende eine limitierte Menge) zu trinken.
Dann gab es aber auch wieder Zeiten, wo es nicht so gut lief. Und wenn dann von der Wochenendration Wein noch was übrig war? In den Ausguss schütten? Nein, so ein kleines Glas am Abend des nächsten Werktags ist doch nicht so schlimm, oder?

Nach der ersten Ausnahme zur selbst auferlegten Regel folgt schnell die zweite…

Ich wünsche Dir allen Erfolg. Außerdem wünsche ich Dir aber auch einen Anker für die Zeiten, in denen die Erfolge nicht so üppig sind und der Auftrieb nachlässt. Such dir deine Stützen jetzt schon. Das kann BAC sein, oder aber auch etwas völlig anderes.

Viel Glück und lass von Dir hören, wie es Dir weiter ergeht!
Tapsi

So, da bin ich wieder...Sommer vorbei & 2 Monate später. Hat nun also alles mehr oder weniger gut funktioniert. Bis zum Umzug vor 4 Wochen, totales Chaos (immer noch)...mehr oder weniger den ganzen Tag zuhause am werkeln und schwupps, da "schmeckt" es auch wieder JEDEN Tag. 1 Sixpack über den Tag verteilt und abends 1-2 Pullen Soave oder Sekt zum "Einschlafen" - keine Exzesse dabei . Moment mal, machen meine Freunde/Bekannten ja auch? (Nur die kriegen am nächsten Tag keine Schweissausbrüche, Craving und träumen irgendwelche Splatterfilme). Seit Sonntag abstinent & geht mir gut dabei...und nun? Doch das Zeug besorgen? Möchte die Spirale auch nicht unbedingt wieder in Gang setzen.
Beste Grüsse!!

Guten Morgen und vielen Dank!

@ Willo - ist angekommen & bitte - weiter ehrlich draufhauen,
alles andere hat keinen Sinn. Sonst würde ich auch nicht im Forum um Hilfe und Austausch bitten
Sicher, die Spirale ist schon im Gang und der
Weg zur "Normalität" "Kontrolle", den sich so viele "Kollegen" wünschen, möglicherweise
aus eigener Kraft auch nicht mehr erreichbar. Also HOP oder TOP? Ein grauseliger Gedanke...aber wenn ich zwischen den Extremen wählen MÜSSTE (und höchstwahrscheinlich muss ich das ja auch relativ kurzfristig), dann lieber OHNE, ist allemal besser.
Vielleicht sollte man sich noch 1-2 Versuche gönnen, vielleicht ganz lassen oder doch den goldenen Mittelweg zum Doc.
Ich weiss es noch nicht, wirklich nicht. Aber lebenslang Mineralwasser zum Steak?

@ Conny - ja, die Menge ist grenzwertig, keine Frage. Da ich aber die meiste Zeit zuhause am werkeln war,
passt das schon mit "arbeitsfähig" infolge weitertrinken...Ironie in sich.
Ich habe es seit Sonntag einfach gelassen (incl. der mir wohlbekannten Konsequenzen)
Seit Dienstag geht es (bis auf den ständigen Fressflush - aber damit kann ich leben)
und der Schlaf haut nach wie vor nicht hin, bin jedoch klar in der Birne und arbeitsfähig...
Ich habe sehr viel im Forum gelesen, Bedenken habe ich gar keine. Am Ende ist es sicherlich
die Strohhalm-Geschichte,verbunden mit dem Eingeständnis, dass ich es allein nicht schaffe.
Ich werde es bis So auf jeden Fall setzen lassen (nüchtern) (habe noch viel vor diese Woche)
und dann eine Entscheidung treffen. Ich halte Euch auf dem laufenden. Vielen, vielen Dank! LG new hope

@new hope,
Baclofen+Arzt+Forum ist in der Summe ein sehr komfortables Rettungspaket. Pack es einfach aus (oder an).

LG Federico

Der ist richtig gut! Abstrahieren ist genial.