Hallo Leute,
ich mache hier mal einen neuen Thread auf, in welchem ich gerne Erfahrungen / Erkenntnisse zum Thema Ernährung sammeln würde.
Meine Frage an Euch: Soll ich das hier öffentlich tun? Interessiert das? Würdet Ihr Eure Erfahrungen mit mir teilen? (Mich würde das sehr interessieren!) Oder soll ich das alles lieber für mich behalten und das Forum nicht damit vollmüllen?
Fange ich einfach mal an ... Ihr könnt dann ja immer noch STOPP schreien.
Warum das Thema meiner Meinung nach in den "Essstörungen"-Bereich gehört:
Hier gehts um Sucht, und auch wenn ich nicht bulimisch oder anorektisch bin, empfinde ich mein Essverhalten als süchtig. Damit bin ich nicht allein, ich glaube, es geht verdammt vielen Leuten so - nur dass es nur in den extremen Fällen auch so wahrgenommen wird.
Das ist ganz ähnlich wie beim Alkoholismus: Alkoholkonsum ist gesellschaftlich etabliert. Nur wenn jemand aus der Rolle fällt und seinen Konsum nicht mehr kontrollieren kann, gilt er als süchtig.
Mit dem Essen ist es in gewisser Weise nochmal schwieriger, denn während man mit Alk ganz aufhören kann, gehört Essen noch mehr zum menschlichen Miteinander und man kann es sich nicht "abgewöhnen" oder "abstinent" werden. Man MUSS zu einem moderaten und selbstbestimmten Umgang damit finden.
Warum und wodurch ich mein Essverhalten als süchtig empfinde:
- Meine Gedanken kreisen ständig darum, ob und was ich esse.
- Ich erwische mich dennoch täglich dabei, dass ich irgendwas in mich reinstopfe, das ich eigentlich nicht essen wollte. Das heißt, ich bestimme in vielen Fällen nicht selbst, was und wann und wie viel ich esse. Wenn mir jemand sagt: Aber Du musst doch die Chipstüte nicht essen - kann ich nur lachen. Doch, ich MUSS. Wenn das nicht so wäre, hätte ich ja das Problem nicht. Ich kann nicht darüber bestimmen, und das führt zu: Schuld, Versagen, Ohnmacht.
- Der Gedanke, bestimmte Nahrungsmittel nicht zu bekommen, auf etwas verzichten zu müssen, versetzt mich in Panik. Ich "brauche" jetzt sofort die ganze Packung Toffifee, und zwar innerhalb weniger Minuten. Denn sonst könnte ich zur Besinnung kommen und mein Tun in Frage stellen, bevor die Packung vernichtet ist. Ich genieße kein einziges von diesen Toffifees. Und die Sache ist nach drei Minuten vorbei.
- Wenn ich bestimmte Sachen nicht haben kann - weil ich mal wieder einen Abnehmversuch starte - dann setzt ganz ordinäres Craving ein. Das unterscheidet sich gefühlsmäßig in nichts von Alkoholcraving. (Keine Ahnung, ob das im Hirn auch dasselbe ist?) Irgendwann lässt die Willenskraft nach, ich laufe in den Laden und kaufe alles, was ich "entbehren" musste.
- Ich beschäftige mich anfallsartig mit "gesunder" Ernährung. Wobei es da etwa hundert einander widersprechende Schulen gibt. Die Verwirrung ist wirklich umfassend. Es ist so ähnlich, wie vorher mit kurzen Trockenphasen. Nur, dass es mehr Arbeit macht.
Seit ich Baclofen nehme, hat sich aber folgendes komplett verändert:
- Das bereits vorhandene Wissen, dass Diäten niemals funktionieren, ist endlich vom Kopf in den Bauch gerutscht. Diäten basieren - genau wie Abstinenz durch Willenskraft - immer auf dem Prinzip der Selbstkontrolle gegen einen innere Druck. Irgendwann hält man dem Druck nicht mehr stand.
Diäten bedeuten Entbehrung. Auch und gerade, wenn man betont, dass es sich um eine langfristige, am besten lebenslange Ernährungsumstellung handeln soll.
Die Vorstellung, den Rest seines Lebens nur noch "gesund" zu essen - was immer das jeweils sei - ist genauso schrecklich, wie die Vorstellung für einen Alkoholiker, nie wieder trinken zu dürfen. Es macht depressiv.
- Ernährungsumstellungen können nur dann funktionieren, wenn Kopf, Bauch, Herz und Freude beteiligt sind. Wenn sie als glücklichmachend erlebt werden. So, wie ich es jetzt in Bezug auf Alk erlebe: Es macht mich glücklich, das Zeug nicht mehr zu brauchen! Ebenso könnte es einen grlücklich machen, nicht mehr süchtig zu essen. Glaube ich.
Was bedeutet "nicht süchtig esssen"?
Keine Ahnung, ob es dafür eine "offizielle" Definition gibt. Meine momentande Definition beinhaltet Folgendes:
- Ich esse, wenn mein Körper nach Nahrung verlangt.
- Ich esse genau das, was er verlangt. (= worauf ich am meisten Lust habe.)
- Ich bin dabei nicht abhängig von Konventionen oder Ernährungsschulen, denen ich streng (oder süchtig) folge. Ich entscheide selbst.
- Ich genieße mein Essen.
- Ich höre auf, wenn ich satt bin.
Im Grunde könnte man es auch auf den einen Satz reduzieren:
Ich genieße mein essen.
Im Grunde beinhaltet dieser Satz alle anderen, denn der Körper ist ja eigentlich so eingerichtet, dass er mir verrät, was er will und wie viel davon. Und wenn man satt ist, schmeckt das Essen meist sowieso nicht mehr so richtig. Man hat "genug davon".
Voraussetzungen dafür sind - nach meinem jetzigen Gedankenstand:
- Ich füttere meinen Körper nicht mit Müll, der nur so tut, als ob er Nahrung sei. Das heißt im Grunde: Sachen voller zugesetzter Stoffe, die da von Natur aus nicht reingehören. Kein Wunder, wenn dann alles nach MEHR schreit, wenn die Erdbeermüllermilch leider nicht das winzigste Bisschen der Stoffe enthält, die in einer echten Erdbeere drin sind.
Ich würde im Moment erstmal einfach gerne wieder lernen, die Dinge zu schmecken, so wie sie von sich aus sind. Also: Sachen einzeln essen.
Kleinkinder werden auf diese Art ans Essen rangeführt. Und sie genießen normalerweise jeden Bissen als echtes Erlebnis.
- Ich setzte mich über Konventionen und Schulen hinweg und horche wirklich erstmal darauf, was ich in einem gegebenen Moment wirklich will. Wenn das morgens eine Kartoffelsuppe ist oder mittags mal gar nichts oder abends "nur" Erdnüsse oder Haferflocken, dann ist das eben so. Sch* auf Ernährungsgurus aller Art!
Das ist wahrscheinlich schwierig, weil ich es mir sehr schwierig vorstelle, wirklich wahrzunehmen, was man wann braucht und will und nicht einfach nach bekannten Mustern zu verfahren.
- Lernen zu erkennen, wann der Genuss aufhört und ich satt bin. Wann ich also aus andern Gründen esse, als um mir etwas Gutes zu tun. "Falsche" Gründe wären etwa: Überdeckung negativer Empfindungen, Konvention und Gewohnheit, Stressbewältigung, Langeweile, Craving.
Okay, mehr fällt mir erst einmal nicht ein ...
Ich stelle jedenfalls fest, dass solche Gedanken zum ersten Mal wirklich klar und fassbar sind.
Und ich stelle fest, dass Bac mir hilft, in Richtung dieser Grundsätze zu gehen, meine Essgewohnheiten gewissermaßen "auf Null" zu setzen, ohne Panik und Schuldgefühle zu beobachten, was ich wann, wie und warum in mich reintue.
Wie beim Alk gewinne ich den nötigen Abstand, um mir die Sache erstmal gründlich anzusehen.
Jetzt möchte ich nach und nach herausfinden, was für mich eine gute, glückliche Ernährung sein könnte. Frei von Sucht und Schuld. Das ist für mich die zweite Baustelle neben dem Alk.
LGE