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Re: Suchtmutter

Sonntag 15. Februar 2015, 12:16

Liebe Suchtmutter,

darf ich Dich so nennen? Es fällt mir leichter, die Anrede „Kürbiskern“ ist mir zu
unpersönlich. Du schreibst:
Suchtmutter hat geschrieben: Ich befürchte dann wieder, ihr fehlt noch ein Schuss Motivation. Aber dann drängt die Zeit.
Frag nicht was ihr fehlt, sondern über welche Fähigkeiten sie verfügt. Zeit? Wer oder was genau drängt da?
Suchtmutter hat geschrieben:Ob sie nun (bewusst) trinken wollte, die Dosis beizeiten erhöhen hätte sollen, sich jetzt von ihren Schuldgefühlen und Gewissensbissen erschlagen lässt, doch lieber wieder weiter trinken will, oder es schafft, mit Baclofen (wie sie sagt) weiter zu machen - ich weiß es nicht.
Aus diesen Zeilen entnehme ich, sie hatte einen Rückfall?

Nicht ungewöhnlich in diesem Stadium, kannst Du sie in ihrem Willen weiter zu machen
bestärken anstatt zu zweifeln? Ich weiß, das ist schwierig für Dich, versuch' es trotzdem.
Positiv denken, sich von den alten Denk-Mustern verabschieden, gestehe ihr einen
Vertrauensvorschuss zu. Stichwort: lösungsorientiert statt problemhypnotisiert
oder: vom Guten des Schlechten – vom Schlechten des Guten.

Hier findest Du zu „Lösungsorientierter Ansatz“ und „Systemische Therapie“ zwei gute
Bücher die weitgehend ohne „Sozpädkauderwelsch“ auskommen, also für Jederfrau lesbar sind.

Suchtmutter hat geschrieben: Ich weiß nur eins, dass noch einpaar Bausteine fehlen, und die will ich als echt Co-Abhängige suchen helfen.
Co-Abhängigkeit – was soll das sein? Wäre Deine Tochter z. B. an Krebs erkrankt,
würdest Du dich dann auch als Co-Krebskranke bezeichnen?, nur weil du alles für deine
Tochter tun würdest, um ihr zur Seite zu stehen !!! Dieses Beispiel ist stellvertretend für alle
Krankheiten bis hin zu Sterbehilfe, mit dem Unterschied, dass niemand auf die Idee kommt,
Empathie, Anteilnahme und christliche Nächstenliebe mit Co-XXX zu brandmarken.
Dieses unselige, stigmatisierende Wortkonstrukt aus dem Wortschatz der anonymen
Alkoholiker, solltest Du am besten wieder vergessen – auch wenn es schwer fällt.

Positiv festzuhalten ist der Wille, aus dem Teufelskreis Alkoholsucht auszubrechen.
Wir sagen, das ist die halbe Miete. Sie nimmt 75mg Baclofen täglich, das ist eine brauchbare
Krücke um wieder selbständig das Gehen zu erlernen. Wie es wirkt und ob sie höher gehen
könnte ..., sollte sie mit einem erfahrenen Arzt, Therapeuten, „Reisebegleiter“ etc. besprechen.
Mit der Geduld einer liebenden Suchtmutter kann es gelingen ... eine PN an Dich folgt später.

Herzlich
Federico

Re: Suchtmutter

Sonntag 15. Februar 2015, 12:59

Lieber Federico,

freilich, nenn' mich Suchtmutter, das bin ich und dazu stehe ich.
Deine Zeilen sauge ich auf, muss immer wieder lesen - denke, ich habe was ganz wichtiges übersehen. Genau das, worauf es ankommt, was ich vielleicht immer wieder mit den besten Absichten, falsch machte.
"Bestärken statt zweifeln", könnte meine Losung sein. So viel schöne zwischenmenschliche Qualitäten gehen im Gerangel von süchtigen Zeiten den Bach runter.
Hat doch schon der Franziskus kürzlich gemeint (ich höre sonst eher wenig hin, was ein Papst so sagt):
"Haben wir den Mut, mit Zärtlichkeit die Schwierigkeiten und Probleme derer aufzunehmen, die uns nahe sind? Oder ziehen wir unpersönliche Lösungen vor, die vielleicht effizient sind, aber denen die Wärme fehlt...?"
Ja, meine Tochter hatte einen Rückfall,
aus dem vielleicht - sollte sie es sich anders überlegen - noch ein Zwischenfall werden könnte.

Danke für den Buchtip, und überhaupt... wer würde da sein, wenn es am WE brennt?

Herzliche Grüße
Suchtmutter

Re: Suchtmutter

Montag 27. April 2015, 20:30

Nicht, dass sich groß etwas verändert hätte, aber ICH habe etwas geändert.

Oftmals lese ich mich quer durchs Forum, habe mich in Federicos empfohlene Lektüre vertieft - besonders Viktor Frankl's "trotzdem Ja zum Leben sagen" ließ mich wachsen und geduldiger als je zuvor den zuletzt vierwöchigen Tiefgang meiner trinkenden Tochter (derweil ich ihr Kind/mein Enkelkind zu mir nahm) überstehen und abwarten.

Zugegeben, manchmal wollte mich wieder Verzweiflung und Resignation einholen, aber diesmal besaß ich eine andere Art der Zuversicht, die stärker war, und so wußte ich zuvorderst, meinem Enkelkind wäre mit solch einer Großmutter wohl nicht geholfen, und somit meiner Tochter auch nicht.

Nun, meine Tochter ist erneut auferstanden, trinkt nicht mehr, hat ihr Kind zu sich geholt, nimmt wieder Baclofen (ist bei 50 mg/d) und hat ihre (wenig hilfreiche) Therapie über Bord geschmissen.

Vielleicht hat ihre Motivation eine Steigerung erfahren?
Vielleicht hat sie den Mut, sich einen neuen Therapeuten - der mehr von Baclofen anstatt von Antabus hält - zu suchen?

GGG und Gott Gib Gnad

Re: Suchtmutter

Montag 27. April 2015, 22:56

kürbiskern hat geschrieben:Nun, meine Tochter ist erneut auferstanden,
trinkt nicht mehr, hat ihr Kind zu sich geholt,
nimmt wieder Baclofen (ist bei 50 mg/d) und hat ihre
(wenig hilfreiche) Therapie über Bord geschmissen.

Wenn das keine gute Nachricht ist.

Hallo Suchtmutter,

wenn's nicht schon so spät wäre, hätte ich jetzt Beth Ditto mit ihrem Song
„Move in the right direction“ aufgelegt und gaaaanz laut gehört.
Wenn möglich sag' Deiner Tochter einen schönen Gruß von hier. \:D/
Ich freue mich.

LG Federico

Re: Suchtmutter

Dienstag 28. April 2015, 08:54

Hallo Suchtmutter

Da selber bereits Grossvater, würde ich wohl in einer solchen Situation ähnlich handeln. Lieben, Glauben, Hoffen... und gefasstes Abwarten.

Ich gönne Dir und Deinen Lieben den damit verbundenen Erfolg von ganzem Herzen!
kürbiskern hat geschrieben:GGG und Gott Gib Gnad
Eine schöne Neuinterpretation unserer "Formel"...

Alles Gute

LG
moonriver

Re: Suchtmutter

Dienstag 28. April 2015, 11:29

Schön!

GGG und Gott Gib Gnad
LG jivaro

Re: Suchtmutter

Dienstag 28. April 2015, 13:08

Mit Beth Ditto den Tag angefangen.
Mit moonrivers Wunsch durchgeatmet.
Mit jivaros lieben Gruß weiter machen.

Ich danke Euch.
LG Suchtmutter

Re: Suchtmutter

Dienstag 28. April 2015, 13:46

es ist immer wieder schön zu sehen das es so viele Menschen gibt, die uns bei der Krankheit nicht im Stich lassen :daumen:
Leider gibt es da auch genug negative Beispiele ( ich muss mir nur meine noch Ehefrau anschauen ) :-Q :-Q :-Q

Re: Suchtmutter

Montag 4. Mai 2015, 15:46

Hallo Ostropa,
ganz gewiss will niemand absichtlich einen nahen Menschen im Stich lassen, deshalb erlaube ich mir Marits Ansicht (die mir aus der Seele sprach) zu zitieren:

"Der Angehörige muss sich an die allererste Stelle seiner eigenen Priorität (Wertschätzung) setzen. Was er darüber hinaus an Kraft hat, darf er abgeben, dahin, wohin er entscheidet. Er kann und darf aber auch alles bei sich behalten. Dies muss er sogar, wenn er keinen Überschuss an Energie zur Verfügung hat, was in Zeiten von Krankheit, Geschwächtheit und werdender Genesung der Fall ist".

Alles Gute für Dich.
Suchtmutter

Re: Suchtmutter

Dienstag 30. Juni 2015, 10:41

Jetzt ein neuer Versuch, nachdem die Katze auf die Tastatur latschte und alles löschte.
Ich will ihr ja nichts unterstellen, aber z. Z. kommt einiges zu kurz und jeder protestiert auf seine Weise...

Also, wo war ich stehen geblieben...?
Mich schleudern so einige Fragen, wie z. B., wie und womit fördere oder verhindere ich?
Seit fast 2 Monaten lebt meine Enkelin nun bei mir. Sie will nicht mehr heim zur Mama. Ihre Mama ist - sicher nicht ohne Schmerz und Schuldgefühle - beschäftigt mit dem Auf- und Abdosieren von ALK und BAC. Seit ihr Kind von ihr weg ist, hat sie keine anderweitigen Aufgaben oder Verantwortungen zu erfüllen, die ihr Leben strukturieren könnten. Und weil das Kind ja nicht verloren ist, wie z. B. bei der Unterbringung in einer Pflegefamilie - sie kann es jederzeit sehen/kontaktieren - muss sie sich nicht sonderlich anstrengen.
Meine Tochter scheint sich mit allem abzufinden. Und wenn manchmal doch noch die Rede von einem neuen, anderen Leben ist, wiegelt sie ab und sagt: "Das ist die Krankheit, ich bin halt krank!"
Das Kind leidet unter Gewissensbissen, dass es den Wunsch der Mama, wieder heimzugehen, nicht erfüllen will.
Es weint, weil es glaubt, es wäre seine Schuld, dass die Mama traurig ist.

Ich liebe beide inniglich und es erdrückt mich bei dem Gedanken, dass ich, indem ich meine Enkelin aufnehme und gewissermaßen schütze, zugleich meiner Tochter den Hauptgrund zur Gesundung entziehe.

PS: Frieder, ein großes Danke für Dein Bemühen!

LG Suchtmutter
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