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 Betreff des Beitrags: Substitution mit Methadon in Bayern vor dem Aus
BeitragVerfasst: Mittwoch 26. Dezember 2012, 11:07 
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Dass Baumert (Name geändert) heute als verlässlicher Mensch gilt, verdankt er dem Drogenersatzstoff Methadon. Doch nun droht die Behandlung wegzubrechen: Nachdem in Niederbayern einer Substitutionsärztin die Approbation entzogen wurde, wollen die meisten ihrer elf Kollegen aufhören - so auch Baumerts Ärztin Irmengard Schoder aus Schöfweg im Kreis Freyung-Grafenau.

Die Süddeutsche Zeitung berichtet in der Ausgabe vom 21.12.2012

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Richard David Precht


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 Betreff des Beitrags: Re: Substitution mit Methadon in Bayern vor dem Aus
BeitragVerfasst: Mittwoch 26. Dezember 2012, 13:07 
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Es ist zwar nur Niederbayern, aber schlimm genug. Das Problem ist ein Betäubungsmittelgesetz von 1973(!) und ein schnell wachsender §5 der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung, der die "Ausnahme" Substitution regelt.
Obwohl die WHO die Opioidabhängigkeit als "chronische Erkrankung" und die dauerhafte Substitution als "Behandlungsmethode der 1. Wahl" einstuft, ist in D die Behandlung nur "ausnahmsweise" erlaubt, wenn "die Abstinenz anders nicht erreicht werden kann oder die Behandlung einer anderen schwerwiegenden Erkrankung anders nicht sichergestellt werden kann". Eine Verschreibung von Btm zur "Befriedigung oder Aufrechterhaltung einer Sucht" bleibt rechtlich eine Straftat, wenn nicht die illusorische Abstinenz erzwungen wird - die lebenslange Abstinenz erreichen nur 4% der Betroffenen!
Wenn in Bayern jeder Nachwuchsstaatsanwalt ermuntert wird, in diese Richtung zu ermitteln, und die Aufsichtsbehörden und Kammern in enger Komplizenschaft sofort die Approbation "ruhend stellen", sobald ein Verfahren eröffnet wird, ist es kein Wunder, wenn sich die Ärzte diesem Risiko nicht mehr aussetzen wollen.
Ein Kuriosum, dass in Deutschland die Lege Artis durchgeführte, von der WHO empfohlene Behandlung der 12. Wahl den Arzt kriminalisiert...


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 Betreff des Beitrags: Re: Substitution mit Methadon in Bayern vor dem Aus
BeitragVerfasst: Mittwoch 26. Dezember 2012, 21:59 
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Es gibt nur ca. 2700 Ärzte in der gesamten Republik, die diese "dirty medicine" der Substitution überhaupt betreiben. Der Abstinenzgedanke ist sogar noch in den Kassenrichtlinien verankert....erst kürzlich nahm ich an einer Tagung der Caritas teil und stellte mit Erstaunen fest, dass auch bei vielen Therapeuten nur die Abstinenz, also auch "Medikamentenfreiheit" als Ziel gesehen wird; Motto: das muss doch irgend wann einmal aufhören.....
Dass wir das weder einem Menschen mit Hypertonie oder Diabetes sagen würden versteht sich irgendwie...
Dass man das Substitut als "Medikament" sieht, das dem Patienten ohne Kriminalisierung erlaubt langsam in ein Leben in "geordneten Bahnen" hineinzuwachsen, mit Aufbau von Selbstakzeptanz, evtl. einer geeigneten Therapie (unter Substitution), erlernen von Tagesstruktur, Verantwortung, beruflicher Tätigkeit, Erfüllung familiärer Verpflichtung.....ist kein Allgemeingut. Dass der Patient leider nicht gesund ist, wenn man ihm sein Substitutionsmittel wegnimmt wir erst sehr langsam realisiert, wenn überhaupt.
Wo ein Abdosieren möglich ist und der Patient genügend Bewältigungsstrategien aufbauen konnte: wunderbar! Aber leider eher selten.

Die Arbeit von Dr. Christel Lüdecke (CÄ Asklepios Göttingen), die den Einfluss früherer Traumatisierungen auf Suchterkrankungen und Persönlichkeitsstörungen untersucht, ein neurobiologisches Krankheitskonzept vertritt und neue Behandlungsstrategien entwickelt, steht noch recht "einsam" da. Auch sie vertritt die Meinung, dass unter Suchtdruck keine effiziente therapeutische Arbeit möglich ist.

Eine Novellierung des Betäubungsmittelgesetzes (bzw. des §5) wäre nun seit Langem überfällig. Es ist beklemmend, immer sehr sehr eng am Bereich des Strafrechtes arbeiten zu müssen. Ziemlich frustran...

LG jivaro

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 Betreff des Beitrags: Re: Substitution mit Methadon in Bayern vor dem Aus
BeitragVerfasst: Donnerstag 27. Dezember 2012, 00:55 
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Hier steht ein Vortrag als PDF von Christel Lüdecke zur Verfügung.

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 Betreff des Beitrags: Re: Substitution mit Methadon in Bayern vor dem Aus
BeitragVerfasst: Mittwoch 9. Januar 2013, 13:35 
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Die Österreicher feiern 35 Jahre erfolgreiche Substitutionsbehandlung – Sachsen und Bayern führen Krieg gegen verantwortungsvolle Ärzte, treiben viele in den Ruin, ins Gefängnis oder zur Aufgabe ihrer Substitutions-Praxis aus Angst vor drohenden Repressalien. An die Kosten für diese „Ärzteverfolgung“ darf man gar nicht denken. 7 Euro werden dafür ausgegeben, 1 Euro bleibt für Suchthilfemaßnahmen übrig. Würde man dieses Missverhältnis umkehren, müssten wir nicht staunend nach Österreich, der Schweiz oder den Niederlanden sehen. In nahezu allen Staaten der Welt betrachtet man den Krieg gegen Drogen mittlerweile als verloren. Nicht zuletzt deshalb, dieses Geschäft ist auch in höchsten Bankenkreisen hochwillkommen.

LG Federico

Prof. Dr. jur. Dipl.-Psych. Lorenz Böllinger, Sprecher des Schildower Kreises erklärt, warum er für eine Wende in der Drogenpolitik eintritt und die repressive Drogenpolitik und die Prohibition gescheitert sind. Böllinger ist Professor für Strafrecht und Kriminologie und seit 1982 als Hochschullehrer an der Universität Bremen tätig.





35 Jahre Substitutionsbehandung in Österreich - Rückblick und Perspektiven

Vor 35 Jahren wurden in Österreich erste Versuche, Ansätze und Konzepte zur arzneimittelgestützten Behandlung von Suchtkranken unternommen. Die Pioniere der Vorstöße in Richtung Substitutionsbehandlung bewegten sich damals noch im illegalen Bereich – erst mit dem Methadon Erlass des Bundeskanzleramts 1987 wurde der „oralen Substitutionsbehandlung von i.v.-Drogenabhängigen“ eine rechtliche Legitimation verliehen.

War damals die Behandlung mit Substitutionsmittel allerdings noch sogenannte „ultima ratio“ , also die letzte Wahl aller möglichen Therapieoptionen, so ist sie heute die erfolgreichste Therapie bei Opiatabhängigkeit. Erst mit der Ausbreitung der medikamentengestützten Behandlung und weiteren Maßnahmen wie z.B Spritzentauschprogrammen, gelang es die HIV-Infektionsrate unter Drogenkonsumenten stabil niedrig zu halten.

Anlässlich des 35-jährigen Jubiläums, veranstaltete die ÖGABS (Österreichische Gesellschaft für arzneimittelgestützte Behandlung von Suchtkrankheit) eine wissenschaftliche Tagung, bei der auf die Geschichte und Erfolge der Substitutionsbehandlung sowohl in Österreich als auch Weltweit und im Rahmen einer prominent besetzten Podiumsrunde ein Blick in die Zukunft geworfen und diskutiert wurde. Dr. Otto Presslich, Pionier der Substitutionsbehandlung in Österreich wurde anschließend an die Podiumsdiskussion besonders geehrt und mit der Ehren-Urkunde der ÖGABS für besondere Verdienste um die
substitutionsgestützte Behandlung von Suchtkrankheit ausgezeichnet.

Im Zuge der Eröffnungsansprachen der ÖGABS Vorsitzenden Dr. Hans Haltmayer und Univ.-Prof. Dr. Alfred Springer bezog auch die Bundesdrogenbeauftragte Johanna Schopper Position und sprach sich ganz klar für die Substitutionsbehandlung in Österreich aus und bestätigte, dass aus gesundheitspolitischer Sicht die Substitutionstherapie im Sinne des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung ganz klar zu befürworten ist. Schopper sieht als zentrales Ziel, die Zugangsbarrieren der Substitutionsbehandlung so gering zu halten, dass möglichst viele Patienten behandelt werden können. Dies soll vor allem durch die stärkere Kommunikation der Drogensucht als Krankheit forciert werden.

Prof. Springer ging in seinem Fachvortrag auf die Geschichte der Substitutionstherapie ein und sieht ihren Ursprung in der Codein Erhaltungstherapie nach 1945. Die sogenannte„Weltkriegsmorphinisten“, zurückgekehrte Soldaten, wurden schon damals illegaler Weise von Ärzten behandelt. In den 70er Jahren kam das „neue Drogenproblem“ auf, welches die gesamte Bevölkerung betraf, so dass die Diskussionen um die medizinischen Behandlung der Suchtkranken auch vermehrt auftraten. Das Anton-Proksch Institut stellte 1979 erstmals im Rahmen von Arbeitstagungen den „arzneimittelgestützten Entzug“ vor, ein Jahr später wurde die Drogenambulanz als eigenständiger Bereich eingerichtet und das Suchtmittelgesetz novelliert.

1980 war ein wichtiges Jahr, auch mit vielen harten Diskussionen verbunden – vor allem in Deutschland, das sich gegen die Substitutionsbehandlung aussprach. Hervorhebung Federico

Die Schweiz hingegen und international die USA zählten damals als Vorbilder und Vorreiter dieser neuen Bewegung in der arzneimittelgestützten Behandlung bei Suchtkranken. Stigmatisierende Instanzen traten auch damals schon auf, neben den Medien und öffentlichen Stellen waren dies auch Mythen und Vorurteile der Bevölkerung. 1986 erschien die Wiener Zeitschrift für Suchtforschung (Herausgeber Anton-Proksch Institut) mit einer „Methadonnummer“, in der unterschiedliche Meinungen zum Methadonprogramm veröffentlicht wurde.

In Verbindung mit dem verstärkten Auftreten der Immunkrankheit AIDS Mitte der 80er Jahre war der Methadon Erlass 1987 ein dringend notwendiger Schritt. Die späten 80er und frühen 90er waren geprägt von neuen Entwicklungen des Behandlungsauftrages sowie kontinentalen Auseinandersetzungen – auch die ideologischen Aspekte standen stark im Fokus. 1990 wurden die Wiener Sozialprojekte gegründet und mit dem Wiener Drogenkonzept neun Jahre später ein Zeichen gesetzt, dass die Substitutionsbehandlung als
„Therapie der ersten Wahl" bei Opiatabhängigkeit gesehen wird. Schließlich wurde 2006 die ÖGABS als eine Art Kontrollinstanz gegründet.

Dr. Heino Stöver, Institut für Suchtforschung der Fachhochschule Frankfurt am Main (ISFF), konnte aus gesundheitlichen Gründen leider nicht zur ÖGABS Veranstaltung kommen. Er ließ sich mit einem Youtube Video vertreten, in dem er seine Einstellung zur Kriminalisierung von Suchtkranken äußerte – das Ziel sollte die Entkriminalisierung der Drogen in Strafanstalten sein, um den drogenabhängigen Insassen moderne Behandlungsmethoden zu gewährleisten. Alles andere verstößt Stövers Meinung nach gegen die Menschenrechtskonventionen.

Der Video Beitrag von Dr. Heino Stöver ist hier zu sehen.

Bei der anschließenden Podiumsrunde waren neben den Vortragenden noch Dr. Otto Presslich, Dr. Kurt Blaas, Silvia Franke, Dr. Erwin Rasinger und Dr. Harald Spirig beteiligt und stellten ihre Arbeit im Rahmen der Substitutionsbehandlung in Österreich vor. Interessant waren hier unter anderem neue Erkenntnisse bezüglich der Substituierung mit Cannabis, auch als sogenannte „Ausstiegsdroge“ betitelt, zu der Dr. Blaas seine Erfahrungswerte als auch neue Studien-Ergebnisse mitteilte.

Die Diskussion zeigte außerdem, dass vor allem in den Bereichen Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Therapeuten, Substitution in Strafanstalten sowie Stigmatisierung der substituierenden Ärzte, Handlungs- und Verbesserungsbedarf notwendig sei. Für die Zukunft der arzneimittelgestützten Behandlung von Suchtkranken in Österreich sei neben den genannten Punkten auch der politische Diskurs wichtig – die Gesetzgebung darf ebenso wie die Wissenschaft nicht still stehen!

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