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 Betreff des Beitrags: Besinnliches II
BeitragVerfasst: Sonntag 13. Mai 2012, 22:45 
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Beim durchstöbern des Forums bin ich auf den Thread "Besinnliches" gestossen, in dem leider seit dem 07. September 2011 gewissermassen "Funkstille" herrscht. Ich möchte versuchen diesen Bereich in einem neuen Thema wieder zu beleben.

Wenn es auch nur indirekt mit unserem Hauptproblem in Verbindung gebracht werden kann, so ist es doch ein wichtiger Bestandteil vielleicht auch der Ursachenforschung und kann der Beantwortung der Frage dienlich sein "Was hat mich in den Alkohol geführt?" und "Wie war und dachte ich eigentlich in meiner Vor-Zeit des Alkohols?

Primär hat mich wie auch schon beschrieben, mein Tagebuch wieder mal beschäftigt. Nicht im Sinne von Neueinträgen, sondern eher in einer Rückblende. Meine Alkoholphase mit sich massiv einstellender Abhängigkeit dauerte, zum Glück für meinen physischen Körper, nur einige Jahre. Vorher hatte ich eine regelrechte Abneigung und empfand nichts Erstrebenswertes oder Wiederholungsbedürftiges. Alk beschränkte sich auf Anlässe, wo ich aus gesellschaftlichen Gründen nicht abseits stehen wollte und mein Weinglas zum Anstossen erhob. Getrunken habe ich meistens nur die Hälfte davon. Der Rest blieb stehen.
Es waren verschiedene zusammenkommende Faktoren, welche mich dann in ansteigende Mengen brachten. Sei es um die Schmerzen von mehreren OP's zu vergessen, sei es die Gefühlssteigerung beim Musikhören oder auch eine aufkeimende Verlassenheit in der Welt mit meinen Gefühlen und Gedanken, welche ich nirgens mehr anbringen konnte. Zusätzlich waren noch andere problematische Hürden in meinem Leben zu überwinden.

Nun, gestern tauchte ich etwas in die Vergangenheit und wollte Ursachenforschung betreiben. Dabei bin ich auf Gedanken gestossen, welche teils in die Vergessenheit geraten sind. Im Sinne eines therapeutischen Effektes habe ich da einiges wieder ins Bewusstsein gerufen. Nicht im Sinne von Nostalgie oder Selbstmitleid. Nein, eher im Sinne davon, die damaligen Assoziationen aus alkoholfreier Zeit wieder zu beleben und mir dabei einige Fragen zu stellen. Vielleicht bringt es mich ja auch nicht weiter, vielleicht hilft es mir aber auch schon, hier im Forum etwas darüber zu sprechen und zu berichten. Noch positiver wäre es, wenn dadurch in Mitlesern etwas angestossen wird. Vielleicht ein Intialgedanke zum weiteren Nachdenken.

Wir sind ja alle unterwegs, in einem der wohl geheimnisvollsten Wunder des Universums: Unserem Leben... mit all seinen Gedanken, Hoffnungen, Wünschen, Vorstellungen, Glauben, Wissen... die Liste kann endlos erweitert werden.

In jungen Jahren nahm ich mir mal vor, jeden Tag von Neuem wieder etwas zu entdecken, das mich staunen lässt. Damit niemals aufzuhören. Es ist heute noch so. Es gibt ja nichts "Endgültiges, Definitives". Das ganze Universum befindet sich in ständiger Entwicklung. Schöpfung war nicht irgendeinmal... Schöpfung ist das Heute, der Augenblick, jeder Tag, immer... und darum bin ich auch überzeugt davon, dass jeder Tag das Potential eines Neubeginns in sich trägt. Oder wie es auch heisst: "Der Weg ist das Ziel"
Ja, dies schreibt sich leicht. Liest sich vielfach auch so. Der Alltag sieht manchmal anders aus. Und dennoch: Plötzlich hält man inne, möchte einen Augenblick als Edelstein fassen. Irgendwas hat einem berührt und hinterlässt einen wundersamen Nachklang.

Solch einen Moment möchte ich hier unter diesem neuen Thema in Form eines gefundenen Tagebucheintrages ("uralt...") festhalten.


Dort -
wo meine Worte
- sich im All verlierend -
wiederfinden

Dort -
wo selbst die Unendlichkeit
- in sich fallend -
wieder zu Gott wird

Dort -
wo die Zeit
- sich nicht mehr selbst schildernd -
zum überall gleichzeitigen Immer wird

Dort -
werde ich wieder finden
- die Antwort -
was mich einst ins Hiesige gebracht


6. September 1983
- moonriver -


Vertraut, soweit ihr das möchtet, Gedanken diesem Thema an.

Unsere Gedanken geben der Wahrnehmung ihre Erscheinungsformen...

LG moonriver

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„Geh nicht nur glatte Straßen, geh Wege, die noch niemand ging, damit du Spuren hinterlässt, und nicht nur Staub!“
(Antoine de Saint-Exupéry)


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 Betreff des Beitrags: Re: Besinnliches II
BeitragVerfasst: Sonntag 13. Mai 2012, 23:00 
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Beiträge: 8253
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Hi moonriver,
da hast Du einen vollkommen zu Unrecht stillgelegten Faden von Emelie wieder entdeckt. Ich fand es immer schade wie man mit der esoterischen Emelie umging. immerhin ist sie ein Mitglied des Forums mit deiner Mitgliedsnummer unter 050. Seit 2009 und das will was heissen, übrigens Schweizerin.

LG federico

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„Es gibt keine Alternative zum Optimismus,
Pessimismus ist Lebensfeigheit.“
Richard David Precht


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 Betreff des Beitrags: Re: Besinnliches II
BeitragVerfasst: Samstag 30. Juni 2012, 19:53 
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Beiträge: 2608
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Einer dieser Tage...

Lange habe ich überlegt, ob ich diese Zeilen dem Forum anvertrauen soll... ja, denn verlieren kann ich nichts dabei.

Manchmal habe ich vor diesem Medikament mehr als Respekt... Nein, nicht Angst, eher Ehrfurcht. Vor einer Realität, welche mir damit nun vor Augen geführt wird. Die innere Realität... sie schenkt unendlich viel, fordert aber auch im selben Mass. Bewusstwerdung heisst Arbeit und vor allem Verantwortung. Ich beginne das zu finden was ich im Alk gesucht habe... mich selbst.

Nur eines will nicht enden und erwacht wieder: eine Form von unstillbarem Heimweh nach meiner Seelenheimat, welche ich einst verlassen hatte.
Verlassen mit der Entscheidung im Herzen dieses Universum kennen zu lernen, eine dieser unendlichen Erscheinungsformen von Realität. Das Spannungsfeld zwischen den Polaritäten, wie ein Baum mit tiefen Wurzeln und der nach dem Himmel strebenden Krone. So fühle ich mich manchmal zwischen Wollen und Entsagen...
Ich habe in meinem bisherigen Dasein das tiefe Leiden der Welt und der Menschen hautnah miterlebt, weiss auch, was Schuld vergangener Leben bedeutet und durfte die bedingungslose Liebe erfahren, Gnade und Demut ebenso.
Das Gefühl, sein Herz zu verschenken ohne weitere Erwartung, das Geben ohne dabei leer zu werden. Kurz, das ganze Spektrum des tiefen Empfindens... Und dennoch, es ist der Duft ewiger Gärten, welcher immer wieder diese Sehnsucht in mir wachruft. Das Heimweh nach meiner Seelenheimat und einer Hand, die mich begleitet, im stillen Wissen um dieselbe Herkunft. Ich weiss, dass ich dies nicht in der äusseren Realität finden kann, dennoch... werde ich die Suche im Hier und Jetzt wohl nicht aufgeben.

Dies mit der Hoffnung im Herzen, dass eines Tages die Taube mit dem Ölzweig den Weg zurück findet. Viele Leben lang ist sie schon unterwegs.

Ja, Bac hat mich wirklich auf eine Reise gebracht. Eine mehr im Leben, aber eine ganz spezielle... vielleicht die entscheidende!
Ich werde nicht als derselbe zurückkehren...

Dieser Thread soll zu meinem Reisetagebuch werden.

LG moonriver

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 Betreff des Beitrags: Re: Besinnliches II
BeitragVerfasst: Mittwoch 29. August 2012, 22:31 
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- Sehn-Sucht -

Fragment aus meiner (alkoholfreien) Vergangenheit, ein festgehaltener Augenblick auf dem Weg in die Zukunft...

Nacht - - -
allumfassende war's
Stürme voller Sternenbrennen
als wir uns trennten
gesandt auf die Reise
durch Raum und Zeit... durch Leben...

Das Aufbäumen in der Urnacht
wo die Sonne erlosch - -
das Zeichen
zum Aufbruch aus der Ewigkeit
in die Endlichkeit, Vergesslichkeit - Menschsein -

Die Erinnerung ist nah,
Mosaiksteine eines verbotenen Bildes
zwischen Glaube und Gewissheit,
Zeit und Ewigkeit

So leb ich, hoffend
suche dich überall
ich weiss,
du wirst dort sein,
die Hand mir reichen,
mir klar werdend lassen
all die Zusammenhänge...

Wann, sag? - - -

moonriver, 23. Juli 1976

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 Betreff des Beitrags: Re: Besinnliches II
BeitragVerfasst: Samstag 8. September 2012, 21:59 
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Weiter geht die Reise in der gegebenen Zeitgebundenheit meines Lebens. Vielleicht nur eines von vielen...
Noch nie hatte ich die Chance die sich mir jetzt bietet; so gut gesinnt schien mir das Schicksal schon lange nicht mehr! So beginne ich liegengebliebene Themen definitiv in Arbeit zu nehmen.

Und noch nie kam ich in Kontakt mit einem so tief wirkenden Medikament... es ist nicht einfach eine statische Wirkung. Es hat einen kontinuierlich dynamischen Aspekt. Für mich setzt es einen Prozess in der Bewusstwerdung in Gang. Ich möchte nicht daran denken, wie sich ein Absetzen nun auf mein Leben auswirken würde. Nicht nur in Sachen Alkohol.

Ich komme an Stationen meines Lebens vorbei, über die ich nun nochmals nachdenken kann. Aus einer anderen Perspektive... ich bin auf der Suche auch nach den Ursachen, die meinen Weg in die Welt des Alkohols brachten.

Immer wieder werde ich von Gefühlen der Einsamkeit, Sehnsucht und einem unbeschreiblichen Trennungsschmerz berührt. Zu lernen, wonach ich dabei nicht mehr zu suchen brauche war ein Prozess über eine lange Zeit. Offenbar werde ich das, was ich wirklich suche, während Lebzeiten gar nicht finden. So bleibt es aber als Lebensmotor und treibende, kreative Kraft erhalten.

Heute war wieder so ein Tag voller Wunder... Stunden in der Sonne mit den Klängen von Musik. Ein Tag an dem man sich für das Leben entscheidet... wäre ja schade jetzt gehen zu müssen wo mich das Dasein wieder so zu erfassen beginnt... und die Hoffnung wieder wie das Morgenlicht im Osten erscheint.

Ein heutiges Thema dieser Reise hat mich in jungen Jahren gefunden, wenn nicht fast überfallen. Die Bewusstwerdung des Lebenszyklus durch die Dualität, Polarität. Die Grundbedingungen allen Seins dieses Universums.

(Die folgenden Zeilen sollen niemandem Angst machen, ich befinde mich nicht in Suizidgefahr!)

-----------------------------------------------
Begegnung

Den letzten Tod sterbe ich nun
und höre den Schrei der Urnacht,
wo alles Licht ist
ohne Schatten

Alle Planeten ziehen noch einmal an mir vorbei
wo ich einst Leben verbrachte
aber sie sind weit weg...
und lasse sie hinter mit

Schon empfinde ich den Duft der Blumen
die ich einst pflückte
sie verblühen nie -

Eine davon nahm ich damals mit
auf dass sie mich immer erinnere -
an das Grenzenlose...

Niemand erkannte sie
während allen Ewigkeiten
bis du kamst... -
Die gleiche Blüte in dir tragend...
sofort erkannte ich sie

Komm, du, wir wollen sie wieder
zurückbringen

Dann feiern wir ewige Hochzeit


moonriver, 28.05.1973
-----------------------------------------------


Grüsse an alle und einen schönen Sonntag
moonriver

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 Betreff des Beitrags: Re: Besinnliches II
BeitragVerfasst: Sonntag 16. September 2012, 23:26 
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Beiträge: 2608
Wohnort: Schweiz
"Stationen" oder "Spurensuche" auf der Reise...

Vieles gewinnt an neuen Dimensionen.

Inspiration...
Thema "Vollkommenheit, oder was wir Menschen glauben, darunter zu verstehen"

Alle möchten sie erreichen
Als Folge unseres reflektiven Denkens
Als Folge des Menschsein...

Suche sie nicht zu weit
Sie liegt schon seit Urzeiten, seit Welten aller Anfang in dir
In jeder Zelle deines irdischen Körpers als Abbild des Universums
In jedem Blick zum unendlichen Sternenhimmel
In jedem Blick in andere Augen

Jeder Atemzug ist der Beweis, dass es dich gibt!
Begreife, dass du geliebt wirst
Von anderen Menschen
Vom ganzen Universum, dessen Bestandteil du bist
Letztendlich von Gott... oder wie immer wir es nennen.

Er hat schon lange sein Haus in dir gebaut
Er kennt dein Wesen und Sein viel länger als du selbst

Lebe sie, die "Vollkommenheit"
Es ist das Hier und Jetzt
Das "ständige Hier und Überall gleichzeitige Immer" in dir
Du trägst es im Herzen seit Urzeiten
Niemand kann es dir nehmen,
Denn es ist dein Selbst
Es ist das, was du bist, schon immer warst und sein wirst...

Es ist die Liebe des Universums, der Schöpfung, des "All- und immer Überalles"
Losgelöst von Zeit und Raum
Vom Gestern und Heute
Vom Hier und Nirgendwo
Verschenke diese Liebe
Sie zu mehren ist die wichtigste Aufgabe

Kurz gesagt: Es ist dich, einfach dich!
Als ein Ausdruck des Ganzen
Als ein Ausdruck des Universums
Als ein Ausdruck des Urgedanken allen Seins
Als eine Erscheinung deiner selbst

Vollkommenheit, oder was man darunter verstehen mag,
War schon immer in dir
Schon immer, ohne dass es dir bewusst wurde
Dieses zeitlose Immer, das Ewige
Es kann dich nicht verlassen
Du trägst es ständig in deinem Herzen

Zeit und Raum sind nur die physikalischen Fesseln
In denen wir Menschen gefangen sind...
Sprenge sie und versuche zu erkennen, was dahinter liegt
Es ist der Horizont, der keine Grenzen mehr kennt
Nur noch Weg als Ziel
Nur noch Resonanz mit dem Ewigen

Dann wirst du frei, dann kannst du deine Flügel ausbreiten
Dann fliegst du dem Ziel entgegen...
Einem Horizont, von dem du nicht mal ahntest
Dass du ihn in dir trägst
Von dem du nicht mal geträumt hast...

Das, was immer es sein mag (wir Menschen benennen es mit Gott)
Kann dich niemals verlassen

Du warst schon immer ein Teil davon
Und wirst es immer bleiben
In der Zeitlosigkeit der Ewigkeit

Dezember 2006 / moonriver
---------------------------------------

Allen eine gute Woche
LG moonriver

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 Betreff des Beitrags: Re: Besinnliches II
BeitragVerfasst: Montag 22. Oktober 2012, 21:07 
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Beiträge: 354
Freude

Die eigentliche tiefere Wirklichkeit in unserem ganzen Leben ist Freude. Mit Freude meine ich nicht Glücklichsein; das ist nicht das gleiche. Glücklichsein hat ein Gegenteil, Freude hat es eigentlich nicht. Solange wir nach dem Glück streben, werden wir auch immer wieder unglücklich sein, weil wir zwischen bei den Polen hin- und herschwingen.

Freude ist nicht etwas, das wir finden müssen. Freude ist das, was wir sind, wenn wir gedanklich nicht mit etwas anderem beschäftigt sind. Wenn wir versuchen, Freude zu finden, fügen wir der grundlegenden Tatsache dessen, was wir sind, einen Ge­dan­ken hinzu - und einen nicht besonders nützlichen zudem.

In unserem Leben geht es vor allem um Wahrnehmung. Die Wahrnehmung umfasst alles, was wir durch die Sinne aufnehmen. Wir sehen, wir hören, wir berühren, wir riechen und so weiter. Daraus besteht das Leben eigentlich. Die meiste Zeit jedoch ersetzen wir die Wahrnehmung durch eine andere Aktivität; wir überdecken sie mit Gedanken und Bewertungen. Mit Bewertung meine ich keine objektive
leidenschaftslose Analyse - wie wenn wir beispielsweise ein unordentliches Zimmer vor uns haben und abschätzen, was wir tun müssen, um es wieder schön zu machen. Die Bewertungen und Überlegungen, die ich meine, sind egozentrisch: "Wird diese nächste Episode in meinem Leben mir etwas bringen, was ich mag, oder nicht? Werde ich verletzt oder nicht? Wird sie angenehm oder unangenehm sein? Spiele ich dabei eine wichtige oder eine unwichtige Rolle? Springt materiell etwas dabei für mich heraus?" Es liegt in unserem Wesen, die Dinge so zu bewerten. Aber in dem Maß, wie wir uns solchen Bewertungen hingeben, wird auch die Freude in unserem Leben ausbleiben.

Es ist erstaunlich, wie schnell wir in diese Bewertungen hineinrutschen. Vielleicht fühlen wir uns ganz wohl bei dem, was wir gerade tun und dann werden wir plötzlich von jemandem kritisiert. In Bruchteilen von Sekunden fabrizieren wir eine Menge Gedanken dazu. Wir sind nur allzu bereit, uns auf diesen interessanten Standpunkt des Beurteilens anderer und unserer eigenen Person zu begeben. Das ist alles sehr dramatisch, und gerade das mögen wir mehr, als es uns selbst klar ist. Solange sich das Drama nicht zu sehr in die Länge zieht und uns bedroht, lassen wir uns bereitwillig darauf ein, weil wir als Menschen einfach von Natur aus zum Drama neigen. Vom gewöhnlichen Standpunkt aus ist das Leben in einer Welt der reinen Wahrnehmung ziemlich langweilig.

Bevor wir nicht erkennen, dass Freude genau das ist, was jetzt geschieht, abzüglich unserer Meinung darüber, werden wir nur wenig wirkliche Freude erleben. Wenn wir aber in der Wahrnehmung bleiben, anstatt uns in der Bewertung zu verlieren, kann sogar der Mensch Freude für uns bedeuten, der uns gerade kritisiert hat.

Jede egozentrische Einschätzung einer Situation wird die reine Wahrnehmung verdunkeln, die selbst Freude ist. Wenn solche Gedanken aufkommen, sehen wir einfach diese Gedanken und lassen sie ziehen,  sehen sie wiederkommen und lassen sie wieder ziehen (Gedanken benennen, Etikett rauf und weg damit). Wir kehren zur Wahrnehmung dessen zurück, was ist. Dadurch sind wir für die Freude offen.
Freude ist eben dies: Etwas geschieht; ich nehme es wahr. Etwas ist notwendig, und ich tue es; und dann das nächste und das nächste. Dann nehme ich mir etwas Zeit für einen Spaziergang oder  für ein Gespräch mit Freunden oder einem Beitrag im Forum. Wenn wir unser Leben so leben, gibt es keine Probleme. Die Freude würde nie aufhören, es sei denn, ich unterbräche sie durch Bewertungen:  durch das Reagieren auf Ereignisse als Probleme, durch Tadel, Ablehnung, Anstrengung: "Dazu habe ich keine Lust".  Wenn das, was als nächstes dran ist, nicht zu meiner Vorstellung von dem passt, was ich tun möchte, habe ich bereits ein Problem. Selbst wenn es eine Aktivität ist, die mir normalerweise Freude  macht, kann ich mir so die Freude nehmen.

Unterhalb der bewussten Ebene gibt es noch unsere tief sitzende Konditionierung, liegen die unbewussten Motive, die uns dazu antreiben, zu tun, was wir tun. All das kommt irgendwann hoch. Das Unbewusste hat teilweise die Steuerung - nicht die Vernunft. Man könnte auch sagen: Der Wille ist unfrei aber der Unwille ist frei (Gott sei Dank), denn ich kann immer noch "NEIN" o. "STOP" sagen (Alk!)

Unsere Fähigkeit, ganz bei unserer Wahrnehmung zu bleiben, ist sicherlich unterschiedlich. Aber wir alle haben sie. Da wir Menschen sind, können wir wach sein, und wir können das Maß der Zeit, in der wach sind, immer mehr erhöhen. Wenn wir wach sind, verwandelt sich der Augenblick: Er beginnt sich gut anzufühlen, und er gibt uns Kraft, das Nächstliegende, Notwendige zu tun. Diese Fähigkeit kann immer noch wachsen. Wir müssen uns dessen bewusst sein, was wir in dieser Sekunde sind. Wenn wir ärgerlich sind, müssen wir das wissen. Wir müssen es spüren. Wir müssen sehen, welche Gedanken daran beteiligt sind. Wenn wir gelangweilt sind, ist das ganz bestimmt etwas, dem wir auf die Spur kommen müssen. Wenn wir entmutigt sind, müssen wir das anerkennen. Wenn wir urteilen oder selbstgerecht sind, müssen wir das zur Kenntnis nehmen. Wenn wir diese Dinge nicht sehen, herrschen sie über uns. Jeder Gedanke, den wir nicht bemerken, übernimmt die Regie im Kopf.

Unser Leben voller Dramatik zu einem Leben ohne Drama werden zu lassen bedeutet, ein Leben, in dem wir unaufhörlich suchen, analysieren, hoffen und träumen, zu einem Leben werden zu lassen, indem wir das Leben selbst, wie es ist, einfach wahrnehmen u. annehmen - in diesem Augenblick. Der Schlüssel dafür ist Gewahrsein, Achtsamkeit. Die Freude am Sein ist das einzig wahre Glück. Sie kann nicht durch irgendeine Form dauerhaft zu uns kommen (Ereignisse, Personen, Leistungen, Besitz). Sie entspringt unserem Inneren, dem reinen Bewusstsein. Es gibt keine andere beständige Freude auf dieser Welt als diese.

Man kann über diese Freude nicht nachdenken; sie ist etwas unmittelbares und wenn man darüber nachdenkt, verwandelt sie sich in Genuss-Streben (= Sucht?). In der Gegenwart zu leben, bedeutet die Schönheit unmittelbar zu empfinden und das tiefe Entzücken, dass damit verbunden ist, ohne daraus weiteren Genuss ableiten zu wollen.
 
In diesem Sinne - tom

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 Betreff des Beitrags: Re: Besinnliches II
BeitragVerfasst: Montag 22. Oktober 2012, 21:34 
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Geschätzter Tom

Ich könnte nun einen halben Roman schreiben... werde es aber nicht tun, sondern möchte Dir einfach von Herzen "Danke" sagen für diese philosophischen, aus Deiner Lebenserfahrung erwachsenen Worte.

PS: ich werde Deinen Beitrag mit Sicherheit mehrere Male lesen um die darin eingewobenen Gedanken "einwirken" zu lassen...

LG moonriver

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 Betreff des Beitrags: Re: Besinnliches II
BeitragVerfasst: Montag 22. Oktober 2012, 22:12 
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Beiträge: 354
Lieber Moonriver,

ich muss Dir danken, dass Du begonnen hast diesen wunderschönen besinnlichen Faden weiter o. neu zu spinnen. Geht mir immer so, dass ich auf Deine tiefschürfenden Beiträge am liebsten ausführlich reagieren würde -> werde ich aber zeitlich wohl erst als Rentner schaffen ;) . Deine hier festgehaltenen Gedanken hatte ich mir ausgedruckt, ins Wochenende mitgenommen und endlich mal in Ruhe genossen !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
War begeistert und animiert, auch einige alte u. neue Notizen (nicht alle sind von mir) zusammen zu fassen.

good night tom

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 Betreff des Beitrags: Re: Besinnliches II
BeitragVerfasst: Montag 22. Oktober 2012, 23:07 
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@Tom

So macht es Freude und Sinn...

Dir auch eine gute Nacht
LG moonriver

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