Baclofen Saga Teil 5 Zwei Bücher, eine Botschaft der Hoffnung:
Die Editions Le Publieur und die Vereinigung Aubes präsentierten im Juni 2012 unter dem Titel
«Indifférence» eine Sammlung von Zeugnissen über die Behandlung von Alkoholismus und
anderen Abhängigkeiten mit Baclofen. Und erst kürzlich erschien in den Editions Albin Michel
das Buch «Vérités et mensonges sur le baclofène, la guérison de l'acoolisme» (Wahrheiten und
Lügen über Baclofen, die Heilung des Alkoholismus), eine Unterhaltung zwischen Dr. Renaud
de Beaurepaire und der Journalistin Claude Servan-Schreiber.
Indifférence (Gleichgültigkeit) erzählt in Ich-Form das Leben von 18 Männern und Frauen jeden
Alters und aus verschiedenen Lebenslagen. Jeder Bericht beginnt mit einem Foto, oft mit
unverhülltem Gesicht. Dieses bewegende und mutige Buch zeigt, wie der Alkohol das Leben
dieser Überlebenden endgültig ruiniert haben könnte, wenn nicht Baclofen sie auf den Weg der
Genesung zurückgeführt hätte.
Jeder Fall ist einzigartig und an Lehren um einiges reicher als alle Publikationen, die diesem
Medikament bisher gewidmet wurden. Diese Erzählungen, von denen man viele weitere
Beispiele im Internet findet, sind Dokumentationen, die keinen Zweifel an der Bedeutung von
Baclofen als Behandlung der Alkoholabhängigkeit lassen. Über die individuellen Besonderheiten
hinausgehend, sind die Grundzüge, die sich in diesen Geschichten enthüllen, identisch: Dank
Baclofen stellt sich eine zunehmende oder urplötzliche Indifferenz (Gleichgültigkeit) gegenüber
Alkohol und somit dem Ende der Abhängigkeit ein. Hören wir Alain zu:
«Ich bin seit 40 Jahren verheiratet und habe zwei Kinder. Mit 18-20 Jahren machte ich viel
Sport. Mit den Fussballkollegen wurde wenig Alkohol getrunken, aber im Rückblick stelle ich
fest, dass mir Alkohol bereits vom ersten Drink an zugesagt hat. Nach dem Militärdienst wurde
ich regelmässiger Alkoholkonsument. Es war ein Bedürfnis, das sehr schnell meine Gesundheit
angriff, weil meine Leber schlecht reagierte. Ich machte meine Arbeit, ich kam nicht betrunken
nach Hause, aber ich begann bereits, meinen Konsum herunterzuspielen und zu lügen. Mit 42
veränderte ich mich beruflich. Ich übernahm eine kleine Bar im Département de la Haute Loire.
Ich begann wieder mit dem Alkohol und versteckte die Wahrheit. In der Bar sah ich viele
Alkoholiker. Die Alkoholiker, das waren sie. Aber im Grunde trank ich immer mehr, immer
früher und heimlich. Wir haben die Bar 2001 verkauft. Meine Frau sah, dass ich immer mehr
abglitt, sie rieb sich meinetwegen auf. Wir übernahmen einen Zeitungskiosk in einer
Einkaufspassage in Orange. Nebenan war eine Brasserie, und ich wurde rückfällig.
Der Alkoholmissbrauch macht alles kaputt, ich wurde unberechenbar, mein Hirn begann,
wirres Zeug zu denken. Ich war aggressiv, es ging mir nur noch schlecht. Ich regte mich bei
der kleinsten Bemerkung auf. Ich machte eine vierwöchige Entzugsbehandlung im April-Mai
2009 mit Aotal (Acamprosat) und Revia (Naltrexon). Alles ging gut. Ich kam raus im Mai und
kaum einige Monate danach, im September-Oktober, trank ich wieder, weil ich Lust darauf
hatte. Ich erzählte meiner Frau nichts davon. Ich versteckte die Flaschen im Keller und brachte
sie zur Entsorgung, wenn sie ausgegangen war.
Eines Tages kam sie unerwartet nach Hause und fand mich in der Küche vor einer Flasche
Wein. Sie war es, die das Buch von Professor Ameisen für mich entdeckte. Ich hatte schon das
Buch von Hervé Chabalier gelesen, Le dernier pour la route. Ich wollte aussteigen, weil mir
bewusst geworden war, dass ich alle um mich herum leiden liess. Ich ging zu meinem Haus-
arzt und erzählte ihm von Baclofen. Er wollte es mir weder verschreiben noch das Buch lesen.
Ich suchte wieder meinen Psychologen in Villeneuve auf, um mich einweisen zu lassen. Er kannte
Baclofen und war bereit, es mir zu verschreiben. Dieses Mal war ich vom 25. März bis 20. April
2010 in der Klinik. Seither stehe ich unter Baclofen und reduziere die Dosen. Aktuell nehme
ich 70 mg. Ich trinke nicht mehr und ich habe auch keine Lust mehr darauf. Ich bin viel
ruhiger, habe viel mehr Energie und gehe vielen Beschäftigungen nach, vielleicht sogar ein
wenig zu viel. Ich habe den Sport wieder aufgenommen. Ich habe 30kg verloren, weil ich Diät
machte. Mein Appetit ist gut, ich bin ein Schlemmer.
Es kommt mir vor, als wäre ich so, wie ich hätte sein müssen. Mir ist klar geworden, dass ich
lange Zeit voller Einwände zu sein glaubte, es war aber der Alkohol, der an meiner Stelle
räsonierte. Im Kühlschrank habe ich Bier. Ich habe Pastis und Whisky zu Hause, aber ich trinke
nicht. Das Leben ist schön für mich. Zuvor ging es mir schlecht. Ich hatte Lust auf alles
mögliche und keine Lust auf gar nichts. Wenn ich etwas bekam, wollte ich es nicht mehr. Ich
kaufte etwas und warf es weg. Ich bin eben von einem ganz bescheidenen Wochenende in Sète
zurückgekehrt. Ich war schlicht glücklich.»
Die Resultate der publizierten Studien über die Wirkungen von Baclofen reichen weit über
diejenigen anderer medikamentösen Behandlungen der Alkoholabhängigkeit hinaus, aber es
gilt auch eine fundamentale, qualitative Differenz zu unterstreichen: die durch Baclofen
verschaffte Heilung geschieht friedvoll, wohingegen die von anderen Ansätzen empfohlene
Abstinenz meistens einen Kampf und eine Tortur darstellt.
Doktor Renaud de Beaurepaire, Psychiater am Hôpital Paul Guiraud in Villejuif, ist der
französische Arzt, der als erster Baclofen verschrieb und somit über breite und wertvolle
Erfahrung damit verfügt. Sein bemerkenswertes Buch beleuchtet erschöpfend und detailliert
die Vorteile und unangenehmen Begleiterscheinungen dieser Behandlung und beschreibt deren
Umsetzung in der Praxis. Es prangert auch die moralische Niedertracht und intellektuelle
Mittelmässigkeit gewisser Gegner von Baclofen an, die mehr ihre eigenen Interessen
verteidigen als die der Patienten und der Allgemeinheit:
«Sein Auftauchen schlug Wellen. Niemand hatte es erwartet, es kam daher und stellte
jahrzehntealte Gewohnheiten auf den Kopf. Viele Alkoholforscher leugnen, was sich dadurch
entwickelt hat. Es gelingt ihnen nicht, zu akzeptieren, dass dies ein Medikament ist, wie sie
noch nie eines gesehen haben, noch je sich hätten vorstellen können. Sie schätzen es gar
nicht, von unbekannten Ärzten in Frage gestellt zu werden, von aufmüpfigen Vereinigungen,
von den Medien, die hier ein Thema gefunden haben, auf das die Öffentlichkeit sensibel
reagiert. Überzeugt davon, von niemandem irgendwelche Lektionen annehmen zu müssen,
vor allem nicht von jenen, die sie als «Baclofen-Hitzköpfe» bezeichnen, mauern diese
renommierten Akademiker und Spezialisten seit Jahren. Mit allen Mitteln.»
Weiter schreibt er: «Die Position der Baclofen-Gegner wird immer unhaltbarer. Eine wachsende
Zahl von Ärzten denkt bereits, dass es primär darum geht, ihre Patienten zu heilen: sie
entschliessen sich, Baclofen anzuwenden und es jenen Patienten zu verschreiben, die auf die
üblichen Behandlungen nicht ansprechen. Sie erkennen in der Folge sehr schnell, dass sie
damit über ein aussergewöhnliches Medikament verfügen. Sie verschreiben es weiter und
teilen ihre Erfahrungen mit ihren Kollegen, die ebenfalls zu verschreiben beginnen und die
Informationen weitergeben, womit die Zahl der verschreibenden Ärzte exponentiell anwächst.
Die Organisationen üben Druck aus, wo sie können. Damit die Dämonisierung der Behandlung
und das Aufbauschen der Nebenwirkungen aufhört. Und nun ist es soweit. Die Veränderung ist
in Gang gesetzt und nichts wird sie mehr aufhalten.» Sie spiegelt sich auch wieder in den
unaufhaltsam ansteigenden Verkaufszahlen von Baclofen(+50% innerhalb eines Jahres).
Renaud de Beaurepaire bedauert ferner die Untätigkeit der Behörden, die er erst hatte
aufrütteln müssen, damit sie aus ihrer Lethargie aufwachten und Schritte in die richtige
Richtung machten. Er erklärt, inwieweit die off-label-Verschreibung legal ist (20% aller
Verschreibungen in Frankreich werden auf diese Weise getätigt, ohne dass sich die Sécurité
Sociale darüber erregt). Und er sieht die Ablehnung, Baclofen an einen alkoholabhängigen
Patienten zu verschreiben, als verwerfliche Chancenverweigerung, die der medizinischen
Berufsethik zuwiderläuft.
Die beiden Bücher ergänzen einander wunderbar und sind die Antwort auf alle Unwahrheiten
und Verunglimpfungen, auf Desinformation und Blindheit, ja auf die ganze Ignoranz und
eigennützige Feindseligkeit der Gegner dieses enormen Therapiefortschritts.
Bernard Granger
April 2013
Hier das Original