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Re: Mitten in der Nacht

Donnerstag 4. Dezember 2014, 19:55

Sorry, lieber Volker, Deine Nachfrage ist an mir vorbei gerauscht.
Ich nehme aktuell kein Baclofen, aber auch kein Medikinet mehr. Das ging 10 Tage gut, dann bekam ich Panikattacken. Konkret: "Schnappatmung", Atemnot. Kann in seltenen Fällen passieren, wenn eine zu grunde liegende Angststörung nicht austherapiert ist, wurde mir erklärt. Innerhalb von 3 Tagen nach Absetzen des Medikinet war das aber ausgestanden. Hat mir dann auch keine solche Angst mehr gemacht, als mir bestätigt wurde, was mir mein Bauchgefühl sagte: ich vertrage nach anfänglichem Erfolg das Medikinet nicht. Das Fluoxetin wurde höher dosiert und ich habe eine Therapie begonnen. Damit komme ich aktuell gut zurecht. Manchmal, wenn es mir richtig mies geht ist da trotzdem eine riesen Dankbarkeit, fast Leichtigkeit, dass ich nicht zur Pulle greife. Die Depression hat keine solche Macht mehr über mich und die Angst lässt immer öfter mit sich reden. Daraus kann ich Kraft schöpfen und Anlauf nehmen. Spüre mich auch immer mehr und finde mich nicht mehr nur unerträglich. Bin halt so. Es bahnt sich etwas wie eine Akzeptanz an. Ein zartes Pflänzchen noch aber es ist schon mal da. So oder so, hat dieser Weg hier im Forum, mit Baclofen und DEM BUCH begonnen. Und dafür bin ich unendlich dankbar. Kann mir auch vorstellen noch mal einen Anlauf mit Baclofen zu nehmen, wobei ich momentan mit der Einstellung auf Fluoxetin, dem inzwischen schon größerem Abstand zum letzten Absturz und der Gesprächstherapie gut fahre.
Euch allen eine wonneschöne Adventszeit. Lasst Euch nicht anstecken von Stress, Hektik und Geschenke-Torschlusspanik.

Re: Mitten in der Nacht

Freitag 5. Dezember 2014, 07:32

Liebe Juli,
danke für Deine Antwort..
Ich denke, jeder hier im Forum geht seinen Weg. Schön zu lesen, dass Du auch einen gefunden hast!!
Ich selber (fast 5 Jahre mit Baclofen) kann nur feststellen, Baclofen ist nebenbei auch eine Art von Antidepressivum..
Baclofen öffnet Türen.. ist aber kein Ersatz für das Leben..
Danke nochmals für Deine Rückmeldung :YMAPPLAUSE:

Ganz liebe Grüße Volker

Re: Mitten in der Nacht

Freitag 5. Dezember 2014, 13:41

Liebe Juli,

danke fürs Schreiben. Einmal mehr der Hinweis: ADHS und Baclofen gehen nicht gut zusammen. Fast alle Patienten mit ADHS erleben unter Baclofen diese "Verwirrtheit", die Du früher beschrieben hast.

Ich wünsche Dir auf Deinem Weg weiterhin alles Liebe und Gute!

Herzlich

jivaro

Re: Mitten in der Nacht

Freitag 5. Dezember 2014, 17:48

Liebe Jivaro,
danke! Dein Beitrag bedeutet mir sehr viel. Ich dachte nämlich wirklich und denke das phasenweise immer noch, dass ich versagt habe und weiter trinken wollte, was ich ja auch gemacht habe. Den Rückfall unter Baclofen habe ich hier beschrieben. Das war Hölle pur. Trotzdem war es der richtige Weg, denn der Arzt, der mir Baclofen verschrieben hat hat auch angestoßen, dass ich ADHS prüfen lassen soll. Bis dato wusste ich gar nicht, dass es das bei Erwachsenen gibt. Das erklärt auch viel in meinem Leben und ich bin vom Typ her so, dass ich besser zurecht komme, wenn ich die Dinge "greifen", mich auch theoretisch mit ihnen auseinandersetzen kann.

Re: Mitten in der Nacht

Donnerstag 11. Dezember 2014, 23:13

Liebe Juli,

wie geht es dir inzwischen ?
Meine Gedanken sind bei dir.

Ganz liebe Grüße, Werner

Re: Mitten in der Nacht

Sonntag 4. Januar 2015, 11:58

Werner, das ist lieb. Danke!

Ich fange mal mit den schlechten Nachrichten an.
Ich hatte einen Vorfall. Mit dem Begriff Vorfall tue ich mich immer noch schwer, komme ja aus der „traditionellen“ Schule der Suchtmedizin, aber es gibt den Unterschied. Ich hab mich gleich geoutet, aufgehört und kam ohne wochenlange Nachwehen raus. Kann aber sein, meine Therapie wird deshalb nicht genehmigt. Ohne meinen Vorfall beschönigen zu wollen, ein schnödes System. Keiner käme auf die Idee einem Depressiven die Therapie zu verweigern, mit dem Verweis, jetzt sei mal brav 6 Monate nicht depressiv, dann darfst Du eine Therapie machen.
Heilig Abend hatte ich eine 5 stündige Panikattacke. Bis dahin ging es mir erstaunlich gut, und dann verlor ich für 5 Stunden jegliche Kontrolle. Ich wollte nur noch heim und dachte, wenn ich nicht sofort umkehre und heimfahre passiert was Schreckliches. Das war die einzige Wahrheit im Hirn, begleitet von heftigen körperlichen Symptomen..... Alk hätte ich mir besorgen können, da ich praktischer Weise am Bahnhof war und ehrlich gesagt war ich phasenweise in Versuchung. Bin aber ohne in die Angst rein gefahren, nicht zurück und mit jedem Umsteigen ging es mir besser und danach war ich richtig glücklich, dass ich in die Panik rein und somit rausgefahren bin.
Alles in allem bin ich relativ stabil durch die für mich warum auch immer traditionell schwer zu ertragende Advents- und Weihnachtszeit gekommen. Ich habe paar Wochen die Verantwortung für einen schwierigen, fremden Hund übernommen, das wäre jahrelang undenkbar gewesen. Alleine die Vorstellung zuverlässig „funktionieren“ zu müssen hätte mich in Abgründe gerissen. Die Leute waren mir so dankbar, dabei war es für mich ein Geschenk, mich so fühlen und beweisen zu können. Ich habe gemerkt, dass meine motorischen Fähigkeiten mein Fingerspitzengefühl viel, viel besser geworden sind, ich habe wieder Ideen und Spaß an der Kreativität. Überhaupt: ich habe die Fähigkeit zur (Vor)freude wieder gewonnen.
Was mein Hirn angeht, ich meine strukturierter und konzentrationsfähiger zu sein, für den Alltag reicht es. Wenn ich viele Eurer Beiträge lese, steige ich aber intellektuell schnell aus.
Ich bin bestürzt über die Erkenntnis, wie sehr depressiv ich war. Ganz ehrlich, als ich die Diagnose bekam, dass ich schwer depressiv sei war ich überzeugt, dass diese Ärztin halt keinen Plan von Sucht hat und würde ich nicht saufen wäre ich nicht depressiv, bzw., dass ich mich in der Depression einrichte, um einen Vorwand fürs Saufen zu haben. Ich finde das auch deshalb so bedrückend, weil ich so in den Glaubensbekenntnissen der traditionellen Suchtmedizin gefangen war, die mir einerseits sicher das Leben für viele Jahre gerettet haben, mich aber andererseits betriebsblind werden ließen.
Dass es eine Weile dauerte, die momentan passende Medikation zu finden hatte ich schon geschrieben. Die Ärztin sagt immer mal: "da braucht man viel Geduld". Da muss ich jedes Mal schmunzeln und an die 3 Gs von hier denken.
Ich habe mit Hilfe meiner Therapeutin auch einige Techniken wieder entdeckt, die mir helfen, die aber verschütt waren. Verrückt, wie frau so was vergessen kann. Alk halt.
Was dringend ansteht ist mehr Achtsamkeit, so eine heftige Panikattacke kommt nicht aus dem Off, da muss ich vorher einige Signale überfahren haben.
Zusammenfassung: aktuell geht es mir so gut wie seit über 10 Jahren nicht mehr, obwohl sich an den äußeren Umständen, die vermeintlich für soviel verantwortlich waren gar nichts geändert hat. Und das fing hier an. Danke, dass es dieses Forum und Euch gibt. Euch allen ein gutes, rundes und gesundes 2015.

Re: Mitten in der Nacht

Sonntag 4. Januar 2015, 12:55

Juli hat geschrieben: Alles in allem bin ich relativ stabil durch die für mich warum auch immer
traditionell schwer zu ertragende Advents- und Weihnachtszeit gekommen.

Tut gut zu lesen, dass es anderen ähnlich geht.

LG Federico

Re: Mitten in der Nacht

Sonntag 4. Januar 2015, 13:40

Mir tut das auch gut, federico. :-h
Aber es war deutlich besser und ich bin wild entschlossen, dass es noch besser wird.

Re: Mitten in der Nacht

Sonntag 4. Januar 2015, 15:10

Liebe Juli

Magst Du Dich noch an den Apfelbaum erinnern...? Frühling 2013? In diesem Thread. Vielleicht trägt er nun im kommenden Sommer die ersten Früchte...
Juli hat geschrieben:aktuell geht es mir so gut wie seit über 10 Jahren nicht mehr, obwohl sich an den äußeren Umständen, die vermeintlich für soviel verantwortlich waren gar nichts geändert hat.
Gehe der angefangenen Spur weiter nach, immer mit den 3 G's im Hinterkopf. Auch wenn der Weg lang ist, das kontinuierliche Vorwärtsschreiten zählt! Die kleinen Erfolge summieren sich zum Ganzen.

Alles Gute und LG
moonriver

Re: Mitten in der Nacht

Sonntag 4. Januar 2015, 17:03

Wie immer wunderschön geschrieben, lieber Moonriver.
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