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Re: Ich fange jetzt auch an mit Aufhören

Freitag 19. Oktober 2012, 10:40

Ich spürte eine ironische Erheiterung in mir aufsteigen
@Betty,

ich auch, beim lesen Deiner Zeilen. Mittelschwere depressive Episoden sind für einen Psycho die Brotdiagnose. In den USA geht Patient in diesen Fällen in den Drugstore, aber nicht zum Psychiater. Das Bild ist übrigens kein Witz, so wurde Prozac in den USA tatsächlich beworben ...

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20 Minuten bei einer Koryphäe ist schon ein Entgegenkommen das Du schätzen solltest. Ich kenne es als Privatpatient im Bereich von 5 Minuten. Anders kann es gar nicht gehen, wie soll denn so ein Facharzt sonst die Miete in bester Innenstadtlage bezahlen? Weißt Du was die Mitgliedschaft im standesgemäßen Golfclub kostet? Das Theaterabo, der Zweitwohnsitz in St. Moritz oder Kitzbühel, Ehefrau/Mann, Geliebte/r, die ganzen Geschenke von Armani bis Zara. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen, Ironiemodus aus.

Besser ist Humor den man sogar kaufen kann, wie z.B. das Buch von Manfred Lütz: „Irre, wir behandeln die Falschen.“ Gut ist auch ein Blick aus dem Fenster, die Tage werden immer kürzer und das Stimmungstief immer tiefer – dagegen helfen ganz gut Lichttherapiegeräte von Amazon, mittlerweile erschwinglich – und tägliche, lange Spaziergänge an der frischen Luft bei jedem Wetter.

Im Klartext, ich muss aktiv werden und selbst für mein Wohlbefinden sorgen, niemand sonst macht das für uns außer Eli Lilly and Company und auch die wollen Geld dafür. Dennoch bin ich kein Gegner von Psychopharmaka, hier eine Zusammenfassung, die meine Meinung dazu wiederspiegelt.

Bitte nicht falsch verstehen, ich mach' mich nicht lustig über ein Problem das Dich und andere belastet – ich mach' mich lustig über mich und mein Problem. Niemand muss diese auf eigner Erfahrung beruhenden Selbsthilfetipps annehmen – kostenlos sind sie außerdem.

Zum Schluss noch ein Buchtipp aus der ernsten Abteilung. Viktor Frankls ... trotzdem Ja zum Leben sagen zeigt unter anderem wie selbst unter extremsten Bedingungen Leben lebenswert ist. Er macht während seiner Gefangenschaft in Auschwitz eine Beobachtung als Psychiater, die ich aus Erzählungen einer Psychologin in anderem Zusammenhang kenne. Frau Dr., sie hieß mit Vornamen Slavica und stammte aus Sarajevo, erzählte mir während einer Fortbildung wie sie die Belagerung von Sarajevo erlebt hatte: „die psychiatrischen Kliniken der Stadt waren wie leergefegt, es gab nur noch einige wenige sehr schwere Fälle von Schizophrenie und Fälle von schwer traumatisierten Patienten. Es gab so gut wie keine Patienten mehr mit Depressionen, weder leichte noch schwere. Manchmal dachte ich, ich sei die einzige die von Zeit zu Zeit damit zu kämpfen hatte ...“.

Mir hat das damals die Augen geöffnet und ich habe verstanden. Der bis dahin oft gehörte Satz „freu Dich an den kleinen Freuden des Lebens“, (wer kennt ihn nicht), hatte plötzlich eine ganz andere Bedeutung erlangt.

LG Federico
PS da fällt mir noch so ein „lesbares Antidepressiva“ ein, wirkt schon nach den ersten 10 Seiten ... Paul Watzlawick's, Anleitung zum Unglücklichsein

Re: Ich fange jetzt auch an mit Aufhören

Freitag 19. Oktober 2012, 12:37

@moonriver Suizidalität ist eine häufige NW von Citalopram, wenn es hochdosiert ist. Und für Dich war es hochdosiert, haben ja die anderen NW gezeigt.

@Federico: Die preiswerten Lichtgeräte sind nicht preiswert, sondern billig. Um einen respektablen Erfolg mit Lichtherapie zu erreichen braucht man Geräte die 10000 LUX realisieren und die kosten immer noch ab 150 € aufwärts.
UND: Nicht jeder niedergelassene Arzt kann sich die von Dir aufgelistete Palette von "Annehmlichkeiten" leisten. Eigentlich nur Radiologen, Kardiologen und Labormediziner.

@Bettyblue: wie Moonriver schrieb, ist es sicher wichtig, zuerst Deine Endokrinologie in den Griff zu bekommen. Verzeih mir, ich habe Deinen Thread nicht immer mitverfolgt, deswegen die Frage: Wann trat denn Hashimoto-Thyreoditis beu Dir zum ersten Mal auf? Am Anfang hast Du davon nicht berichtet. Und was war zuerst da: Hashimoto oder depressive Grundstimmung? Ist diese durch Hashimoto nur verstärkt? Dann sollte man es m.E. zwar einerseits im Zusammenhang, andererseits doch gesondert betrachten.

LG Fallada

Re: Ich fange jetzt auch an mit Aufhören

Freitag 19. Oktober 2012, 12:42

@Federico: sehr guteund hilfreiche literarische tips. LG Fallada

Re: Ich fange jetzt auch an mit Aufhören

Freitag 19. Oktober 2012, 15:10

@Falllada,

man kann auch 500,– ausgeben wenn man will, das hier mit 10.000 Lux kostet jedenfalls bei Amazon 59,- EURO. Im Prinzip sind alle Geräte mit zwei PL-L 36W Energy Light Vollspektrum Energiespar-Röhren ausgestattet. Der Rest ist Schnick-Schnack-Bedienungszeugs und natürlich Design. Übrigens sind die 10.000 Lux immer nur bei einem Abstand zum Gerät von 20 bis 30 cm zu erreichen.

LG Federico

Re: Ich fange jetzt auch an mit Aufhören

Freitag 19. Oktober 2012, 16:21

Hallo,

komme gerade von draußen rein, nach mehreren Stunden körperlicher Arbeit in der schönen Herbstsonne. Und ich finde -wow- viele Nachrichten und oh, ich sehe ihr wollt mir wirklich helfen. Danke dafür.

Doch zum ersten Mal muss ich leider sagen, dass ich eure Tipps nicht wirklich als hilfreich empfinde. Ich sage das mal so geradeheraus, ich denke wir kennen uns lange genug dafür.


@ Fallada, Hashimoto wurde bei mir vor ca. vier Jahren diagnostiziert. Wenn das L-thyroxin gut eingestellt ist, kann ich damit gut leben. Die Krankheit verläuft schubweise. Bei einem Schub produziert die Schilddrüse gleichzeitig Symptome der Überfunktion sowie der Unterfunktion. Das kann einen dann ganz schön beuteln, fängt sich aber wieder mit korrekter neuer Einstellung. Da bin ich gut informiert und auch ärztlich gut versorgt. Die Schilddrüsenerkrankung ist nicht Ursache meiner Depression. Die habe ich seit Kindertagen. Ist die Schliddrüse schlecht eingestellt verschlechtert sich aber das seelische Empfinden.

@federico, du hast kluge Worte gesprochen, voller Lebensweisheit und auf kluge Autoren hingewiesen. Das kann ich alles unterschreiben. Und doch ist das nichts anderes, als was jeder Depressive von seinen Angehörigen, die es ja natürlich nur gut meinen, genaus so zu hören bekommt:
- geh raus, geh spazieren, die Sonne tut dir gut, mach Sport, denk positiv, orientier dich an den klugen Weisheitslehrern, nimm dich selber nicht so wichtig, anderen geht es viel schlechter als dir.......fehlt noch: reiss dich zusammen :(

Und was, wenn das alles nicht geht? Und was, wenn derjenige eine Stunde braucht, um sich zu überreden, laufen zu gehen, um dann beim Binden der Laufschuhe weinend auf dem Boden zusammen bricht?

Und was wenn man das alles tut, und es hilft trotzdem nicht? Ich habe keine Herbstdepression, ich liebe den Herbst und den Winter, ein Spaziergang an einem knackig kalten Wintertag macht mir mehr Freude als ein schwülwarmer Sommertag am lauwarmen Badesee. Ich liebe die Natur und bin beruflich häufig den ganzen Tag draußen, bei Wind und Wetter. Ich bin daher körperlich fit und fast nie erkältet.
Ich lese gelegentlich ein gutes Buch und denke - so hoffe ich doch ;) gelegentlich einen klugen Gedanken.

Und doch habe ich als Folge traumatischer Erlebnisse in der Kindheit seelische Schmerzen, die ich ja bereit bin zu akzeptieren und meinen Umgang damit zu finden, die mir gelegentlich aber auch zu viel werden. Ich lass mal das überstrapazierte Wort 'Depression' weg. Ein Arzt sagte mir mal, sie haben keine Depression, das was Sie haben, nennt man ein 'gebrochenes Herz'.

Mein Schmerzmittel war immer der Alkohol. Der fällt jetzt weg. Baclofen hilft mir zwar, keinen Alkohol zu trinken, ersetzt aber - bei mir jedenfalls - nicht das Schmerzmittel.Bitte nicht falsch verstehen, ich strebe kein schmerzfreies Leben an, ich suche nur nach einer Lösung für die Zeiten oder die Tage, wo mich der Schmerz völlig am Leben hindert. Ich kann mich nicht aus allem rausnehmen, ich habe auch für ein Kind zu sorgen. Vielleicht können Antidepressiva ja doch eine Lösung für besonders schwierige Zeiten sein. Das versuche ich herauszufinden. Die bisher geschilderten Erfahrungen, danke @ fallada und @ moonriver sind ja nicht positiv.

Vielleicht gibt es ja noch mehr oder andere Erfahrungen. Ich könnte mich ja auch in anderen Foren erkundigen, aber ich suche speziell nach Erfahrungen in Kombination mit Baclofen.

Danke erst mal fürs lesen und einen schönen Start ins Wochenende
Betty

Re: Ich fange jetzt auch an mit Aufhören

Freitag 19. Oktober 2012, 17:07

Und was, wenn das alles nicht geht?

... würde ich Mother's little Helper nehmen.

Schönes Wochenende
Federico

Re: Ich fange jetzt auch an mit Aufhören

Freitag 19. Oktober 2012, 19:17

@ Federico

Valium ??????? Das ist nicht Dein Ernst, oder ??????

Papfl

Re: Ich fange jetzt auch an mit Aufhören

Freitag 19. Oktober 2012, 19:59

@Papfl,

nein!!!! Vielleicht einfach mal lesen: Dennoch bin ich kein Gegner von Psychopharmaka, hier eine Zusammenfassung, die meine Meinung dazu wiederspiegelt. Lexotanil und Valium gehören nicht in die Kategorie Stimmungsaufheller, muss man einem Fachmann wie Dir doch nicht erklären oder?

LG Federico

Re: Ich fange jetzt auch an mit Aufhören

Freitag 19. Oktober 2012, 20:17

@ Federico

Gott sei' Dank! Ich war gerade echt geschockt. Hatte "Mother's little Helper" doch glatt mit dem Rolling Stones Song assoziiert (s. hier).

Wie dumm von mir... ablach

Papfl

Re: Ich fange jetzt auch an mit Aufhören

Freitag 19. Oktober 2012, 23:20

Hallo Betty,

ich habe Aponal gegen Depressionen und Angststörungen genommen, ich habe aber keine Erfahrung damit im Zusammenhang mit Baclofen, denn das ist lange her. Es hat mir damals sehr gut geholfen (mit begleitender Psychotherapie), vor allem gegen die massiven Panikattacken, die ich hatte. Rückblickend denke ich, dass mir das Medikament vor allem die Angst genommen hat. (Vielleicht hat es mir auch das Leben gerettet..) Ich konnte damals kaum mehr aus dem Haus gehen. Jeder Schritt vor die Tür war ein Kraftakt. Jeder Tag ein gefühlter Kampf ums Überleben. Ich stehe auf einem Gleis und wage es nicht in den Zug einzusteigen, Herzinfarkt auf den nächsten 20 km, was, wenn kein Arzt da ist, der mir beistehn kann. Konnte in kein Auto steigen, ohne dass mein Puls raste, Todesängste ohne Anlass. Ich war damals Ende 20 und bei bester physischer Gesundheit (nicht gefühlt, nur gewusst aus heutiger Sicht), fühlte mich aber täglich am Rande des Exitus. Abends um 8 ins Bett, damit mir nichts mehr passieren kann, schlafen, schlafen, bis der gnadenlose Morgen mich einholt und die Hölle von vorn beginnt (dagegen erscheint mir heute mein späteres auch anstrengendes Leben als Alleinerziehende wie peanuts).

Wenig später erfuhr ich, dass ich unter Hashimoto T. leide, die „offizielle“ Diagnose folgte aber erst einige Jahre danach. Ich glaube, man kann diese Krankheit nicht ernst genug nehmen (und wenige Ärzte nehmen sie ernst genug), und L-Thyroxin, auch wenn man „richtig eingestellt“ ist, hilft nur, die vielfältigen Symptome in Grenzen zu halten, nicht sie zu eliminieren.

Die Akzeptanz, an einer unheilbaren Krankheit zu leiden, hat mir geholfen. Gut geht es mir aber nicht, und auch für mich war Alkohol in der Vergangenheit ein Medikament, das mir geholfen hat, einen Tag nach dem anderen zu funktionieren und Traumata zu relativieren.

Meine Erfahrungen mit Baclofen sind noch ganz neu, ich kann aber auch bestätigen, dass es bei mir, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt, keinesfalls antidepressiv wirkt. Federicos Hinweis auf Lichttherapie ist wie ich meine eine gute Idee, selbst wenn man Herbst und Winter liebt (ich tu’s nicht), ist das eine Möglichkeit, den Serotoninspiegel zu erhöhen, und ich nehme mir vor, es auszuprobieren.

Mag sein, dass ich hier gerade euphorischer wirke, als ich mich fühle. Mein letzter Weinkrampf ist erst wenige Stunden her, und eigentlich will ich dir nur alles Liebe und Gute wünschen und hoffen, dass es dir schon sehr bald besser geht.

GLG

Alison
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